Los Angeles (USA), 28. April 2014
Der Fahrer des Toyota Prius neben uns bekommt den Mund nicht mehr zu. Ungläubig starrt er auf unser Auto, als käme es von einem anderen Planeten. Keine Frage, der neue BMW i8 ist selbst hier in Los Angeles ein Hingucker allererster Güte. Eigentlich müsste es Sprechlöcher wie früher am Postschalter in den i8-Seitenscheiben geben, so oft werden wir auf diesen Wagen angesprochen. Besonders BMW-Fahrer interessieren sich für die flache Hybrid-Flunder. Und zwar solche, die wie in unserem Fall mit einem 750i und einem 640i Gran Coupé bereits sehr anständig bestückt sind. Ist der i8 die Sportwagen-Zukunft oder nur eine Seifenblase?
Flacher Revoluzzer
Nicht ohne Grund sieht BMW den wichtigsten i8-Markt in den USA. Besonders Kalifornien steht auf Elektro- und Hybridautos. Dort ist nicht nur die Heimat von Tesla, es gibt auch die größten finanziellen Zulagen beim Kauf. Quasi der “natürliche Lebensraum für Autos wie den i8″, wie es BMW-Sprecher Dirk Arnold formuliert. Aber das laut Entwicklungsvorstand Herbert Diess “revolutionärste Auto, das BMW je gebaut hat” soll natürlich auch in Europa begeistern. Dafür dürfte schon das futuristische Design des 4,69 Meter langen, aber nur 1,29 Meter hohen i8 sorgen. Man habe eine noch radikalere Formensprache als beim i3 angewandt, so Diess. Zum Glück mit deutlich ansprechenderem Ergebnis, möchte man hinzufügen: Trotz der flügelförmigen Heckleuchten und der niedrigen Fahrzeugnase wirkt der i8 in sich stimmig. Und vor allem futuristisch. Falls Sie einen Science-Fiction-Film planen: Hier ist das passende Auto.
Im Zeichen des Schmetterlings
Allerdings sollten es dann etwas gelenkige Darsteller sein. Werden die Schmetterlingstüren erst einmal nach oben geöffnet, verlangt der richtige Einstieg nach Übung. Nicht nur wegen des hohen Schwellers, auch die Tür steht dem Kopf bedrohlich im Weg. Ob zunächst ein Bein oder das Hinterteil hineingefädelt wird, der Kopf sollte immer eingezogen sein. Andernfalls wird es a) schmerzhaft und b) peinlich. Dass der BMW i8 der coole Sportwagen-Kumpel des i3 ist, zeigt ein Blick auf die Karosserie. Sie besteht hier wie dort größtenteils aus Kohlefaser. Beim i8 sorgt der schwarze Wunderstoff für ein relatives niedriges Gewicht, schließlich muss er zwei Motoren und eine Batterie mit sich herumschleppen. Mit 1.485 Kilogramm liegt er auf dem Niveau des Porsche 911, aber klar unter einem Audi R8.
Kräftiges Trio
Dreh- und Angelpunkt des i8-Konzepts ist der Antrieb. Über ihn könnte man auch locker eine ganze Vorlesung halten, wir beschränken uns auf die wichtigsten Eckpunkte, ehe jemand einschläft. Als da wären: Erstens der Dreizylinder-Turbobenziner im Heck, was den i8 innerhalb der aktuellen BMW-Modellpalette einzigartig macht. Das 231 PS starke Aggregat mit Ausgleichswelle basiert auf dem Baukasten, der auch die Dreizylinder im neuen Mini und 2er Active Tourer hervorgebracht hat. Beim i8 werden maximal 320 Newtonmeter per Sechsgang-Automatik auf die Hinterräder übertragen. Ihm zur Seite steht ein Hochvolt-Generator, der nicht nur den Motor startet, sondern je nach Fahrmodus auch die Energie beim Bremsen und in Schubphasen speichert. Zu guter Letzt dient er gewissermaßen als Doping für den Verbrenner, damit dieser schneller auf Drehzahl kommt, um einen besseren Anschluss nach dem rein elektrischen Fahren herzustellen.
Unter Strom
Vor dem Fahrer befindet sich der Elektromotor mit einer Leistung von 96 Kilowatt gleich 131 PS. Seine 250 Newtonmeter Drehmoment werden per Zwei-Stufen-Automatik auf die Vorderräder übertragen, der erste Gang ist kurz übersetzt und dient der besseren Beschleunigung aus dem Stand. Als Systemleistung gibt BMW 266 Kilowatt gleich 362 PS an. Die Energie holt sich das Stromkraftwerk aus einer mittig montierten Lithium-Ionen-Batterie mit 7,1 Kilowattstunden Kapazität. Bis zu 37 Kilometer Elektrobetrieb sind bis 120 km/h möglich, dann muss der i8 an die Steckdose. Ist eine Wallbox installiert, soll der Ladevorgang unter zwei Stunden dauern, an einer klassischen Dose werden rund drei Stunden veranschlagt.
Bevorzugter Komfort
Glücklicherweise ist unser i8 bis zum Rand mit Saft gefüllt. Apropos: Ist der optionale 42-Liter-Tank (Standard sind 30) an Bord, soll die Reichweite bis zu 600 Kilometer betragen. Genug Zeit, um sich die verschiedenen Fahrmodi zu Gemüte zu führen. Dazu passend ändert sich jeweils die Grafik der volldigitalen Instrumente. Bei “Eco Pro” wird das ganze Fahrzeug auf maximale Reichweite getrimmt, unter anderem reduzieren sich die elektrischen Verbraucher auf ein Minimum. Der normale Alltagsmodus nennt sich “Comfort”. Statt eines Drehzahlmessers gibt es eine Anzeige, wie viel Energie abgerufen und wieder eingespeist wird. Auf Tastendruck wird der i8 zum rein elektrischen Fahren gezwungen. Genau das machen wir und cruisen gelassen durch Los Angeles. Hörbar ist nur ein leichter turbinenartiger Sound. Überraschend ist aber, dass der i8 beim Ampelstart eine minimale Gedenksekunde braucht, ehe er losstürmt. Gewöhnungsbedürftig ist auch das sehr schnell ansprechende Bremspedal als Zugeständnis an die Rekuperation.
Der Westentaschen-V8
“Durch meine Adern fließt Benzin” sangen einst Rammstein. Das dürfte jeder Auto-Fan unterschreiben. Dennoch hat die elektrische Fortbewegung gerade im i8 ihren Reiz, weil sie zur äußeren Form passt. Aber irgendwann ist Schluss mit Strom, im Comfort-Modus behält der i8 etwa 25 Prozent Rest im Akku. Dann fließt Benzin durch die Adern des BMW und der Dreizylinder tritt in Aktion. Wer jetzt einen rumpelnden Brüllwürfel nach Kleinwagen-Manier erwartet, wird enttäuscht. Der Verbrenner ist zwar vernehmbar, hält sich aber diskret zurück. Anders wird es erst, als wir auf den Highway einbiegen: Unter Last springt der 1,5-Liter in die Gehörgänge, jedoch nicht unangenehm: Blendet man die Zylinderzahl aus, imitiert der Motor gar nicht untalentiert einen V8.
Gleichmäßig genügsam
Die USA sind ein Land der strikten Tempolimits, was günstig für den BMW i8 ist. Bei konstanten 55 Meilen pro Stunde (das entspricht 88 km/h) steht im Bordcomputer ein Wert von 5,5 Liter auf 100 Kilometer. Überraschend offen spricht i8-Entwicklungschef Carsten Breitfeld über die Verbrauchsspanne des Fahrzeugs: In der Stadt sind mit hohem Elektroanteil unter zwei Liter möglich, auf der Langstrecke sind acht Liter realistisch. Mit Bleifuß (schließlich schafft der i8 bis zu 250 km/h) werden zwölf Liter aus dem Tank gesaugt. Für solche Ambitionen empfiehlt sich der Sport-Modus, in dem wir einige bergige Abschnitte mit engen Kurven unter die relativ schmalen Räder (195er vorne, 215er hinten) nehmen. Hier werden die sechs Gänge der Automatik später gewechselt, auch ein manueller Eingriff ist möglich. Zudem wechselt die Anzeige für den Leistungsabruf in einen klassischen Drehzahlmesser, die Hintergrundfarbe wird orange. Für maximalen Schub kommt eine Boost-Funktion des Elektromotors zum Einsatz. Damit sie oft genutzt werden kann, wird maximal rekuperiert. In Zahlen ausgedrückt wird die dann vorhandene Kraft am besten sichtbar: Nur 2,6 Sekunden braucht der i8 von 80 auf 120 km/h.
No sports, please!
Durchaus beeindruckend, zumal der i8 durch eine Gewichtsverteilung von annähernd 50:50 wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße liegt. Bretthart ist aber leider auch das Ansprechverhalten des sonst an sich straffen Fahrwerks im Sport-Modus. Als Trost bleibt nur die Tatsache, dass der i8 wegen seines tiefen Schwerpunkts agil durch die Kurven eilt. Leider lässt er sich nicht zu einen gepflegten Übersteuern überreden. Ein weiterer Störfaktor ist neben dem zu harten Fahrwerk die Präsenz des Dreizylinders im sportlichen Programm. Oberhalb von 3.000 Umdrehungen klingt er rauh und wirkt angestrengt. Auf Dauer nervt das, weshalb wir beim Erreichen der Stadtgrenze tief durchatmen, auf den Bordcomputer schauen (7,3 Liter) und wieder in den Comfort-Modus schalten.
Tücken im Detail
Und nicht zu vergessen: Fenster herunterfahren, um die Fragen der anderen Autofahrer zu beantworten. Eine davon ist die nach dem Preis. In den USA startet der für jährlich fünfstellige Produktionszahlen geplante i8 für 134.000 Dollar, deutsche Kunden können ab Juni 2014 zuschlagen. Los geht es dann bei 126.000 Euro, inklusive sind dann unter anderem das große Professional-Navi, 20-Zoll-Alus, elektrisch verstellbare Sitze und eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik. Absolut empfehlenswert sind der größere Tank (100 Euro, bitte in Serie einbauen, BMW!), das Head-up-Display (1.390 Euro) und die Rückfahrkamera (2.600 Euro im Paket). Ob es auch noch blaue Gurte oder passende Louis-Vuitton-Taschen braucht, sei dahingestellt. Mindestens so seltsam wie solche Extras sind die 895 Euro Aufpreis für die Wallbox zum zügigeren Aufladen. Noch gar keinen Aufpreis gibt es für das komplett neue Laserlicht. Es ergänzt gegen Ende 2014 mit einer Reichweite von 600 Meter das serienmäßige LED-Fernlicht des i8. Passt irgendwie: Dieser Wagen leuchtet weit voraus.
(rh)
- Zur Bildergalerie (27 Bilder)
- Immer informiert mit AutoNEWS: Mit einem Klick zum Newsletter
Leave a Reply