Renault Twingo im Test mit Daten, Preisen und Ausstattung

September 9, 2014

Die dritte Generation des Renault Twingo ist Anfang September 2014 gestartet

Die kurze Nase zeigt deutlich, dass der Motor nicht vorne, sondern hinten sitzt

Auch hinten ist nicht sofort klar, wo da der Motor Platz haben soll

Nantes (Frankreich), 8. September 2014
Charlotte ist 30, wohnt in München, trägt Mode von Mango und liebt ihr weißes iPhone abgöttisch. Unsere hypothetische Charlotte ist der Typus “young urban miss” und sucht einen gut aussehenden, farbigen Freund. Auf der Kandidatenliste stehen Fiat 500, Opel Adam, Toyota Aygo und Peugeot 108. Nun darf sie den Renault Twingo dazuschreiben, denn in der gerade gestarteten dritten Generation passt er genau in ihr Beuteschema: Er ist klein, er ist farbig und er sieht gut aus – genau wie die anderen. Und doch ist der Twingo ein wenig anders: Wie der baugleiche Smart Forfour hat er den Motor hinten statt vorne, und angetrieben wird die Hinter- statt der Vorderachse. Muss das unser urbanes Fräulein interessieren? Durchaus, denn daraus ergeben sich Vor- und Nachteile.

Motor hinten
Der Motor liegt beim Twingo unter dem Kofferraum zwischen den Hinterrädern. Für vorne bleiben nur noch Batterie, Scheibenwasch-Behälter und der Kühler übrig.
Durch dieses Layout ergibt sich ein kleiner Wendekreis von nur 8,60 Meter: Durch den frei werdenden Raum im Vorderwagen lassen sich die Vorderräder bis zu 45 Grad einschlagen – normal sind nur 30 Grad. So werden Einpark- und Wendemanöver in engen Innenstädten beträchtlich erleichtert, was Charlotte sicher freut. Aber wenn der Motor im Heck sitzt, ist dann nicht der Kofferraum kleiner? Nein. Mit 219 bis 980 Liter passt etwa ebenso viel rein wie in einen VW Up. Nach dem Umklappen ergibt sich sogar ein ebener Laderaum – selten bei Kleinstwagen. Wenn Party angesagt ist, kann Charlotte auch mehrere Kästen Bier einladen, ohne die Rücksitze umzuklappen. So kann sie noch drei starke Freunde zum Schleppen der Getränke mitnehmen. Die braucht sie auch, denn die Kisten müssen vom Boden aus weit angehoben werden, weil der Kofferraum ungewöhnlich hoch liegt. Dafür können die Kästen später leicht aus dem Kofferraum herausgezogen werden, eine Schwelle gibt es nämlich nicht. Dass auf der Kofferraumabdeckung von Charlottes Wagen ein Wackeldackel schlummert, ist nicht anzunehmen. Nicht weil Charlotte das nicht mag, sondern weil die Kofferraumabdeckung so dünn und so schlecht aufgehängt ist, dass sie nicht als Ablage taugt.

Serienmäßig Platz für ein Regal
Wenn Charlotte ihre Wohnungseinrichtung noch nicht finalisiert hat, wird sie sich über die serienmäßig umklappbare Beifahrersitzlehne freuen: So lässt sich sogar ein 2,30 Meter langes Regal transportieren. Auch eine Notübernachtung für eine Person wird dadurch möglich. Normalerweise wird der Twingo aber nicht als Wohn- oder Umzugswagen eingesetzt, sondern als fahrbarer Untersatz für bis zu vier Personen. Das Einsteigen ist einfach, da der Twingo stets ein Fünftürer ist. Die Rücksitze sind nicht mehr verschiebbar wie bei den Vorgängern, aber die Lehnenneigung lässt sich verstellen. Selbst in der bequemeren der beiden Positionen sitzt man jedoch noch arg aufrecht, und die Knie zeigen leicht himmelwärts. Trotz ausreichender Kopf- und Kniefreiheit ist das Sitzen im Fond daher kein reines Vergnügen.

Vorsicht mit Eis, Schokolade und Cremes
Ein Nachteil des Heckmotor-Konzepts ist die Wärmeentwicklung des Aggregats. Speiseeis, Schokolade oder die Nachtcreme gehören daher nicht in den Kofferraum. Dieses Minus verwandelt sich beim Pizza-Transport jedoch in ein Plus – dieses Argument sollten sich Renault-Händler merken. Platz für ein Reserverad gibt es im Twingo nicht, doch gerade für den Stadteinsatz reicht das Tyre-Repair-Kit ja auch aus – Charlotte kennt sich ohnehin weder mit dem einen noch dem anderen aus. Im Winter ist Angst vor durchdrehenden Rädern unbegründet, denn das Gewicht liegt ja auf der angetriebenen Achse. Und auch die Crashsicherheit ist kein Problem: Die Renault-Ingenieure haben den Motor so eingebaut, dass er bei einem Auffahrunfall nicht die Hüftknochen von Charlottes Kumpeln zertrümmert, sondern elegant nach unten gleitet. Die jüngst erzielte EuroNCAP-Crashnote von vier Sternen werten die Renault-Ingenieure angesichts der gestiegenen Anforderungen sogar als Erfolg.

Nicht Charlottes Problem
Womit sich Charlotte grundsätzlich nicht beschäftigt, sind die Innereien des Autos. Öl zum Beispiel ist pfui, das muss die Werkstatt machen. Aber erwähnt sei es doch: Um nachzufüllen, öffnet man eine Platte im Kofferraum, darunter liegt der Motor. Der Zugang zum Behälter für die Scheibenwaschflüssigkeit und zur Batterie wird frei, wenn man die Fronthaube öffnet. Sie wird allerdings nicht wie gewohnt aufgeklappt sondern aufgeschoben – eine etwas wackelige Konstruktion. Aber wie gesagt: Das ist nicht Charlottes Problem, sondern das der Werkstatt.

Zwei Dreizylinder
Im Twingo werden zwei verschiedene Dreizylinder-Benziner angeboten. Wenn Charlotte öfter über Land fährt oder ein Berg auf dem Weg in die Arbeit liegt, wäre der TCe 90 zu empfehlen. Ein Turbo presst hier 90 PS aus 900 Kubikzentimeter Hubraum, und man fühlt sich eher schneller, als es der Beschleunigungswert von 10,8 Sekunden andeutet. Der Dreizylinder klingt ansatzweise rau, was in dem kleinen Racker aber kernig und nicht nervig wirkt. Der Bordcomputer zeigte nach unserer Testfahrt 6,3 Liter je 100 Kilometer an, wie gewohnt deutlich mehr als der Normverbrauch von 4,3 Liter. Eine Start-Stopp-Automatik ist Serie, die Euro-6-Norm wird erfüllt. Will sich Charlotte auf die Stadt beschränken, reicht der Twingo SCe 70 aus. Der Saugbenziner mit einem Liter Hubraum mobilisiert 71 PS. Hier muss man schon bei leichten Steigungen zurückschalten. Die gefahrene Grundversion hat auch keine Start-Stopp-Automatik und erfüllt nur die Euro-5-Norm. So soll das Wägelchen 4,5 Liter auf 100 Kilometer brauchen. Bei uns war es im extrem dichtem Stadtverkehr fast doppelt soviel.

Ein Stadt-Fahrwerk
Serienmäßig werden beide Motoren mit einer Fünfgang-Schaltung kombiniert, die sich minimal hakelig anfühlt, obwohl man beim Gangwechsel niemals wirklich hängen bleibt. Erst ab Herbst 2015 soll auch ein Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe verfügbar sein. Das Fahrwerk und die serienmäßige Servolenkung sind für diese Klasse in Ordnung. Komfort wie in einer Mercedes S-Klasse darf Charlotte bei einem Kleinstwagen nicht erwarten. Renault hat das Wägelchen eher straff abgestimmt, sodass es in Kurven trotz der stattlichen Karosseriehöhe von 1,56 Meter kaum nach außen wankt. Nimmt unsere urban miss aber vor Temposchwellen den Fuß nicht rechtzeitig vom Gas, bekommt sie einen heftigen Stoß als Quittung.

Farbe innen und außen
Wichtiger für Charlotte ist die Optik, und da hat Renault-Chefdesigner Laurens van den Acker ein gutes Händchen gehabt. Sieben Außenlackierungen, darunter auch Rot, Gelb und Hellblau, stehen zur Wahl. Zur peppigen Gesamterscheinung tragen auf Wunsch auch diverse Dekors bei, und die Farbe der Außenspiegel lässt sich ebenfalls variieren. Genauso farbenfroh zeigt sich der Twingo im Innenraum: Da gibt es verschiedene Sitzfarben, und auch der Rahmen um die Instrumente kann in verschiedenen Designs bestellt werden. Ebenfalls wichtig für unsere junge City-Bewohnerin ist eine gute Anbindung für ihr Smartphone. In der mittleren Ausstattung Dynamique ist das Radio R & Go Serie, und das erlaubt nicht nur freihändiges Telefonieren via Bluetooth, sondern auch die Wiedergabe der Musik auf dem iPhone und die Straßennavigation. Dazu muss Charlotte eine kostenlose App installieren und die Navigationskarten für Deutschland, Österreich und die Schweiz auf das Handy herunterladen. Sie klipst dann ihr Handy in die stabile Halterung an der Mittelkonsole ein. Für die Stromversorgung ist ein Kabel nötig, doch die Verbindung mit der Audioanlage funktioniert über Bluetooth. So kann auch ein Drehzahlmesser auf dem Handydisplay angezeigt werden – der dem Twingo sonst gänzlich fehlt.

Bereits beim Händler
Der neue Twingo steht bereits beim Händler. Die Preise beginnen bei 9.590 Euro für den SCe 70 Expression mit spartanischer Ausrüstung. Empfehlenswerter ist die nächsthöhere Version Dynamique. An Bord sind dann elektrische Fensterheber vorne – hinten hat das Auto wie viele Konkurrenten nur Ausstellfenster. Auch das erwähnte Radio mit Handy-Unterstützung und eine geteilt umklappbare Rücksitzlehne sind an Bord. Eine Klimaanlage kann für 790 Euro geordert werden. Ohne diese sind 10.490 Euro für den Twingo SCe 70 zu zahlen, mit 90-PS-Motor kostet der Wagen dann 11.990 Euro. Runde 12.000 Euro klingen viel für einen Kleinstwagen. Doch billig und klein hängen eben nicht immer zusammen. Wer nur ein günstiges Auto haben will, ist mit einem Dacia für 7.000 Euro besser dran. Aber für Charlotte ist ein Sandero in Dunkelblau wohl indiskutabel.
(sl)

- Zur Bildergalerie (29 Bilder)

- Immer informiert mit AutoNEWS: Mit einem Klick zum Newsletter

Posted in :  Auto
Tags : 

URL for this post : https://auto.de.0685.com/?p=2345

Leave a Reply