Vancouver (Kanada), 30. August 2013
“Wir sind die Erfinder dieser Fahrzeuggattung”, sagt BMW-Entwicklungsvorstand Herbert Diess. Wie bitte? Kurzes Stutzen. Natürlich ist BMW eine innovative Marke. Aber Erfinder des SUVs? Der typischsten aller Fahrzeuggattungen in Nordamerika? “Die Erfinder des Sports Acitvity Vehicle”, führt Diess weiter aus. Also SAV statt SUV (Sports Utility Vehicle). Alles nur Etikettenschwindel? Mitnichten, die Bayern wollen sich diesbezüglich gar nicht mit Chevrolet oder Range Rover vergleichen. “Der erste X5 war 1999 das erste Fahrzeug dieser Art, das konsequent für die Straße entwickelt wurde”, so Vorstand Diess. Und nicht fürs Gelände. Deshalb nennt BMW das Ergebnis SAV statt SUV. Dieses Konzept kam bislang bei den Kunden bestens an, wie 1,3 Millionen verkaufte X5-Modelle in 14 Jahren beweisen. Mit der dritten Auflage, die ab November 2013 erhältlich ist, dürfte das so bleiben.
Weiterentwicklung statt Neuerfindung
Wirklich auf den neuen X5 gewartet haben wohl nur wenige. Denn die zweite, seit 2007 erhältliche Generation ist immer noch gut anzuschauen und tadellos zu fahren. Entsprechend sind bis zuletzt auch die Absatzzahlen geblieben, sie legten in den vergangenen Monaten sogar zu – ungewöhnlich für ein Auto, dessen Nachfolger schon in den Startlöchern steht. Auch wenn die Designer das nicht vorausahnen konnten, so scheinen sie doch den richtigen Riecher gehabt zu haben. Optisch haben sie den X5 nicht neu erfunden, sondern behutsam weiterentwickelt. In der geschärften Frontpartie grenzen die Scheinwerfer, wie schon bei 3er und 4er, jetzt direkt an die große Doppelniere an. Nicht so recht ins ansonsten harmonische Gesicht wollen die weit in die Mitte gerückten Nebelleuchten passen, wie sie Skoda beim Yeti gerade abschafft. Dank 3,2 Zentimeter Längenzuwachs und einer weiter nach hinten gezogenen Dachlinie tritt der X5 jetzt gestreckter auf. Gleichzeitig wirkt er schlanker als der Vorfahre, und das obwohl er sogar geringfügig (fünf Millimeter) breiter geworden ist.
Zweigeteilte Heckklappe
Die größeren Außenabmessungen kommen dem Innenraum zugute. So fasst der Kofferraum in der Standardkonfiguration mit 650 Liter jetzt 30 Liter mehr als bislang. Bei umgelegten Rückenlehnen passen bis zu 1.870 Liter Gepäck in den X5, das entspricht einem Plus von 130 Liter. Beibehalten wurde die zweigeteilte Heckklappe. Was auf den ersten Blick etwas umständlich erscheint, wurde auf vielfachen Kundenwunsch umgesetzt. Gerade in den USA und Kanada genießen es viele, sich auf die kleine Klappe zu setzen – sei es zum Angeln oder zum Schuhe wechseln. Nur logisch wäre es dann aber, wenn sich außer dem oberen Teil der Heckklappe auch der untere Part elektrisch öffnen und schließen ließe. Ein weiteres Komfortmerkmal, das wir uns gewünscht hätten, wäre die Möglichkeit, die Rücklehnen vom Kofferraum aus umzulegen. Wie bisher gibt es die Option, den X5 mit einer dritten Sitzreihe auszustatten und damit zum Siebensitzer zu machen.
Cockpit mit neuester Technik
Den größten Sprung hat der X5 bei der Gestaltung des Cockpits gemacht. Hier hat jetzt neueste Technik Einzug gehalten und entsprechend modern ist die Kommandozentrale gestaltet. Sehr viel anders als in einem 5er oder 7er sieht es allerdings nicht aus. Es gibt klar ablesbare Instrumente, ein dickes Volant, die in Richtung Fahrer geneigte Mittelkonsole und den iDrive-Controller, der jetzt zusätzlich mit einem Touchpad ausgestattet ist. Neu sind ein frei stehender 10,2-Zoll-Bildschirm, der in Kombination mit dem Navigationssystem verbaut wird, und ein zentraler Schalter, über den sich Assistenzsysteme wie der Totwinkelwarner, der Spurhalteassistent und der Auffahrwarner aktivieren oder deaktivieren lassen. Bisher hatte BMW dafür links vom Lenkrad etwas versteckt Einzelschalter platziert. In das Multimediasystem können nun Online-Dienste, Verkehrsinformationen in Echtzeit und speziell verfügbare Apps integriert werden. Materialwahl und Anmutung lassen im hochwertig ausgestatteten Fahrzeug mit feinem Leder und edlen Hölzern nichts zu wünschen übrig. Die Basisausführung, in der man zudem mit einem 6,5-Zoll-Monitor vorlieb nehmen muss, kommt etwas schlichter daher. Nichts zu meckern gibt es am Platzangebot. Kopf- und Beinfreiheit sind vorne wie hinten großzügig, die mannigfaltig verstellbaren Komfortsitze geben Fahrer und Beifahrer auch nach acht Stunden Fahrt keinerlei Anlass zur Kritik. Und hinten könnte man selbst zu dritt bequem sitzen, wäre die Rückenlehne in der Mitte weicher gepolstert.
Mehr Leistung und erstmals mit vier Zylindern
Bei den Motoren kommt überwiegend Bewährtes zum Zuge. Zum Marktstart stehen zunächst drei Aggregate zur Verfügung. Der Dreiliter-Diesel leistet statt 245 nun 258 PS, beim 4,4-Liter-V8-Benziner gibt es ein Plus von 43 PS auf 450 PS. Unverändert bleibt der 381 PS starke Triturbo-Diesel im M50d. Wenig später folgen der bekannte xDrive35i mit 306 PS und der auf 313 PS gesteigerte xDrive40d. Völlig neu im X5-Programm ist ein Vierzylinder. Hinter dem Kürzel 25d verbirgt sich ein Zweiliter-Diesel mit 218 PS. Ihn gibt es als erstes und einziges X5-Modell auch mit Hinterradantrieb, ansonsten ist Allrad Serie. Mit einem Verbrauch von nur 5,6 Liter auf 100 Kilometer und einem CO2-Ausstoß von lediglich 149 Gramm setzt die neun Einstiegsversion Maßstäbe in Sachen Effizienz. Ob der kleine Motor für den immerhin über zwei Tonnen schweren Koloss allerdings ausreicht, muss sich noch zeigen.
Laufruhiger, ausgewogener Dreiliter-Diesel
Hierzulande werden sich weiterhin die meisten X5-Kunden für den Dreiliter-Diesel mit 258 PS entscheiden. Und damit machen sie nichts falsch. Große Laufruhe, gleichmäßiger Durchzug und passabler Verbrauch sorgen im xDrive30d sprichwörtlich für “Freude am Fahren”. Die 560 Newtonmeter Drehmoment stehen bereits ab 1.500 Umdrehungen zur Verfügung. So passen die frühen, stets sanften Gangwechsel der geschmeidigen Achtgang-Automatik aus dem Hause ZF perfekt zu diesem ausgewogenen Antrieb. Im Teillastbereich kaum zu vernehmen, zeigt sich der Reihensechszylinder erst beim beherzten Tritt aufs Gaspedal von seiner kernigen Seite. 6,9 Sekunden für den Spurt von null auf Tempo 100 können sich für das Dickschiff ebenso sehen lassen wie dessen Verbrauch: 6,2 Liter gibt BMW als Normwert an, beim Vorgänger stand noch eine Sieben vor dem Komma. Mit der sollte zumindest in der Praxis kalkuliert werden. Nach unserer Testfahrt zeigte der Bordcomputer akzeptable 7,5 Liter an. Eine ordentliche Schippe Fahrspaß obendrauf liefert der xDrive50i. Dessen 4,4-Liter-V8 punktet nicht nur durch seinen großartigen Achtzylinder-Sound, sondern auch durch sportwagenähnliche Fahrleistungen: 5,0 Sekunden für den Standardsprint und 250 km/h Höchstgeschwindigkeit. Aus 10,4 Liter Normverbrauch werden jedoch selbst bei entspannter Fahrweise zwei Liter mehr. Wer gerne häufiger mal richtig aufs Gas tritt, muss wohl nochmal eine Zwei dazuzählen.
Eher sportlich als robust
Der Bezeichnung als “Sports Activity Vehicle” wird der neue X5 allemal gerecht. Während viele Konkurrenten munter über die Straße schaukeln und durch Kurven wanken, gibt sich der BMW in der Tat “sportlich aktiv”. Er liegt satt auf dem Asphalt und lässt sich auch durch Biegungen flott und präzise zirkeln. Das adaptive Fahrwerk, das in vier verschiedenen Ausführungen bestellt werden kann, sorgt je nach Fahrsituation und Untergrund für eine komfortablere oder dynamischere Abstimmung. Im Gegenzug werden Querrillen und Bodenwellen trotz serienmäßiger Luftfederung an der Hinterachse nicht ganz so sanft weggebügelt, wie das eine Mercedes M-Klasse kann. Da ein X5 nur in seltenen Fällen abseits befestigter Wege zum Einsatz kommt, gibt sich BMW mit nicht allzu anspruchsvollen Offroad-Fähigkeiten zufrieden. Zur Verfügung stehen knapp 21 Zentimeter Bodenfreiheit, ein Bergabfahrassistent und der elektronisch geregelte Allradantrieb. Auf eine Geländeuntersetzung oder Quersperren wird aber verzichtet.
Fast alles kostet extra
Preislich geht’s für den neuen X5 dank der kleineren Einstiegsmotorisierung mit Hinterradantrieb günstiger los als bisher – bei 52.100 Euro. Einen ordentlichen Aufschlag musste hingegen der xDrive30d hinnehmen, er kostet mit 59.400 Euro nun 4.100 Euro mehr als der Vorgänger. Dafür ist die Serienausstattung als eher mager zu bezeichnen, die Aufpreise sind umso üppiger: 3.300 Euro für das Navigationssystem, mindestens 1.800 Euro für das adaptive Fahrwerk, 1.390 Euro für das großartige Head-up-Display und so weiter und so fort. Von der Tempolimiterkennung über die 360-Grad-Kamera-Ansicht bis zum Stauassistenten, der das Fahrzeug auf Autobahnen bis 40 km/h selbstständig beschleunigt, abbremst und in der Spur hält, gibt es zahlreiche weitere Helferlein, die ebenso nützlich wie teuer sind. Wenn man BMW beim X5 etwas ankreiden kann, dann ist es diese Preispolitik.
(mn)
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