Sochaux (Frankreich), 5. September 2013
Wie ein Pirat sieht Peugeot-Generaldirektor Maxime Picat eigentlich nicht aus: Doch mit dem neuen 308 macht sich die Löwenmarke bereit zum Entern. Man habe mit dem Kompakten klare “Eroberungsambitionen”. Wer damit gemeint ist, wird auch ohne Erwähnung klar: Der VW Golf soll vom Peugeot 308 geärgert werden. Kann die neue alte Nummer für Angst und Schrecken in Wolfsburg sorgen?
Alles auf die Acht
“Außer dem Namen ändert sich alles”, erläutert Maxime Picat. Zukünftig behalten die Baureihen die Acht am Ende. Das leuchtet speziell beim 308 ein, denn der 309 aus den 1980er-Jahren gilt nicht unbedingt als Knüller der Markengeschichte. Bereits von außen zeigt sich der neue 308 völlig umgekrempelt: Vorbei ist das überdrehte Design mit riesigen Kühlermäulern und knubbeliger Optik. Stattdessen ist eine angenehme Sachlichkeit eingezogen. Wenige geschickt gesetzte Falze verleihen dem Karosseriekörper Spannung und sorgen für Akzente. Das kann zwar teilweise hart an der Grenze zur Langeweile gesehen werden, wie das Heck im Japan/Korea-Stil zeigt, andererseits sorgt die Linienführung auch nicht für fieses Augenflimmern.
Praktische Plattform
Soweit die Theorie, kommen wir zu den harten Fakten. Der neue 308 nutzt die noch recht frische EMP2-Plattform, auf der etwa auch der Citroën C4 Picasso basiert. EMP2 ist gewissermaßen die Antwort auf den modularen Querbaukasten von VW und kann diverse Karosserievarianten auf 308-Basis ermöglichen. Fest eingeplant ist aber vorerst nur der SW genannte Kombi, der wohl im Frühjahr 2014 debütiert. Eine Erweiterung des Angebots dürfte von der Finanzlage des PSA-Konzerns abhängen.
Hinten passt was rein
Auch wegen der mauen Kassenlage des Gesamtkonzerns ist der 308 zum Erfolg verdammt. Ein gewichtiges Argument des um 140 Kilogramm abgespeckten 308 ist sein Kofferraum. Zwischen 420 und 1.228 Liter sind ein Wort, der VW Golf bietet 380 bis 1.270 Liter. Schade nur, dass der Peugeot keinen verstellbaren Ladeboden aufweist. So muss das Gepäck über eine hohe innere Ladekante gewuchtet werden und beim Umlegen der Lehnen bleibt eine Stufe übrig. Ich arbeite mich nach vorne weiter und setze mich in den Fond des stets fünftürigen 308. Dort ist die Kopffreiheit gut, für die Beine bleibt genügend Platz übrig, wenngleich gerade bei langen Kerls die Lage auch nicht üppig ist. Ganz und gar nicht üppig ist das schmale Heckfenster. Gemeinsam mit der breiten C-Säule hört man es förmlich “Einparkhilfe” schreien. Insgesamt ist der neue 308 etwas kürzer und niedriger geworden, mit 4,25 Meter liegt er exakt auf Golf-Niveau.
Berühr mich!
Endlich auf dem Fahrersitz angekommen, ist einiges an Umdenken angesagt: Das kleine Lenkrad und die hoch postierten Instrumente kennt man schon vom 208, neu ist der 9,7-Zoll-Touchscreen in der Mitte. Er bündelt alle wichtigen Funktionen wie Klimatisierung, Radio und Navigation. Darunter befinden sich nur der Lautstärkeregler und der (optionale) CD-Schlitz sowie fünf selten benutzte Knöpfe. Das sieht funktional-edel aus, zumal sich Peugeot um hochwertige Materialien bemüht hat. So weht ein leichter Hauch von Bang & Olufsen- beziehungsweise Braun-Design durch das Cockpit. Die Reaktionszeit des Bildschirms auf eine Berührung ist schnell, etwas gewöhnungsbedürftig ist die verschachtelte Menüführung des Navigationssystems mit einer lispelnden (!) Damenstimme. Gut gefallen mir die großen Tasten der Klimaregelung, die durch den Bildschirm angenehm hoch angeordnet ist. Bei starker Sonneneinstrahlung erkennt man allerdings nicht mehr viel, hier sollte Peugeot bei der Optik Fünfe gerade sein lassen und einen Blendschutz nachrüsten. Und die Zuverlässigkeit auf lange Sicht? 4,83 Millionen Berührungen hat der Touchscreen in der Erprobung ausgehalten. Falls Sie also zum 308-Fahrer werden sollten, müssten Sie zehn Jahre lang jeden Tag über 1.300-mal drauftippen. Viel Spaß dabei. Übrigens: Wer mit Touchscreens gar nichts anfangen kann, dem bleibt der Griff zum Basis-308 mit konventionellem Radio und Klimaanlage.
Nicht ganz rund
Jetzt noch schnell das kleine Lenkrad im Autoscooter-Stil einstellen: Das klappt problemloser als gedacht, sowohl bei mir (1,88 Meter) als auch meinem Co-Piloten (1,78 Meter) schmiegt sich das nicht komplett runde Volant exakt unter die Instrumente. Dort leistet sich Peugeot noch einen kleinen Spleen, denn die Nadel des Drehzahlmessers arbeitet gegenläufig. Ob die Gesamtanordnung tatsächlich Vorteile bringt, muss jeder für sich selbst entscheiden, rein subjektiv wird mein Blick weniger von der Straße abgelenkt. Dafür sorgt schon eher der versteckt hinter dem Lenkrad angeordnete Hebel für den Tempomat. Fünf Tasten und ein Drehrad muss der Fahrer im Blindflug erkunden.
Endlich eine gute Automatik
Zum Marktstart am 21. September 2013 kann der 308-Liebhaber aus fünf Motoren wählen: Drei Benziner mit 82, 125 und 155 PS sowie zwei Diesel mit 92 PS und 115 PS stehen bereit. Für Sparfüchse und Automatikfreunde könnte es sich aber lohnen, noch bis zum Frühjahr 2014 zu warten. Dann wird die Motorenpalette umgekrempelt: Ein 1,2-Liter-Dreizylinderbenziner mit Turbo namens e-THP kommt neu ins Programm und leistet 110 respektive 130 PS. Diese Aggregate erfüllen die Euro-6-Norm, ebenso die Selbstzünder mit 120 oder 150 PS. Für die jeweils stärksten Maschinen steht optional eine Sechsgang-Automatik von Aisin bereit. Endlich wird also das unsägliche automatisierte Schaltgetriebe (EGS6) eingemottet. Für einen echten Paukenschlag soll der kleinere 1,6er-Diesel mit 120 PS sorgen: 3,1 Liter und 82 Gramm sind zwar Werte nach Normvorschrift, aber dennoch eine Kampfansage an den Golf BlueMotion.
Der Benziner reicht
Doch zurück in die Gegenwart: Wir haben drei aktuelle Motoren unter die Lupe genommen: den 115-PS-Diesel sowie die Benziner mit 125 und 155 PS. Bei allen fällt auf, wie viel Mühe sich Peugeot bei der Geräuschdämmung gegeben hat. Selbst bei 130 km/h bleibt es im 308 leise, Windgeräusche eingeschlossen. Wer nicht ausgewiesener Vielfahrer ist, sollte einen der Turbobenziner wählen. Auch bei ihnen steht das maximale Drehmoment bereits ab 1.400 Touren bereit, ist aber über ein breiteres Band nutzbar. Unsere Empfehlung ist der 1.6 THP mit 125 PS. Er liefert zwar 40 Newtonmeter weniger als sein großer Otto-Bruder auf die Kurbelwelle, das macht sich aber nur bemerkbar, wenn man extrem schaltfaul durch die Stadt rollt und aus 1.000 Umdrehungen wieder in die Puschen kommen will. Apropos Schalten: Beim Griff zum Knüppel stören die langen Wege, immerhin rasten die Gänge exakt ein.
Gallisches Wiesel
Exakt liefert das Stichwort für das Fahrverhalten des 308: Passend zum Autoscooter-Lenkrad wieselt der Wagen flink ums Eck, trotz elektrischer Servolenkung gefällt das präzise Ansprechverhalten, zumal der Fahrzeugschwerpunkt leicht gesenkt wurde. Lob verdient sich auch das Fahrwerk: Waren früher französische Autos eher weich gefedert, so hat Peugeot beim 308 einen guten Kompromiss gefunden. Über kurze Wellen rollt der Wagen zwar straff und durchaus hörbar, doch die Insassen bleiben vom miesen Fahrbahnzustand verschont. Passenderweise verzichtet Peugeot auch auf Mätzchen wie verschiedene Fahrwerksabstimmungen oder eine adaptive Regelung. Im Bereich der Assistenzsysteme hat der 308 noch etwas Nachholbedarf gegenüber dem Golf. Angeboten werden ein Abstandsregelradar, ein Frontkollisionswarner und eine automatische Gefahrenbremsung. Diese bremst aber nicht bis zum Stillstand, sondern soll den Fahrer aufwecken und Unfallfolgen mildern. Auch im Angebot: Ein Totwinkelwarner und ab Frühjahr 2014 ein Einpark-Assistent.
Vors Bein getreten
Bis hierhin befindet sich das Schiff der Peugeot-Piraten auf gleicher Höhe mit dem mächtigen VW-Dampfer. Für einen vernehmbaren Rammstoß könnte die Preisgestaltung sorgen. Der günstigste 308 mit 82 PS liegt bereits über 2.000 Euro unter einem vergleichbaren Golf. Wichtige Dinge wie Radio, Klimaanlage und Tempomat sind serienmäßig dabei, aber der Kunde kann kaum Extras ordern. Ab der mittleren Linie namens “Active” ändert sich das, zudem sind der Touchscreen oder eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik inbegriffen. Der 125-PS-Benziner kostet so 20.850 Euro. Beim 308 lohnt sich aber der Griff zur Topversion “Allure”, deren serienmäßiges Navi und die LED-Scheinwerfer den Aufpreis von 1.850 Euro wettmachen. Wir packen noch die Abstandsregelung, den Frontkollisionswarner (beides im günstigen Paket), die Rückfahrkamera, eine Sitzheizung vorne, den Totwinkel-Assistenten sowie das Glasdach und eine Metallic-Lackierung drauf. Unter dem Strich macht das 24.930 Euro, womit sogar Kia unterboten wird. Und der VW Golf? Als 1.4 TSI Highline mit ähnlicher Ausstattung (LED-Licht gibt es gar nicht) ist er fast 4.000 Euro teurer. Zum Mitschreiben: eine Vier mit drei Nullen.
(rh)
- Zur Bildergalerie (28 Bilder)
- Immer informiert mit AutoNEWS: Mit einem Klick zum Newsletter
Leave a Reply