Audi A3 Sportback e-tron im Test: Einstöpsel-Lösung für Diplom-Ingenieure

June 28, 2014

Plug-in-Hybrid für Ingenieure: Der Audi A3 Sportback e-tron startet Ende 2014

Das Hybridmodell lässt sich nur an den Schriftzügen erkennen – und die große Schrift fehlt bei den Serienautos

Der e-tron bleibt optisch sehr verhalten. Öko-Angeber kaufen besser einen BMW i3 oder Opel Ampera

Wien, 25. Juni 2014
Dass sich reine Elektroautos wegen der kurzen Reichweite fast nur als Zweitautos eignen, hat sich inzwischen herumgesprochen. Die Angst vor dem Liegenbleiben fällt bei Plug-in-Hybriden sowie Range-Extender-Fahrzeugen weg. Schon auf dem Markt sind: Toyota Prius Plug-in Hybrid, Opel Ampera, Chevrolet Volt, BMW i3 mit Range Extender, VW XL1, Mitsubishi Outlander PHEV, Volvo V60 Plug-in Hybrid sowie in der sportlichen Liga der Porsche Panamera S E-Hybrid, der Porsche 918 Spyder und der BMW i8. Das größer werdende Häufchen der Einstöpsel-Hybride wird nun durch ein Modell aus Ingolstadt ergänzt. Ab sofort ist der Audi A3 Sportback e-tron bestellbar, auf den Markt kommt das Auto Ende 2014. Wir haben es bereits getestet.

50 Kilometer rein elektrisch
Doch vor die Testfahrt hat Gott das Briefing gesetzt. Die Audi-Techniker erklären mir den rund 100 Kilometer langen Kurs. Zunächst stehen etwa 14 Kilometer rein elektrische Fahrt auf dem Programm. Das ist ein Klacks für den e-tron, denn der schafft 50 Kilometer elektrisch. Danach schließen sich Passagen in den anderen Betriebsarten an: Hybrid Auto, Hybrid Hold und Hybrid Charge. Im Auto-Modus legt das System das Zusammenspiel der Kräfte eigenverantwortlich fest. Im Hold-Betrieb wird der Ladezustand eingefroren, und der Charge-Modus bedeutet erhöhte Drehzahl – so wird die Batterie wieder aufgeladen, um zum Beispiel am Schluss noch eine rein elektrische Fahrt zu ermöglichen.

Starker Vorwärtsdrang
Endlich darf ich einsteigen und rolle geräuschfrei los. Bald stelle ich fest, dass der 75 Kilowatt oder 102 PS starke Elektromotor aber noch andere Qualitäten hat. Es ist weit mehr als Rollen drin, das Ding schiebt den A3 gewaltig an. Selbst beim starken Beschleunigen bleibt der Audi im Elektromodus. Sogar auf der Stadtautobahn bei 70 bis 100 km/h macht das Auto noch eine gute Figur. Bis zu 130 km/h sind im EV-Modus möglich. Der Ottomotor, ein 150 PS starker 1.4 TFSI ohne Zylinderabschaltung, springt in dieser Betriebsart nur beim Kick-down an, auf den ich jetzt verzichte. Doch ist es gut zu wissen: Im Fall des Falles stehen einem 204 PS Gesamtleistung zur Verfügung, der e-tron beschleunigt in sportlichen 7,6 Sekunden auf Tempo 100 und schafft bis zu 222 km/h. Eine Verzichtserklärung ist der e-tron also beileibe nicht.

Die Quittung: Erhöhter Stromverbrauch
Wegen der Tempolimits und der grauen Starenkästen am Straßenrand bleibe ich notgedrungen unter 100 km/h. Verbrauchsorientiert fahre ich aber nicht – schließlich will ich wissen, was das Auto alles kann. Die Quittung für die eher ungestüme Fahrweise bekomme ich später bei der Auswertung der aufgezeichneten Fahrdaten: Der Stromverbrauch im rein elektrischen Modus lag bei 18,4 Kilowattstunden (kWh) je 100 Kilometer. Das ist zwar deutlich mehr als die zehn bis zwölf Kilowattstunden, mit denen die Audi-Ingenieure gerechnet haben. Aber mit Öko-Strom zu 27 Cent die Kilowattstunde hätten auch so die 100 Kilometer nur etwa 4,90 Euro gekostet. Bei einem Diesel wäre wohl knapp das Doppelte zu zahlen gewesen. Im EV-Modus werden also durchaus Geld und Sprit gespart. Wer arbeitstäglich 100 Kilometer elektrisch fährt, spart gegenüber einem vergleichbaren Diesel etwa 800 Euro jährlich. Da der der Aufpreis gegenüber dem TDI-Modell bei rund 8.000 Euro liegt, hätte sich der Wagen nach zehn Jahren amortisiert. Die allermeisten Kunden werden allerdings deutlich weniger elektrisch fahren, und dann wird sich der e-tron nicht rentieren.

Mehr Segeln als Rekuperieren
Es sei denn, man spart auch dann noch gegenüber dem Diesel Geld, wenn elektrische und verbrennungsmotorische Kraft kombiniert werden. Der offizielle Spritverbrauch von 1,5 Liter je 100 Kilometer hilft einem hier nicht weiter, denn der Wert wird bei Plug-in-Hybriden nach einer Formel errechnet, die wenig mit der Realität gemein hat. Deshalb heißt es: Versuch macht klug. Mit dem eDrive-Schalter wechsele ich in den “Hybrid Auto”-Modus, in dem das Zusammenspiel der beiden Motoren vom System gesteuert wird. Im Speckgürtel der Stadt Wien sind meist nur 50 oder 70 km/h erlaubt, zu dynamischen Eskapaden werde ich nicht verleitet. Das “Powermeter”, das beim e-tron den Drehzahlmesser ersetzt, zeigt oft nur 20 Prozent an – mehr als ein Fünftel von den 204 PS Gesamtleistung sind selten nötig. Meistens fahre ich im normalen D-Modus. Dabei wechselt das Auto beim Gas-Wegnehmen in den Segelmodus bei gestopptem Verbrenner, das heißt: Das Auto gleitet weiter dahin, ohne Schubenergie zurückzugewinnen.

Rekuperation per Bremspedal einstellen
Ab und zu aber stellt sich vor einem Ortsschild der Wunsch ein, per Motorbremse zu verlangsamen. Dann schalte ich in den S-Modus des Getriebes, wodurch ein niedrigerer Gang gewählt wird, oder ich nutze die Schaltwippen zum Herunterschalten. Beides verlangsamt mich und erhöht die Schubenergierückgewinnung. So stark wie beim rein elektrisch fahrenden BMW i3 ist die Rekuperation jedoch nicht. Anders als bei dem Münchner Auto kann man hier nicht einfach das Gas wegnehmen und so zum Stillstand kommen – schade, denn das Ein-Pedal-Fahren im i3 ist sehr praktisch und elegant. Dafür gibt es die Bremse, sagen die Audi-Ingenieure lakonisch. Da diese fast immer elektrisch tätig wird und nur in Notsituationen die konventionellen Scheiben zuschaltet, ist die Rekuperation damit stufenlos und situationsgerecht einstellbar. Die Audi-Entwickler haben sich eben bemüht, das Fahrverhalten möglichst an einen normalen A3 anzugleichen. Deshalb gibt es auch statt eines Eingang-Getriebes, wie es in vielen E-Mobilen arbeitet, hier ein normales Doppelkupplungsgetriebe mit sechs Gängen.

Überland mit Bedienfehler
Auf den 75 so gefahrenen Kilometern verbauche ich laut Statistik 2 kWh je 100 Kilometer Strom – also fast nichts –, aber 5,4 Liter Benzin je 100 Kilometer. Da hätte ich auch einen Diesel nehmen können, sage ich später zu den Fachleuten. Doch dann stellt sich der Grund für den hohen Verbrauch heraus: Beim Einlegen des S-Modus ändert der e-tron automatisch und stillschweigend auch den Hybridmodus – und behält diesen selbst bei der Rückkehr in die Betriebsart D bei. Statt im “Hybrid Auto”- bin ich deshalb meist im “Hybrid Hold”-Modus unterwegs gewesen, weshalb ich kaum einen Nutzen vom Akku hatte. Ein Bedienfehler also, aber die Verkettung der vielen Modi ist schon schwer zu durchschauen.

Modi, Modi und noch mehr Modi
Neben den vier genannten Hybridmodi, die man über die EV-Taste einstellen kann, gibt es die Betriebsarten des DriveSelect-Systems, die ebenfalls auf den Hybridantrieb einwirken, und schließlich noch die Getriebemodi D, S sowie manuell. Das Zusammenwirken dieser Einstellmöglichkeiten ist ein Fall für all jene, die sich in ihrer Freizeit am liebsten mit Bedienungsanleitungen auseinandersetzen. Alternative für alle normal Veranlagten: Alles so lassen, wie es bei der Auslieferung ist, und zum Verlangsamen einfach bremsen. In Summe habe ich bei der Testfahrt 4,0 Liter Kraftstoff je 100 Kilometer und etwa eine dreiviertel Akkuladung oder 6 kWh verbraten. Das hätte mich 6,20 Euro für Benzin und 1,60 Euro für Strom gekostet, also etwa acht Euro. Bei einem Diesel wäre die Rechnung wohl nicht wesentlich niedriger gewesen.

Aufladeport hinter den vier Ringen
Aufgeladen wird der Audi über einen Ladeport hinter den vier Ringen an der Nase. Das Markensymbol wird dazu beiseite geklappt. An der Haushaltssteckdose dauert das Laden der 8,8 kWh fassenden Batterie rund vier Stunden, an der Industriesteckdose nur die Hälfte der Zeit. Ein Schnellladesystem würde sich bei diesen Ladezeiten nicht lohnen. Batterie und E-Motor werden beim e-tron aber flüssig gekühlt. Diese aufwendige Lösung wurde gewählt, damit trotz der großen Elektroleistung auch bei Hitze noch elektrisch gefahren werden kann, ohne dass die Komponenten zu heiß werden. Auch bei Kälte bleibt der E-Antrieb nutzbar: ein Plus für die Alltagstauglichkeit.

Verkleinerter Kofferraum, kein Reserverad
Vom Antrieb abgesehen ist der A3 Sportback e-tron ein ziemlich normaler Fünftürer. Äußerlich weisen nur ein paar kleine Schriftzüge auf das Hybridsystem hin. Öko-Angeber kaufen also besser einen BMW i3 oder einen Opel Ampera – da ist sofort klar, wer hier ökologisch bewusst fährt. Die Alltagstauglichkeit des normalen A3 bleibt auch beim e-tron gewahrt. Der Kofferraum fasst zwar nur 280 bis 1.120 Liter, jeweils 100 Liter weniger als beim Normalmodell. Allerdings verkleinert sich laut Audi vor allem der Raum unter dem Kofferraumboden: Die Batterie ist unter der Rückbank installiert, weswegen der Benzintank unter den Kofferraum wandern musste. Eine konventionelle Reserveradmulde gibt es daher im e-tron nicht. Auch fasst der Tank des e-tron nur 40 statt 50 Liter, aber der Wagen verbraucht ja auch weniger.

Reifen für den Leichtlauf, nicht für die Sicherheit
Die Fahreigenschaften ändern sich ebenfalls nicht grundlegend, obwohl das Leergewicht des e-tron mit 1,6 Tonnen stattliche 300 Kilo höher als beim 150 PS starken A3 1.4 TFSI S tronic ist. Aber ein Punkt muss noch erwähnt werden: Auf meiner Testfahrt kam ich einmal in einer zu schnell angegangenen Kurve auf nassem Asphalt ziemlich ins Schlittern. Das ESP hat mich vor Schlimmerem bewahrt, aber nach der Fahrt sehe ich mir dann doch mal die Reifen näher an. Und in der Tat: Sie weisen wenig Profil auf. Leichtlaufreifen, heißt es bei Audi, für geringstmöglichen Energieverbrauch. Wie schön, denke ich mir, aber zumindest in meiner Schrecksekunde hätte ich trotzdem lieber andere Schlappen drangehabt.

Ein Auto für grün denkende Diplom-Ingenieure
Die Preise für den e-tron beginnen bei 37.900 Euro. Damit sind Konkurrenten wie der nur 150 PS starke Opel Ampera für 38.620 Euro oder der 136 PS starke Toyota Prius Plug-in Hybrid für 36.550 Euro preislich uninteressant geworden. Ein Schnäppchen ist der Audi aber nur im Vergleich mit anderen Plug-in-Hybriden. Ein vergleichbar starker Sportback mit Diesel ist wie erwähnt rund 8.000 Euro günstiger als der e-tron. Das wird sich nur in Extremfällen rechnen. Aber es gibt natürlich auch andere Motivationen. So rechnet Audi-Produktmanager Florian Tatzel seinen eigenen Vater zu den idealen Kunden: “Der hatte schon in den 90er-Jahren Solarzellen auf dem Dach.” Wenn der Herr Papa ein größeres Auto als den A3 haben will, braucht er übrigens nur noch ein bisschen zu warten, denn der Plug-in-A3 wird kein Einzelstück bleiben. Nach und nach soll der Antrieb in weiteren Baureihen des Konzerns auftauchen und die normalen Hybride ablösen, wie mir Audi-Sprecher Josef Schlossmacher bestätigt. Denn der Plug-in-Hybrid stellt nach Meinung der Ingolstädter auf mittlere Sicht die beste Elektrifizierungs-Lösung dar.
(sl)

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