Audi S1 im Test: Kleiner Knallfrosch mit 231 PS

March 15, 2014

Mit geschärften Scheinwerfern und verändertem Frontstoßfänger geht der neue Audi S1 an den Start

Qual der Wahl: Wer mag, bekommt den S1 auch als fünftürigen Sportback

Die vier Endrohre und die dunkle Heckblende sind serienmäßig, der mächtige Dachspoiler gehört zum "Optikpaket quattro Exterieur"

Östersund (Schweden), 14. März 2014
Ob Walter Röhrl oder Stig Blomqvist an so etwas gedacht haben, als sie in ihren S1 quattro über die Rallyepisten dieser Welt bügelten? Einen Kleinwagen mit Allradantrieb und 231 PS? Doch auch wenn die gusseisernen Fans aufheulen: Audi hat seinen neuen Kraftzwerg auf den Namen S1 getauft. Umso mehr interessiert uns die Frage: Kanonenkugel oder Platzpatrone?

Kleinserien-Ableger
Blenden wir also einmal die Ikonen der 1980er-Jahre aus und nähern uns dem S1 unvoreingenommen. Unverkennbar basiert er auf dem Audi A1, präsentiert sich in Details aber nachgeschärft. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die neuen, etwas eckigeren Scheinwerfer bekommen bald auch die anderen Modelle der Baureihe. Nicht aber die üppigen Lufteinlässe vorne und den schwarz lackierten Grill. Hinzu gesellen sich verchromte Außenspiegelgehäuse, hinten hauen vier Endrohre auf den Putz. Spätestens wenn wir jetzt auch noch die schwarze Blende am Heck und den mächtigen Dachspoiler (ihn gibt es im Paket für 1.250 Euro) erwähnen, wird es bei Audi-Fans klingeln. Da war doch schon einmal was? Richtig: 2011 brachte Audi den 256 PS starken und optisch ähnlichen A1 quattro in einer Kleinserie von 333 Exemplaren heraus. Er war das Vorbild für den alltagstauglicheren S1.

Fein, aber klein
Den zivilen Hintergedanken erkennt man schon daran, dass der S1 als Dreitürer wie auch als fünftüriger Sportback angeboten wird. Ganz ehrlich: Letzteren kann man sich schenken. Schon bei einem 1,85 Meter großen Fahrer ist das Platzangebot im Fond, höflich formuliert, sehr überschaubar. Verschärfend kommt hinzu, dass Audi in unserem Testwagen vorne Integralsitze samt einer farbigen Lehnenabdeckung verbaut, die den Beinraum nochmals einschränken. Sie sind Bestandteil eines 1.750 Euro teuren “quattro-Interieur”-Pakets. Das Geld kann man sich sparen, ab Werk gibt es bereits gute S-Sportsitze. Überhaupt: das Platzangebot. Personen oberhalb der erwähnten 1,85 Meter Körpergröße sitzen im S1 wie der berühmte Affe auf dem Schleifstein. Schlimm genug, dass sich die Vordersitze nicht genug absenken lassen, man muss das ganze Procedere auch noch manuell bewerkstelligen. Elektrische Sitzverstellung im Topmodell des A1? Nix da! Verstärkt wird das eingemauerte Gefühl durch die dunkle Tapezierung, hier lohnt sich der (aufpreisfreie) Griff zum grauen Dachhimmel. Immerhin: An der Kopffreiheit gibt es nichts auszusetzen. Schon eher am unverkleideten Türrahmen auf Höhe der A-Säule.

Im Zeichen des S
Nun gut, werden sie jetzt sagen, das ist eben kein Familienvan. Was soll man sich also aufregen, dass in den Kofferraum gerade einmal zwei kleinere Trolleykoffer passen. Es geht um den Fahrspaß, denn wie sagt Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg: “Das S bedeutet Leistung”. Wir widmen uns erstmal dem S wie Start. Bassig mit kehligem Unterton meldet sich der 231 PS starke Zweiliter-Turbo-Vierzylinder zu Wort, wobei er außen noch etwas mehr Alarm macht. Trotzdem fehlt es an charakteristischer Klangfarbe. So wie etwa ein Fünfzylinder. Es muss ja nicht das 450-PS-Tier aus dem Rallye-S1 sein. Der 2.0 TFSI ist hingegen wie Boris Becker: Immer präsent, aber auf Dauer farblos.

Tinte auf dem Füller
Was freilich nicht heißt, dass der S1 keinen Spaß macht. Schon der Schub ist beeindruckend: In 5,8 Sekunden geht es auf Tempo 100. Ergo sollte man die Hand gar nicht mehr von dem hübschen, aber optionalen Alu-Schaltknauf lassen. Die dazugehörenden sechs Gänge schnippen auf kurzem Weg ein, allerdings ist vor jedem Gang ein leichter Widerstand spürbar. Wer lieber ein DSG möchte: Pustekuchen, so etwas gibt es für den S1 nicht. Faszinierend ist hingegen weniger die pure Beschleunigung, sondern die Kraftentfaltung nach dem Motto: Was, wir sind schon im sechsten Gang? Ich dachte, es sei der Vierte.

Pattex-Gefühle
Dazu passt die unerschütterliche Traktion des S1, denn Audi hat ihm einen Allradantrieb verpasst. Er verteilt die Kraft über eine an der Hinterachse platzierte hydraulische Lamellenkupplung, die Achslastverteilung beträgt 60:40. Das Ergebnis spürt man bei einem schnellen Ritt über den Rundkurs. Präzise lässt sich der S1 in die Kurve lenken, durch die man fast wie auf Schienen festgenagelt jagt. Wohlgemerkt fast, denn bei zu hohem Tempo schiebt der S1 nach außen, lässt sich aber auch ohne Röhrl-Talente wieder einfangen. Weniger berauschend ist das Fahrwerk: Selbst mit den normalen 17-Zöllern rollt der S1 sehr straff ab und reicht insbesondere Bodenwellen kaum gefiltert durch.

Kleinkram kostet
Kompromisse macht der Audi S1 auch beim Preis nicht: Mindestens 29.950 Euro werden zum Start im zweiten Quartal 2014 für die dreitürige Version aufgerufen, der S1 Sportback kostet 30.800 Euro. Damit ist das Ende der Fahnenstange selbstverständlich noch nicht erreicht. Markentypisch gibt es eine lange Palette von Extras. Zwar sind Xenon-Licht und eine Klimaautomatik serienmäßig, dafür kostet beinahe jede andere Kleinigkeit extra. Schon durch Parkpiepser hinten, einen Tempomat, den Alu-Schaltknauf und eine Sitzheizung vorne gehen die ersten 1.000 Euro flöten. Wir würden uns spontan für das knallige Viper-Grün entscheiden, was Erinnerungen an den Audi 80 GTE von 1975 weckt. Beim Verbrauch des S1 gibt sich Ulrich Hackenberg, selbst begeisterter Rennsportler, angenehm realistisch: Mit 7,0 Liter ist der Wagen im NEFZ-Zyklus angegeben, aber es sei “schwierig, ihn dort zu halten, weil er so viel Spaß macht”, gibt der oberste Audi-Techniker freimütig zu. War doch klar: Das S steht beim S1 für Spaß.
(rh)

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