VW e-Golf im Test: Fahrspaß ist angesagt, nicht Verzicht

March 13, 2014

Der VW e-Golf geht an den Start. Mit dabei sind immer LED-Scheinwerfer und C-förmige Tagfahrlichter

Auch die Rückleuchten des e-Golf sind in LED-Technik ausgeführt

Erkennungszeichen ist ein blauer Streifen im Kühlergrill und in den Scheinwerfern

Berlin, 12. März 2014
Volkswagen tritt häufig als letzter Hersteller in ein spezielles Marktsegment ein, dann aber richtig und ist schon bald Marktführer. Das hat das Wolfsburger Unternehmen bereits in mehreren Nischen exerziert: zum Beispiel bei kompakten Vans mit dem Touran oder bei kompakten SUVs mit dem Tiguan. Wie wird das Rennen jetzt wohl bei Elektroautos ausgehen? Renault, Nissan und Mitsubishi haben seit Jahren reine Elektromobile im Angebot, BMW ist seit wenigen Monaten mit dem vielbeachteten i3 auf dem Markt. Nun hat VW den e-Golf vorgestellt, der bald auf den Markt kommt. Wir haben ihn im Berliner Stadtverkehr gefahren.

Zweites E-Auto von VW nach e-Up
Der e-Golf ist das zweite aktuelle Elektroauto nach dem bereits verfügbaren e-Up. Und Volkswagen macht mal wieder alles anders als die Konkurrenz: Während diese die E-Autos extra als eigenständige Modelle entwickelt und vor allem BMW mit der Carbonfertigung und einer eigenen Fabrik in Leipzig für den i3 und den kommenden i8 ein relativ großes unternehmerisches Risiko eingeht, baut Volkswagen den E-Antrieb einfach in vorhandene Modelle ein – der viel beschworene “Modulare Querbaukasten” (MQB) macht’s möglich.

Bald kommt auch ein Golf-Hybrid
Und nicht nur dass: Dem e-Golf folgt recht bald der Golf GTE, ein sportlicher Plug-in-Hybrid mit E- und Benzinmotor, der ein Gesamtdrehmoment von bis zu 350 Newtonmeter bietet und 220 km/h schnell ist. Laut Dr. Heinz-Jakob Neußer, Entwicklungsvorstand bei Volkswagen, ist es mit dem Querbaukasten auch denkbar, einen diesel- oder auch gasbetriebenen Motor mit dem Elektromotor zu koppeln, ganz wie der Markt es erfordert. Und da man bei Gas bereits Kraftstoff mit hohen Drücken im Tank des Autos lagern kann, sei auch der Einsatz von Brennstoffzellen ohne Probleme machbar, wo bekanntlich Wasserstoff in einem Druckbehälter im Auto mitgeführt werden muss.

Keine Verzichtserklärung
Doch zurück zum e-Golf, um den es hier geht. Laut Dr. Neußer soll E-Mobilität von Volkswagen nicht als Verzichtserklärung erlebt werden, sondern als Fahrspaß, der sich mit ökologischen Aspekten verbindet. Für den Vortrieb sorgt im e-Golf daher ein Elektromotor mit einer Leistung von 85 kW entsprechend 115 PS, der ebenso wie das Eingang-Getriebe eine unternehmenseigene Entwicklung ist und aus dem Motorenwerk Kassel kommt. Interessanter als die Leistung ist aber das Drehmoment von 270 Newtonmeter, das bei E-Motoren bekanntlich vom Start weg verfügbar ist und nicht – wie beim Verbrennungsmotor – erst über hohe Drehzahlen aufgebaut werden muss.

Sportliche Sprintzeiten
Und so sorgen die 270 Newtonmeter für ein beeindruckend sportliches “Take-off”-Verhalten. In 4,2 Sekunden ist der frontgetrieben e-Golf auf Tempo 60, in 10,4 Sekunden auf 100 km/h. Der Konkurrent BMW i3 schafft die 100-km/h-Marke zwar in 7,2 Sekunden, dennoch ist der Anzug des e-Golf so stark, dass man sich eher in einem Karussell als in einem Auto wähnt. Und nach ein paar rasanten Ampelstarts geht man mit dem Fahrpedal gelassener um, und gehört auch so nicht zu den Schleichern. Man kann ja nicht ständig einen auf Ferrari machen!

Bei 140 km/h wird abgeregelt
Auf der Autobahn allerdings hat die Sportlichkeit ein Ende, denn bei 140 km/h wird abgeregelt. Wesentlich mehr wären machbar, doch dann würde sich die Batterie zu schnell leer saugen. Unter Idealbedingungen kommt man mit dem e-Golf 190 Kilometer weit. Je nach Streckenprofil, Fahrweise und Zuladung können es aber auch nur 130 Kilometer sein und bei Kälte noch weniger. Für die meisten Fahrten soll das reichen, denn Untersuchungen zeigen laut VW, dass viele Autofahrer täglich nur so um die 50 Kilometer zurücklegen.

Drei Fahrprofile
Um möglichst viel aus der Batterieleistung von 24,2 kWh herauszuholen, kann der Fahrer per Taste zwischen drei verschiedenen Fahrprofilen wählen: “Normal”, “Eco” und “Eco+”. Bei “Normal” fährt das Auto am spaßigsten. Bei “Eco” stehen nur 70 kW Leistung und 220 Newtonmeter Drehmoment bereit. Bei “Eco+” muss man das Fahrpedal dann richtig weit durchtreten, um auf Tempo zu kommen, die Klimaanlage wird deaktiviert, Leistung und Drehmoment werden auf 55 kW sowie 175 Newtonmeter reduziert. Außerdem kann man nur noch 90 km/h schnell fahren – es gibt aber eine Kick-down-Funktion, mit der die volle Power wieder da ist.

Fünf Rekuperationsstufen
Zusätzlich hat der e-Golf-Fahrer noch die Qual der Wahl zwischen fünf verschiedenen Rekuperationsstufen, die durch seitliches Drücken des Wahlhebels angesteuert werden. Es geht von Stufe D über D1, D2 und D3 bis nach B. In D segelt man beim Gas wegnehmen, in B wird sehr stark rekuperiert und das Auto bremst stark ab. Bei D2, D3 und B so stark, dass automatisch die Bremslichter aktiviert werden, damit der Hintermann im Verkehr Bescheid weiß. Im Grunde braucht man das Bremspedal nur noch selten. Das Ganze funktioniert mit einem neu entwickelten elektromechanischen Bremskraftverstärker: Geringe Verzögerungen werden nur durch das Bremsmoment der E-Maschine erzeugt, starke Verzögerungen dagegen durch ein gemeinsames Bremsmoment von E-Motor und Bremsanlage.

Wärmepumpe im Auto
Damit die Reichweite im Winter nicht allzu sehr leidet, hat Volkswagen eine Wärmepumpe entwickelt. Diese ergänzt die elektrische Heizung und den ebenfalls elektrisch betriebenen Klimakompressor und nutzt sowohl die Wärme aus der Umgebungsluft als auch die Abwärme der Antriebskomponenten. Bis zu 30 Prozent mehr Reichweite soll damit zur Verfügung stehen, allerdings ist die Wärmepumpe optional (braucht man in Spanien eher nicht), kommt erst ab Mai 2014 und kostet 950 Euro.

Aufladen in acht bis 13 Stunden
Per Entfernungsanzeige oder Reichweitenmonitor im Navi sieht man jeweils, wie weit man mit dem Bordstrom noch kommt. Aufladen lässt sich der e-Golf an einer normalen Steckdose in 13 Stunden. Mit einer speziellen Wallbox (930 Euro), die mit 3,6 kW lädt, dauert das acht Stunden und mit der CCS-Ladeoption (CCS = Combined Charging System mit bis zu 40 kW) lässt sich der Akku an öffentlichen Ladesäulen in 30 Minuten auf 80 Prozent seiner Kapazität bringen. Das Laden und die Klimatisierung kann man alternativ über eine App für das Smartphone steuern, die auch Fahrzeugdaten anzeigt, die Türen verriegelt, das Licht an- und ausschaltet sowie den Weg zum geparkten Auto zeigt.

Ab 34.900 Euro
Zu den Kosten. 34.900 Euro ruft Volkswagen für den e-Golf auf. Das ist ja doppelt so teuer wie ein normaler Golf, denkt sich vielleicht der eine oder andere. Doch die Verantwortlichen von VW werfen gleich ein, dass der e-Golf sehr gut ausgestattet ist und der Mehrpreis gegenüber einem vergleichbaren Dieselmodell nur 3.000 Euro beträgt beziehungsweise gegenüber einem ähnlich ausgestatteten Benziner 5.000 Euro.

Ausstattung auf hohem Niveau
Was ist also alles drin, im Elektro-Golf? Zunächst mal vier Türen und LED-Scheinwerfer (die es für normale Gölfe gar nicht gibt, hier bleibt es am oberen Ende der Fahnenstange beim Xenon-Licht) und LED-Rückleuchten. Dann Aerodynamik-Leichtmetallfelgen und rollwiderstandsoptimierte Reifen. Außerdem das Highend-Radio-Navigationssystem “Discover Pro” samt Acht-Zoll-Touchscreen, eine Klimaautomatik, eine beheizbare Frontscheibe, ein Lenkrad und ein Schaltknauf aus Leder (beide mit schöner blauer Ziernaht) sowie eine bläuliche, indirekte Beleuchtung.

Die Assistenten stehen bereit
Zusätzlich lassen sich alle Assistenten ordern, die es auch für den normalen Golf gibt, vom Park-Assistenten über den Spurhalte-Assistenten oder die automatische Distanzregelung bis zur City-Notbremsfunktion.

Leihwagen kostenlos
Noch ein Extra legt Volkswagen obendrauf: nämlich einen Leihwagen für weite Strecken. Genauer gesagt gibt es während der ersten drei Jahre nach dem Kauf für bis zu 30 Tage im Jahr einen Wagen nach Wahl, um zum Beispiel in Urlaub zu fahren (nicht nur einen Golf, auch einen Tiguan, Passat Variant oder Sharan, aber nicht die großen Modelle Phaeton oder Touareg). Nach den drei Jahren ist aber Schluss mit den guten Taten.

Drei Jahre lang 30 Tage im Jahr
Immerhin gibt es bei einer Mietdauer von einem Monat 4.000 freie Kilometer. Wer bis zu drei Wochen mietet, erhält 2.100 Freikilometer, bei Tagesanmietungen bis zu sieben Tagen steht ein Kontingent von 400 Kilometern zur Verfügung. Dazu gibt es einen Versicherungsschutz mit einer Selbstbeteiligung von nur 150 Euro bei selbst verschuldeten Unfällen. Sonderzubehör wie Kindersitze oder Navigationsgeräte sind gegen Aufpreis erhältlich, Treibstoff, Mehrkilometer, Sonderzubehör, zusätzliche Fahrer und die Selbstbeteiligung werden dem Mieter ebenfalls gesondert berechnet. Bei BMW muss man übrigens solche “Ergänzungsfahrzeuge” immer mieten, insofern ist das VW-Angebot sehr anständig und mehrere tausend Euro wert, wenn man nur mit 50 Euro als Leihwagen-Tagessatz rechnet.

Ausgewogen wie jeder Golf
Und wie fährt er sich, der e-Golf? Wie jeder andere Golf auch. Er kann gemütlich oder sportlich und ist in seinen Eigenschaften sehr ausgewogen. Man spürt den tiefen Schwerpunkt, der sich aufgrund der Batterien im Fahrzeugboden ergibt – der Wagen liegt satt auf der Straße. Nur das Abrollen ist wegen der speziellen Reifen etwas holzig, wenn auch komfortabler als beim BMW i3.

Komfortable “Hold”-Funktion
Der Synchronmotor von Volkswagen dreht bis zu 12.000 Touren, das Eingang-Getriebe mit integriertem Differenzial hat sogar eine mechanische Parksperre, so dass es hinter der Taste für die elektronische Handbremse eine weitere Taste für eine “Hold”-Funktion gibt. Ist diese eingeschaltet, muss man vor der roten Ampel nicht auf der Bremse stehen und der Wagen rollt trotzdem erst an, wenn man das Fahrpedal niedertritt – sehr komfortabel!

Oberklassenmäßig leise
Genauso oberklassenmäßg wie die “Hold”-Funktion gibt sich das ganze Auto: Es ist nämlich beim Fahren so leise, dass man sich wie in einer Luxuslimousine vorkommt. Dazu wurde die Schalldämmung gegenüber einem normalen Golf verbessert – fällt der Motorlärm nämlich weg, nimmt der Mensch die Wind- und Rollgeräusche plötzlich ganz anders wahr.

Hundert Kilometer für 3,30 Euro
Das Gepäckraumvolumen ist mit 343 bis 1.233 Liter etwas geringer als beim normalen Golf (380 bis 1.270 Liter), das Leergewicht mit 1.585 Kilogramm etwa 200 Kilo höher. Ach ja, der Verbrauch fehlt noch. Er beträgt gemäß Datenblatt 12,7 kWh/100 km, das heißt, man kommt hundert Kilometer weit für zirka 3,30 Euro – was mehr als günstig ist.
(ph)

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