Peking, 23. April 2014
In China gehen die Uhren anders. Das kann man gut am VW-Konzern sehen, für den China der wichtigste Einzelmarkt ist. 9,7 Millionen Fahrzeuge hat die Gruppe im Jahr 2013 weltweit verkauft, davon 3,3 Millionen in China. In Europa setzte man mit 4,2 Millionen Fahrzeugen noch mehr ab, aber das Wachstum im Reich der Mitte ist viel kräftiger als auf dem Heimatkontinent: Der Wolfsburger Konzern verzeichnete im vergangenen Jahr 16,2 Prozent mehr Auslieferungen als im Jahr 2012, während in Europa nur ein Wachstum von 0,7 Prozent erzielt wurde. Wir haben uns anlässlich der Automesse Auto China (20. bis 29. April 2014) das Modellprogramm von VW näher angesehen.
Vorliebe: Chrom außen, Holz innen
Vier verschiedene Kategorien von Autos bietet der Konzern im Reich der Mitte an, wie China-Chef Jochem Heizmann erklärt. Da sind zunächst mal Weltautos wie Polo oder Golf, die lediglich modifiziert werden müssen – typischerweise mit mehr Chrom außen und mehr Holz innen. Auch lieben die Chinesen Exterieurfarben wie Gold, Kupfer oder Braun, während man innen neben Holzelementen besonders beige Töne schätzt. Die zweite Kategorie bilden verlängerte Autos. So ist der VW Magotan ein verlängerter Passat, der Audi A4 und der A6 werden in China oft als Langversionen verkauft – primär als Chauffeurslimousinen für Parteifunktionäre, Firmenbosse und dergleichen.
Skoda Yeti mit außen hängendem Reserverad
Aber auch eher freizeitorientierte Autos wie der VW Tiguan oder der Skoda Yeti werden in China in einer längeren Variante offeriert. Der Yeti ist zum Beispiel etwa fünf Zentimeter länger, wozu noch der Platz für das hinten angehängte Reserverad kommt. Die dritte Gruppe sind Autos, die in USA und China in gleicher Form bereitgestellt werden, wie der US-Passat, der mit dem in China angebotenen identisch ist. Schließlich gibt es Fahrzeuge, die ausschließlich für China angeboten werden, wie New Lavida, Gran Lavida, New Bora und New Jetta.
Bora und Jetta gleichzeitig
Moment mal, Bora und Jetta gleichzeitig? Richtig, diese beiden Autos wurden in Deutschland nie parallel angeboten, in China schon. Überhaupt ist an kompakten Stufenhecklimousinen kein Mangel im VW-Programm. Das kommt daher, dass viele technisch gleiche Fahrzeuge von FAW-Volkswagen und Shanghai Volkswagen parallel angeboten werden. Das erstgenannte Joint Venture ist eher im Norden Chinas tätig, das zweite im Süden.
Doppelte Lottchen für Nord und Süd
Auch die Händlerstruktur ist zweigeteilt, wie uns VW-Sprecher Christian Buhlmann erklärt: Im Norden kauft man Modelle von FAW-Volkswagen, im Süden die von Shanghai Volkswagen. So basiert der New Jetta wie der New Santana auf dem Polo, doch wird Ersterer von FAW-Volkswagen gebaut, der Letztgenannte aber von Shanghai Volkswagen. Ähnlich ist es bei den Zwillingen New Lavida und New Bora, die beide auf dem alten Jetta der fünften Generation beruhen, während es den Sagitar nur einmal gibt – dahinter steckt ein Jetta der aktuellen, sechsten Generation.
Sensationeller Flagship Store
Die Zweiteilung der Händlerstruktur – insgesamt gibt es derzeit etwa 2.750 in ganz China – soll offenbar zunächst beibehalten werden, auch wenn VW den neuen “Flagship Store” in Peking hervorhebt: Hier soll tatsächlich die ganze Palette der Marke VW gezeigt werden. “Das ist etwa so sensationell, wie wenn hier in Deutschland ein Händler alle Autos von VW, Audi, BMW und Mercedes gleichzeitig anbieten würde”, erklärt Buhlmann. Aber es gibt noch weitere Unterschiede in puncto Händler und Service. So kommt in China der Kunde ohne Terminabsprache zum Kundendienst, und er bleibt, bis das Auto fertig ist. Am liebsten guckt er durch eine Glaswand zu, was an seinem Auto so alles gemacht wird. Eine Alternative sind ein Friseurbesuch oder ein Kinofilm, während das Auto repariert oder gecheckt wird – darauf muss der Händler Rücksicht nehmen.
Nur die obersten Schichten kaufen Audis
Interessant ist auch, wie sich Audi in China entwickelt. Das von den Ingolstädtern beackerte Premiumsegment machte hier 2013 etwa 1,4 Millionen Fahrzeuge aus. Das ist noch deutlich weniger als in Europa, wo es 2,4 Millionen Premium-Autos verkauft werden. Doch Audi rechnet mit deutlich wachsenden Einkommen und einer immer zahlungskräftigeren Mittelschicht. Dietmar Voggenreiter, der China-Chef von Audi, unterscheidet vier Schichten, von denen nur die beiden oberen als Audi-Kunden in Betracht kommen. Zu den Wohlhabenden zählen die drei Prozent der Chinesen, bei denen das verfügbare Haushaltseinkommen über 229.000 Yuan liegt, also etwa 26.500 Euro – und zwar jährlich, nicht etwa monatlich.
Explodierende Einkommen
Darunter liegt die obere Mittelschicht mit jährlichen Haushaltseinkommen zwischen 12.300 und 26.500 Euro. Auch diese macht nur 14 Prozent aus. Die weitaus meisten Chinesen, nämlich 54 Prozent, gehören zur Mittelschicht und haben 7.000 bis 12.300 Euro zur Verfügung. Die Unterschicht verfügt über weniger als 7.000 Euro jährlich und macht immerhin noch 29 Prozent aus – diese Chinesen können sich selbst ein günstiges Auto kaum leisten. Doch bis zum Jahr 2022 sollen die obersten zwei Schichten zusammengenommen von derzeit 17 auf 63 Prozent anwachsen. Für eine Premiummarke wie Audi heißt das schlicht und einfach: Wachstum.
(sl)
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