BMW M3 und M4 im Test: Druckvolles Doppel

May 9, 2014

Neu in Form gebracht: Das BMW M4 Coupé mit 431 PS

Die auffällige Metalliclackierung des Fotowagens heißt "Austin Gelb"

An den vier Endrohren am Heck ist der M4 klar zu identifizieren

Faro (Portugal), 9. Mai 2014
Verdammt! Eigentlich müsste der Haltegriff für den Beifahrer in diesem Auto aus Carbon sein. Mindestens. Oder gleich aus Titan. Die Rede ist vom neuen M3, den mein Mitfahrer gerade dermaßen ambitioniert über die Rennstrecke jagt, dass ich ernsthafte Zweifel an der Haltbarkeit des “Angstgriffs” bekomme. Immerhin gibt es hier noch etwas zum Festhalten: Beim Kumpel des M3, dem M4, grapscht die Hand ins Leere.

Teile und herrsche
Moment: M3? M4? Wie jetzt? Deshalb also nochmal ganz langsam zum Mitschreiben. Hefte raus und zuhören: Beide sind die Nachfolger des bisherigen M3. Aber wie bei den zivilen Varianten wird jetzt zwischen Drei und Vier unterschieden. Bedeutet: Der neue M3 ist vorerst eine viertürige Limousine, eventuell folgt noch ein Kombi. Der M4 rollt zunächst als Coupé an den Start, das Cabrio wurde bereits vorgestellt. Alles klar?

Kraftvoller Auftritt
In den Abmessungen liegen M3 Limousine und M4 Coupé abgesehen von der Höhe gleichauf. Beide sind 4,67 Meter lang und 1,87 Meter breit. Letzteres geht vor allem auf das Konto der weit ausgestellten hinteren Radhäuser, in denen sich 275er-Schlappen auf 18-Zöllern befinden. Weitere Merkmale des kräftigen Doppels sind ein vorderer Stoßfänger mit großen Luftöffnungen, eine Motorhaube mit Powerdome, speziell geformte Außenspiegelgehäuse, das CFK-Dach sowie vier eng zusammenliegende Auspuffrohre samt Klappensteuerung. Wer schon im Stand die Sau rauslassen will, kann zu krassen Metalliclacken wie “Austin Gelb” oder “Yas Marina Blau” greifen.

Es muss nicht immer Leder sein
Innen unterscheiden diverse M-Applikationen den M3 und M4 von einem 320d oder 420d. Damit nicht genug: Der bis 330 km/h reichende Tacho zeigt eindeutig, dass wir uns nicht in einem piefigen Angestellten-Diesel befinden. Für den gäbe es zwar auch das hübsche M-Sportlenkrad mit recht dickem Kranz, nicht aber die sehr bequemen Sportsitze. Leider versperren ihre Wangen den Griff zum Gurt, eine integrierte Lösung oder ein Gurtbringer wären besser. Unsere Empfehlung: Sparen Sie sich die mindestens 1.850 Euro Aufpreis für die Vollleder-Ausstattung. Der serienmäßige Leder-Stoff-Mix in Carbon-Optik sieht bereits klasse aus.

Doppel-Sechs
Apropos Sau rauslassen: Dafür ist ein neuer Reihensechszylinder mit Biturbo-Aufladung und 431 PS zuständig, der auf dem Block des N55-Aggregats aus dem 335i/435i basiert. Man mag es angesichts des derzeitigen Dreizylinder-Elektro-Hypes bei BMW kaum glauben, aber beim M3 und M4 hat man sich auf die Kernkompetenz der Vergangenheit besonnen. Deshalb lautet die Devise “Sechs gleich Acht”, schließlich soll das Dreiliter-Aggregat den bisherigen V8 mit 420 PS adäquat ersetzen. Auf dem Papier ist die Mission gelungen: Neben elf PS mehr legt das maximale Drehmoment um fast 40 Prozent auf 550 Newtonmeter zu. Wie gehabt wird bei 250 km/h abgeregelt, optional sind 280 Sachen möglich.

Der Klang macht die Musik
Soweit die technische Theorie (deren Umfang locker für eine Vorlesung an einer TU reichen würde), wie sieht das Fahrverhalten in der Praxis aus? Nach dem Start verfällt der aufgeladene Sechszylinder in einen bassigen Leerlauf, um mit etwas Standgas nach außen wie ein hungriger Löwe im Gehege zu knurren. Los geht’s: Bei moderater Gaszufuhr singt der Motor ein turbinenhaftes Lied, das an selige Zeiten des 525i und 530i der Baureihe E34 erinnert. Dazu passt das 3.900 Euro teure Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, welches die Gänge diskret und immer passend sortiert. Serienmäßig ist eine manuelle Sechsgang-Schaltung an Bord. Für Puristen fraglos die erste Wahl, aber sie verlangt einen sensiblen Kupplungsfuß. Hinzu kommt bei jedem Gang ein leichter Widerstand beim Einlegen, ein ähnliches Phänomen ist auch bei schwächeren Schalt-BMWs feststellbar. Mein Tipp: Wer den M3 oder M4 mehrheitlich im Alltag nutzt, sollte das DKG wählen, weil dessen siebter Gang die Drehzahlen auf der Autobahn merklich senkt.

Das heiße Band
Ich senke auf der Autobahnauffahrt das Gaspedal in Richtung Bodenblech. Mühelos zieht der M4, mit dem ich unterwegs bin, aus rund 1.500 Touren nach oben, die Tachonadel zuckt nur kurz in Richtung 120 und mehr. Um eine Hausnummer in den Raum zu werfen: Je nach Getriebe benötigen M3 und M4 zwischen 4,3 und 4,1 Sekunden von null auf 100 km/h. Zum Vergleich: Ein Porsche 911 Carrera S mit 400 PS braucht 4,5 Sekunden. In den kotzen dann aber nicht die Kinder auf die Rückbank, vom Platz fürs Reisegepäck ganz zu schweigen. Bevor Sorgen um die Polsterung des Fonds aufkommen, sei an dieser Stelle versichert, dass das Abrollverhalten durchaus komfortabel ist.

Von gut nach böse
Ich weiß, was Sie jetzt sagen werden: So viel Durchzug ist mit einem Biturbo ja auch kein Problem, aber der nutzbare Drehzahlbereich ist bestimmt so schmal wie Victoria Beckham. Falsch. Bis zu 7.600 Touren verträgt der Sechszylinder, das maximale Drehmoment liegt zwischen 1.800 und 5.390 Umdrehungen an. Hier spielt die Musik und das wortwörtlich: Bis 3.000 sitze ich im lieben, braven M4, bei 3.000 gibt er Pfötchen, um ab 4.000 die Krallen auszufahren: Willkommen im bösen M4, der mit zornig-heiserem, fast V8-ähnlichem Klang in Richtung Horizont jagt. Erinnern Sie sich noch an das Werbefoto des BMW M1 mit der Concorde? Das hier ist die Concorde. Auf vier Rädern.

Aktions-Radius
Unsere Fahrt auf der portugiesischen Autobahn führt uns zum “Autódromo Internacional do Algarve” in Portimao. Eine ausgeklügelte Rennstrecke mit Kuppen, Senken und versteckten Kurven, auf der M3 und M4 von der Leine gelassen werden dürfen. Hier zeigt sich, was das neue M-Doppel tatsächlich kann, zumal schon der bisherige M3 bei Amateur-Rennfahrern hoch im Kurs stand. Bevor es losgeht, ist Konfigurationsarbeit angesagt. Neben dem Schaltknauf liegen Knöpfe, um Lenkung, Motor und (optional) das Fahrwerk auf maximalen Sport zu trimmen. Unter anderem dreht das DKG dann die Gänge länger aus, das ESP greift nur in höchster Not ein. Doch bis dahin wird ein durchschnittlich begabter M4-Pilot kaum kommen. Durch das geregelte Hinterachs-Sperrdifferenzial ist immer dann Traktion da, wenn man sie braucht. Geht man hingegen am Kurveneingang vom Gas, macht die Sperre auf und der Wagen lenkt präzise ein. Daran hat die sehr gut abgestimmte elektromechanische Lenkung einen großen Anteil: Mit ihrer Hilfe landet der Wagen genau dort, wo man ihn haben will. Hinzu kommt das relativ niedrige Gewicht, der BMW M4 ist gut 200 Kilogramm leichter als etwa das Mercedes C 63 AMG Coupé. Einen Allradantrieb vermisst man im M3/M4 nicht, eine Übersteuertendenz kündigt sich für den Fahrer immer rechtzeitig an. Oder einfach ausgedrückt: Dein Grenzbereich ist sein Grenzbereich. Nach einigen scharf gefahrenen Runden steige ich aus und fühle mich wie nach gutem Sex: Man ist nass geschwitzt, aber es war geil.

Fit für die Piste
Allerdings sind der M3 und M4 standfester als ich: BMW-Entwicklungsvorstand Herbert Diess schwört auf die robuste Rennstreckentauglichkeit der beiden Modelle, schließlich fand ihre Entwicklung auf der Nordschleife statt. Daher gibt es mehrere Kühler, aber auch eine spezielle Magnesium-Ölwanne inklusive speziellem Rücklaufsystem im Bereich des Turboladers.

Teuer oder nicht teuer?
Sex sells. Aber wie viel kostet der neue M-Spaß, wenn es im Juni 2014 offiziell losgeht? Die M3 Limousine liegt mit 71.500 Euro exakt 700 Euro unter dem M4 Coupé. Entscheidend wird für die Kunden aber mit Sicherheit nicht der Preis sein, sondern die Zahl der Mitfahrer und der eigene Geschmack. Unser Favorit ist der M4 mit Doppelkupplung, der mit 76.100 Euro in der Liste steht. Die Serienausstattung ist mit adaptiven LED-Scheinwefern, einer Zwei-Zonen-Klimaautomatik und den schon erwähnten 18-Zöllern dem Preis angemessen. Etwas überraschend ist die nur vier Seiten starke Auflistung der Extras, darunter viele Assistenzsysteme wie ein Head-up-Display für 980 Euro und das 2.390 Euro teure Navi. Verzichtbar sind das adaptive M-Fahrwerk, auch die enorm kostspielige Carbon-Keramik-Bremse bringt im Normalbetrieb kaum spürbare Vorteile. Trotzdem kann unter dem Strich eine Summe von rund 86.000 Euro stehen.

Familen-Elfer
Das klingt nicht nach einem Schnäppchen, ist aber mit Blick auf den Porsche 911 Carrera S eines: Er beginnt bei 105.173 Euro. Im Vergleich mit seinen direkten Gegnern liegt der BMW M4 auf Augenhöhe. So kostet der Audi RS 5 mit 450 PS und Allrad 78.750 Euro, während das Mercedes C 63 AMG Coupé mit 457 PS bei 73.840 Euro startet. Aber in dieser Liga entscheidet nicht der Preis, sondern die Weltanschauung.
(rh)

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