Barcelona, 2. Mai 2014
Da ist er, der Einstieg von BMW in das Segment der führerschein- und kennzeichenpflichtigen Zweirad-Elektromobilität. Nach den beiden Benzinrollern C 600 Sport und C 650 GT schiebt die Marke mit der C evolution jetzt einen dritten Großscooter nach, der rein elektrisch fährt.
Diskreter Stromer
Auf den ersten Blick ist der C evolution von seinen beiden etwa gleich großen, mit Benzin betriebenen Brüdern trotz seines völlig anderen Antriebes kaum zu unterscheiden, verstecken doch Roller ihren Antrieb gern unter einer Verkleidung. Bei genauerem Hinsehen erkennt man den Elektromotor, der direkt an der Hinterradschwinge angebracht ist und seine Kraft über einen wartungsarmen und leisen Riemen an das 15-Zoll-Hinterrad abgibt.
Liebesgrüße vom i3
Zentrales Bauteil ist das Akkugehäuse, welches die Akkuzellen (baugleich mit denen des BMW i3) und die Leistungselektronik aufnimmt. Die Dauerleistung ist 11 kW (15 PS), damit darf der BMW C evolution mit dem A1-Führerschein (oder der alten Klasse 3, sofern vor dem 1.4.1980 erworben) gefahren werden und gilt auch versicherungstechnisch als 125er. Die Batterien sollen übrigens mindestens für zehn Jahre, 1.500 Ladezyklen und 150.000 Kilometer Laufzeit gut sein. Das Akkugehäuse ist zudem tragendes Bauteil, an das Hinterradschwinge, Sitzbank und Lenkkopf direkt befestigt sind, es schützt zudem die Zellen bei einem Crash. Einen Rahmen im herkömmlichen Sinn gibt es nicht. Erst einmal Platz genommen fällt auf, dass man gut sitzt und auch ein Kurzbeiniger wie ich mit den Füßen gut auf den Boden kommt. Ein Dreh am Zündschlüssel lässt das mittige Display aufleuchten. Es erinnert ein wenig an den i3 und zeigt das Übliche wie Geschwindigkeit, Kilometerstand und so weiter an. Darüber hinaus informiert es über Ladung, Restreichweite, gewählten Fahrmodus und in Balkenform über Stromentnahme und Rekuperation. Weitere Informationen wie Temperatur oder Datum lassen sich anwählen.
Vier für hier
Fahrmodi gibt es vier: Eco, Road, Dynamic und Sail. Die ersten drei unterscheiden sich durch unterschiedliche Beschleunigungswerte und durch eine unterschiedliche Bremswirkung bei der Rekuperation. Der Modus “Sail” hat keine Bremswirkung, wenn man hier das “Gas” zurücknimmt, segelt der Roller. Betätigt man dann die Handbremse, wird zunächst durch Stromrückgewinnung gebremst, bevor es an die Scheiben geht. Welchen Modus man zum Fahren wählt, ist reine Geschmackssache, rekuperiert wird so oder so.
Mehrstufiger Start
Die Sitzposition ist gut, es ist alles übersichtlich und ergonomisch angebracht. Auch das Display ist sehr übersichtlich und schnell zu verstehen. Will man den Scooter in Bewegung setzen, muss man zusätzlich zum gedrehten Zündschlüssel die Handbremse betätigen und einen Schalter. Der hochgeklappte Seitenständer entriegelt die Parkbremse. Erst dann wird es spannend.
Münchhausen-Feeling
Ein Dreh am Gasgriff und man glaubt, auf einer Kanonenkugel zu sitzen, so vehement ist die Beschleunigung. In drei Sekunden sind die in der Stadt erlaubten 50 km/h erreicht und weiter geht’s bis Tempo 120, dann wird abgeriegelt, um den Akku zu schonen. Es wäre mehr drin. Das maximale Drehmoment von 72 Newtonmeter und die Leistung von 48 PS nimmt man dem Roller voll ab. Er lässt eine ordentliche Schräglage zu, die drei Scheibenbremsen in Verbindung mit der Bremswirkung des Motors verzögern ohne Tadel.
Lautloser Stadt-Star
Aber die enorme Beschleunigung gleich aus dem Stand heraus, und das alles ohne Lärm, ohne Krawall, ohne Abgase, ganz unspektakulär im eigentlichen Sinne, das ist es, was dir das Lächeln ins Gesicht zaubert. Der kleine Ampelsprint ist immer ein Vergnügen, auch für den, der nur zuschauen darf. Man selbst hört nur ein leises Surren, das mit zunehmender Geschwindigkeit vom Windgeräusch überlagert wird. Passanten hören etwas mehr, aber dieses Surren ist nie unangenehm. Entfernt erinnert es an einen Vierzylinder, aber auch nur entfernt und leise.
Riecht nicht, tropft nicht
Bei Fahrten durch das feierabendliche Verkehrsgewühl von Barcelona mit seiner großen Rollerpopulation kann der C evolution seine Vorteile voll ausspielen. Andere Benzinroller mit ihren Geräuschen und Abgasen an der Ampel werden schnell von Ohr und Nase als lästig empfunden. Im dichten Stadtverkehr fährt sich der Roller trotz seiner 260 Kilogramm erstaunlich agil, was seinem niedrigen Schwerpunkt zu verdanken ist. Auch der Stopp an der Ampel wird als angenehmer als auf einem Benziner empfunden, denn es wird keine Energie nutzlos im “Standgas” vernichtet, es vibriert nichts, es stinkt nichts, es tropft nichts und es strahlt keine Wärmequelle von unten, besonders im Sommer ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Das Rangieren ist mit diesem Roller ebenfalls einfach und einen Rückwärtsgang gibt es auch noch, für alle Fälle.
Kein billiges Vergnügen
Zum Abstellen weist der C evolution einen Hauptständer und einen Seitenständer auf, der mit einer Feststellbremse gekoppelt ist. Das ist gut, denn wenn man jetzt aus Versehen am Griff dreht, passiert nichts. Stauraum hat der Roller ausreichend. Unter den Rücksitz passt ein Helm und vorn rechts befindet sich ein geräumiges, tiefes Handschuhfach. Hinter einer Klappe vorn links verbirgt sich das Ladekabel. Die Reichweite ist mit zirka 100 Kilometer angegeben. Das Laden dauert bei 240 Volt Netzspannung ungefähr vier Stunden von ganz leer bis komplett voll. Recht leer wird auch das Portemonnaie des C-evolution-Interessenten: Mit 15.000 Euro liegt der BMW i3 auf zwei Rädern saftige 3.800 Euro über einer C 600 Sport.
((Holger Ratzkowski))
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