Barcelona, 14. Februar 2014
Es gibt Autos, bei denen weiß man schon nach fünf Minuten Fahrt, dass man sie nicht mag. Aussteigen, abschließen, brauche ich nicht. Man sitzt schlecht, die Schaltung ist nervig, Gas und Kupplung passen nicht zusammen, zu straff, zu schaukelig, so in der Art.
Komfort oder Sport?
Anders beim Seat Leon Cupra, ganz anders. Man fährt fünf Minuten und weiß: Den würde man gerne behalten. Und zwar für immer. Dafür gibt es eine ganze Menge Gründe, die wichtigsten drei zuerst: Erstens ist der Wagen beim normalen Fahren so leise wie eine große Limousine. Zweitens kann er richtig abgehen und vollkehlig röhren, wenn man Gas gibt. Und drittens ist das adaptive Fahrwerk ziemlich Klasse – es ist auf der Autobahn sehr komfortabel, aber auf der Rennstrecke straff genug, um beherzt in die Kurven zu gehen, trotz der bis zu 280 PS, die auf die Vorderachse einpeitschen.
Geräumiger Fünftürer
Dass man gut in dem Auto sitzt, ein fettes Sportlenkrad in der Hand hat und die Bedienung intuitiv ist, macht die Sache nicht schlechter. Außerdem nett: Pedale und Einstiegsleisten aus Aluminium und ein Ambientelicht mit LEDs in den Türpaneelen. Zudem ist der getestete Fünftürer geräumig.
Gefälliges Äußeres
Doch fangen wir von vorne an: Der im Herbst 2012 vorgestellte Seat Leon der aktuellen Generation hat sich zum Glücksfall für die spanische VW-Tochter erwiesen. Das schnittige, aber nicht überzogene Design kommt bei den Kunden in ganz Europa an, wo Seat mit 80 Prozent Verkaufsanteil seinen Fokus hat. Zudem gibt es den Wagen als Fünftürer, als Dreitürer (SC) mit 35 Millimeter verkürztem Radstand und als Kombi (ST), letzteren allerdings nicht in der Cupra-Version.
280 PS auf der Vorderachse
Beim neuen Cupra werden nun 265 PS auf die Vorderachse losgelassen, in einer zweiten Variante (“Cupra 280″) sogar 280 PS. Damit ist der Leon Cupra der schnellste Seat aller Zeiten, bei 250 km/h wird abgeregelt. Und dieser Leon ist nicht nur geradeaus schnell, sondern auch in Kurven. Das liegt nicht zuletzt am verstellbaren Fahrwerk mit Dynamic Chassis Control und an der Vorderachsquersperre VAQ. Und natürlich auch an den zwei starken Motorvarianten. Das 280-PS-Fahrzeug mit DSG sprintet in 5,7 Sekunden von null auf Tempo hundert. Der Handschalter braucht eine Zehntelsekunde mehr und bei der 265-PS-Variante ist auch noch jeweils eine zehntel Sekunde aufzuschlagen. Beide Motoren bringen ein Drehmoment von 350 Newtonmeter.
Überraschung auf der Nordschleife
Mit der Motor-/Fahrwerkskombination sind die Seat-Ingenieure laut Forschungs- und Entwicklungschef Matthias Rabe an die Grenze dessen gegangen, was mit einem Frontantrieb machbar ist. Speziell bis 50 km/h bekomme man nur über die zwei Vorderräder die Kraft bei Vollgas kaum noch auf die Straße. Entscheidend und aussagekräftiger als der Sprintwert von null auf Tempo hundert sei daher eine andere Zahl, nämlich die Beschleunigung von null auf 200 km/h in weniger als 20 Sekunden – eine Zahl, die vor einigen Jahren noch reinrassigen Sportwagen vorbehalten war. In den nächsten Wochen sei daher noch mit einem Überraschungswert für die Nordschleifenumrundung am Nürburgring durch einen frontgetriebenen Wagen zu rechnen, so Rabe.
Aufwendige Motortechnik
Der Zweiliter-Motor, der in schwächerer Ausführung auch im VW Golf GTI zu finden ist und in stärkerer Form beim allradgetriebenen Golf R, wurde für den Einsatz im Cupra in Form gebracht: Die bei Seat FSI genannte Einspritzung erfolgt mit bis zu 200 bar Druck, die Einlassnockenwelle lässt sich stufenlos um 60 Grad Kurbelwinkel verstellen, die Auslassnockenwelle um 30 Grad. Der Ventilhub ist in zwei Stufen variabel und der Abgaskrümmer ist in den Zylinderkopf integriert, was die Erwärmung des Motors beim Kaltstart beschleunigt. Eine ziemlich aufwendige Technik, die durch einen großen Turbolader unterstützt wird.
Scharfer Cupra-Modus
Das Ganze führt zu einem Sportmotor, der den Leon druckvoll von unten heraus anschiebt. Der Turboschwung setzt dabei nicht unvermittelt ein, sondern sanft, um dann so richtig in Fahrt zu kommen. Beim starken Durchtreten des Gaspedals mutiert die Maschine vom unhörbaren Schweiger zum dunkel röhrenden Hirschen. Noch besser wird der Sound, wenn man den “Cupra-Modus” scharf stellt. Das geschieht allerdings etwas umständlich: Erst muss man eine mit einem Startflaggensymbol gekennzeichnete Taste in der Mittelkonsole drücken. Dann öffnet sich ein Menu auf dem Touchscreen, in dem man das Cupra-Fahrprofil durch Antippen mit dem Finger wählt. Jetzt schaltet sich ein Soundverstärker (Aktor) ein und der Klang des Turbomotors wird noch voller. Auch optisch macht sich der Cupra-Modus bemerkbar: Das Ambientelicht wechselt von Weiß zu Rot.
Vier Fahrprofile
Bei den Fahrprofilen kann man zwischen den Modi “Comfort”, “Sport”, “Cupra” und “individuell” wählen. Beeinflusst werden dadurch die Gasannahme, das DSG-Getriebe (bei “Cupra” schaltet es gleich mal einen Gang runter), der Soundaktor, die Fahrwerksregelung DCC, die Progressivlenkung und die vordere Differenzialsperre.
Auf der Rennstrecke
Ich konnte mit dem Cupra 280 einige Runden auf einer abgesperrten Rennstrecke in der Nähe der spanischen Seat-Zentrale bei Barcelona drehen. Das Fahrdynamiksystem (bei Seat ESC genannt) ist zweistufig abschaltbar. In der Cupra-Stellung ist es noch aktiv und bringt mehr Fahrspaß als komplett abgeschaltet. Vermehrt wird der Spaß durch die Vorderachs-Differenzialsperre, die das gesamte Antriebsmoment auf ein Rad leiten kann. Und so kommt es, dass beim starken Beschleunigen aus Kurven heraus nichts an der Lenkung zerrt und dass man auch mal zu schnell in eine Kurve hineingehen und bremsen kann, ohne dass der Wagen gleich über die Vorderräder schiebt. Dabei gibt sich die Lenkung präzise und feinfühlig.
Gut gemachter Sportwagen
Den Seat-Ingenieuren kann man bescheinigen, dass sie einen neutral agierenden Sportwagen hinbekommen haben, der darüber hinaus leicht zu beherrschen ist. Hier hilft natürlich die ebenfalls serienmäßige Fahrwerksregelung DCC (Dynamic Chassis Control), welche die Charakteristik von Federn und Dämpfern anpasst. Auch gut für schnelle Rundenzeiten: die 25 Millimeter tiefere Standhöhe des Cupra und die gut dosierbaren 17-Zoll-Bremsen.
Gute Ausstattung
All die aufgeführten Komponenten sind im Leon Cupra serienmäßig. Genauso die Voll-LED-Scheinwerfer und das Infotainmentsystem “Seat Media System Plus”, bei dem aber noch kein Navi dabei ist. Gegen Aufpreis gibt es das Abstandsradar ACC mit Front Assist und City-Notbremsfunktion. Serienmäßig sind hingegen die Klimaautomatik und ein Tempomat.
Überhaupt: Die Spiegel
Den Dreitürer gibt es für 30.810 Euro. Fünf Türen kosten 500 Euro mehr und für das DSG verlangt der Seat-Händler 1.700 Euro. Wer allerdings die 15 Zusatz-PS des Cupra 280 haben will, muss 1.300 Euro mehr auf den Tisch legen. Dafür bekommt er nicht nur die per Turbodruck gesteigerte Leistung, sondern auch einen großen Heckspoiler am Dach, 19-Zoll-Räder und exklusive, schwarz lackierte Außenspiegel. Überhaupt, die Spiegel: Kein anderer Wagen in diese Klasse hat solch schnittige Außenspiegel, die auch jedem Lamborghini gut zu Gesicht stehen würden.
Ab März 2014 im Handel
Für gut 30.000 Euro ist der Seat Leon Cupra etwas teurer als der VW Golf GTI, aber erstaunlich gut ausgestattet und außerdem eine gute halbe Sekunde schneller auf Tempo hundert. Außer dem DSG, das ich favorisiere, das aber auch nicht jeder haben will, ist die Ausstattung sehr reichhaltig, was den Leon zu einem interessanten Angebot macht. Und besser aussehen als der Golf tut der Leon allemal. Publikumspremiere hat der Cupra auf dem Genfer Autosalon (6. bis 26. März 2014). Danach wird er im Handel zur Probefahrt bereitstehen, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Keine Kritik?
Kein Kritikpunkt? Doch, ein kleiner: Die Schaltpaddel des DSG sind aus windigem Plastik gefertigt. Etwas Alu hätte hier den qualitativ hochwertigen Gesamteindruck des Leon Cupra verstärkt.
(ph)
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