Rüsselsheim, 9. September 2014
Opel baut Kult-Coupés. Dieser kurze Satz lässt sich durchaus positiv werten, aber leider denken die meisten jetzt unweigerlich an den etwas dümmlichen Bertie, gespielt von Til Schweiger in “Manta, Manta” und seinen auffällig breiten, tiefen und bunten Manta B.
Proletenkarren und die Arbeiterklasse
Der Film von 1991 visualisierte, was in dieser Zeit ganz Autodeutschland dachte: Opel-Coupés? Das sind doch diese getunten Proletenkarren samt ihren Vokuhila tragenden und aus der Arbeiterklasse stammenden Fahrern, die die blonde Friseurin auf dem Beifahrersitz haben. Dabei baute Opel tatsächlich echte Kult-Coupés. Wir erinnern uns zurück und denken an den GT, das Commodore Coupé oder den Monza. Schöne und mittlerweile gern gesehene Gäste auf Oldtimer-Veranstaltungen. Und auch wenn der Manta B so negativ belastet war, avancierte dieses Automobil bereits während seiner Bauzeit zum Kult.
25-jähriges Jubiläum
Wir schreiben das Jahr 1989, befinden uns auf der Internationalen Automobil Ausstellung in Frankfurt und Opel schlägt eine neue Seite im Buch der Coupé-Historie auf. Die Rüsselsheimer stellen auf der IAA ein neues Sportcoupé vor, den Calibra. Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner ahnen konnte: Der Calibra sollte mit 238.647 verkauften Einheiten in sieben Produktionsjahren zum erfolgreichsten Sportcoupé der 90er-Jahre werden.
Erschwinglich und modern, der Calibra
Schon die Manta-Reihe profitierte von der Großserientechnik des Ascona. Der Calibra bediente sich in Technikfragen dementsprechend bei der eng verwandten Vectra-Limousine. Die Großserientechnik hatte einen entscheidenden Vorteil: Der Calibra war vergleichsweise günstig. Der Einstiegspreis lag bei 33.900 DM. Dafür bekam man den Calibra mit Zweiliter-Basismotor und 115 PS.
Mehrfacher Weltmeister
Der Calibra wurde Weltmeister und das in gleich zwei Segmenten. Zum einen konnte Manuel Reuter im Jahr 1996 das Coupé an die Spitze der Internationalen Tourenwagenmeisterschaft (ITC) fahren, zum anderen war der Luftwiderstand des Fahrzeugs rekordverdächtig. Der erreichte cW-Wert von 0,26 war bis dato der Geringste eines Serienfahrzeugs.
Serienmäßig komfortabel, individuell erweiterbar
Trotz der flachen Coupé-Linie und der zur optimalen Luftführung entwickelten Karosserie war der Calibra alltagstauglich. Eine Einzelradaufhängung, eine Schräglenker-Hinterachse, ein geregelter Katalysator und eine Servolenkung waren serienmäßig und Anfang der Neunziger noch nicht die Regel im Automobilbau. Verbunden mit dem langen Radstand (2.600 Millimeter) bot der Calibra für ein Coupé viel Platz für vier Passagiere und im bis zu 980 Liter großen Kofferraum auch für deren Gepäck. Wer noch mehr Komfort wünschte, konnte die Ausstattung durch eine Klimaanlage oder ein elektrisches Schiebedach erweitern.
Die wichtigsten Modelle bis zum Produktionsschluss
Neben dem bereits erwähnten Zweiliter-Basis-Benziner mit 115 PS konnte der Calibra auch als 16V bestellt werden. Die doppelte Anzahl der Ventile holte 150 PS aus der Zweiliter-Maschine und machte den Opel-Sportwagen 223 km/h schnell. Zum serienmäßigen Frontantrieb gab es für die Zweiliter-Aggregate einen optionalen Allradantrieb. Serienmäßig war die manuelle Fünfgang-Schaltung. Zur Wahl stand auch eine Viergang-Automatik und sogar ein Sechsgang-Getriebe war erhältlich. Die Schaltung mit sechs Gängen war dem ab 1992 verfügbaren Calibra Turbo mit serienmäßigem Allradantrieb, 16-Zoll-Alufelgen und sündigen 204 PS vorbehalten.
Sechs Zylinder und die Sondereditionen
Pünktlich zum Opel-Werkseinsatz in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (1993/1994) kamen der neue Calibra V6 (2,5 Liter Hubraum, 170 PS) sowie die verschiedenen Zweiliter-Vierzylinder im neuen weiß-gelben DTM-Look daher. Dazu kam ab Mai 1996 die Sonderedition Cliff Motorsport. Diese Lackierung entsprach dem Klasse-1-Renner von Manuel Reuter. Zudem rollte die um 20 Millimeter tiefergelegte Karosserie auf BBS-Alufelgen zum Kunden. Den Schluss bildete die Last Edition, die bis Ende April 1997 bestellbar war. Mit Sportfahrwerk, BBS-Alus, Lederausstattung und Klimaanlage kam das Abschluss-Modell luxuriös daher. Als Motoren standen der 2,5-Liter-Sechszylinder oder der zu diesem Zeitpunkt schon 136 PS starke Einstiegsbenziner zur Wahl.
Ein Opfer der Hobby-Schrauber
Am 29. August 1997 war dann offiziell Schluss mit Calibra. 25 Jahre nach der Präsentation und 17 Jahre nach Produktionsschluss ist das Fahrzeug heute zum Youngtimer gereift. Auch wenn die Meinung zweigeteilt ist, wie damals als der Manta ein Klassiker wurde: Potenzial zum Klassiker hat der Aerodynamik-Weltmeister. Und das nicht nur, weil der Opel ein technischer Vorreiter war, sondern weil der Calibra zu gewissen Teilen die Geschichte des Manta B rekapituliert: Durch die sportlichen Gene zu dem günstigen Einstiegspreis fiel der Calibra vielen Hobby-Schraubern zum Opfer. Das macht originale Exemplare zu raren Einzelfällen. Derzeit sind noch rund 10.000 Fahrzeuge in Deutschland zugelassen, Tendenz fallend.
(ml)
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