Bilbao (Spanien), 23. Mai 2014
Neutralität ist eine feine Sache. Aber sie hat auch ihre Grenzen. Deshalb muss es jetzt einmal raus: Der BMW X6 gefällt mir nicht. Wirklich nicht. Ein überzeichnetes Schlachtschiff, dessen Sinn ich seit 2008 zu verstehen suche. Rund 260.000 Kunden in aller Welt scheinen ihn verstanden zu haben. Genauso viele X6 wurden nämlich mittlerweile verkauft. Ein im wahrsten Sinn fetter Erfolg. Und genau deswegen bekommt das massige SUV-Coupé jetzt ein kleines Brüderchen: den BMW X4.
Familiäre Grüße
Allzu schwer war die Geburt nicht, denn der neue X4 basiert auf dem jüngst gelifteten X3. Mit 4,67 Meter ist der X4 geringfügig länger als sein braver Bruder, in der Höhe wurde Nummer Vier um knapp vier Zentimeter gekappt. Soweit die nicht sofort sichtbaren Fakten. Ich nehme mir ausführlich Zeit, um den BMW X4 auf mich wirken zu lassen. Der Sinn oder Unsinn eines SUV-Coupés bleibt dahingestellt, das möge bitte jeder für sich selbst beurteilen. Auf jeden Fall wirkt der X4 stimmiger und weit weniger klotzig als sein großer Bruder. Zwar haut das beim Testwagen verbaute M-Paket optisch ganz schön auf die Kacke, ohne aber ins Obszöne abzugleiten. Seltsam wirken nur die wie nachträglich angebaut wirkenden (und stets serienmäßigen) Verbreiterungen der Radhäuser. In denen befinden sich in unserem Fall 19-Zoll-Felgen, welche den Raum bei weitem nicht ausfüllen.
Geräumiger als gedacht
Und wie füllen die Insassen den X4 aus? Bis zur B-Säule erwartet mich nichts Aufregendes, Cockpit und vorderes Platzangebot sind vom X3 bekannt. In Abwandlung eines Kanzlerzitats geht es in erster Linie darum, was hinten reinkommt. In meinem Fall sind das 1,88 Meter Körpergröße, deren Unterbringung im Fond keine Probleme bereitet. Über dem Kopf bleibt genug Luft übrig, auch die Beine fühlen sich wohl. Erkauft wird dieser Eindruck durch eine im hinteren Teil recht stark geneigte Sitzfläche, die zu angewinkelten Beinen führt. Offiziell sitzen die Fondpassagiere übrigens um 2,8 Zentimeter niedriger als im X3.
Flexibilität ist gefragt
Auch der Einstieg erfordert etwas Gelenkigkeit: Die hinteren Türen sind nicht übermäßig groß geraten. Bedingt durch die abfallende Dachlinie sollte der Kopf eingezogen werden. Gleichzeitig steht das hintere Radhaus vorwitzig im Weg und will mit dem Allerwertesten geschickt umschifft werden. Merke: Wer öfters Omi kutschiert, sollte besser zum X3 greifen. Ebenso alle, die gerne bis unters Dach vollladen. Zwar beträgt das Kofferraumvolumen im X4 500 bis 1.400 Liter (im Vergleich der X3: 550 bis 1.600 Liter), aber durch die schräge Heckklappe wird die Ausnutzung eingeschränkt. Ein netter Zug von BMW ist die serienmäßig elektrisch öffnende Heckklappe. Noch netter wäre aber eine im Preis inbegriffene Rückfahrkamera, denn der Blick nach hinten ist praktisch sinnlos. Der X6 grüßt aus der Ferne. Immerhin sind Parkpiepser hinten beim X4 inklusive. Ob BMW nun mit Dankesbriefen überhäuft wird?
An der Spitze
Anfang Juli 2014 kommt der BMW X4 auf den Markt. Zur Auswahl stehen dann drei Benziner von 184 bis 306 PS und drei Diesel mit 190 bis 313 PS bereit. Serienmäßig ist immer ein Allradantrieb an Bord, eine Achtgang-Automatik ist mit Ausnahme des X4 xDrive20d ebenfalls stets im Preis inklusive. Apropos Diesel: Sie dürften in Deutschland gerne für den X4 geordert werden. Für unsere Testfahrt stand indes nur der doppelt aufgeladene Sechszylinder-Benziner im X4 xDrive35i bereit.
Geschmeidiges Topmodell
Er verrichtet seine Arbeit diskret, zumal gemeinsam mit der immer wieder hervorragend agierenden Automatik. Für nicht nur meinen Geschmack aber etwas zu unauffällig. Wo ist der markentypische Sechszylinder-Sound geblieben? Erst oberhalb von 4.000 Umdrehungen dringt ein Hauch von Turbine ans Ohr. Zum allgemeinen Komforteindruck passt wiederum das nicht zu straffe Abrollverhalten der 19-Zöller. Auch die serienmäßige variable Sportlenkung verrichtet ihren Dienst gut, gelegentlich wäre etwas mehr Rückmeldung nett. Mit wenig Wankneigung durcheilt der X4 enge Kurven, doch es bleibt nicht verborgen, dass der xDrive35i inklusive Fahrer schon 1,9 Tonnen wiegt. So war der alte Slogan “Viel Auto fürs Geld” eigentlich nicht gemeint.
Relative Differenz
Geld bringt mich zum abschließenden Punkt hinsichtlich des BMW X4. Los geht es bei 45.600 Euro für den handgeschalteten xDrive 20d, der xDrive35i liegt bei exakt 58.000 Euro. Auf den ersten Blick sind das gegenüber einem vergleichbaren X3 3.600 Euro mehr. Allerdings bringt der X4 ab Werk mehr Ausstattung mit, darunter die bereits erwähnten Extras sowie Xenon-Licht und 18-Zoll-Alus. Schlägt man all das beim X3 hinzu, verringert sich der Abstand auf knapp 1.000 Euro. Ein Pluspunkt für den BMW X4 ist, dass er derzeit recht konkurrenzlos dasteht. Lediglich für seine stärksten Versionen kommt als Gegner der Porsche Macan in Betracht. Er liegt mit 340 PS starkem Benziner preislich bei 57.930 Euro.
(rh)
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