Pkw-Maut in Deutschland: Vignette und Infrastrukturabgabe

July 8, 2014

Ab 2016 ist es soweit: Dann soll die Pkw-Maut für alle öffentlichen Straßen kommen

Das Konzept von Verkehrsminister Dobrindt soll nur ausländische Verkehrsteilnehmer zur Kasse bitten

Im Inland wird die jährliche Maut als "Infrastrukturabgabe" von der Kfz-Steuer abgezogen. Der Besitzer eines VW Golf V von 2003 mit 1,9-Liter-TDI würde 108,08 Euro Abgabe zahlen

Berlin, 8. Juli 2014
Kommt sie oder kommt sie nicht? Die Pkw-Maut war einer der Wahlkampfschlager. Nun setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) alles daran, diese Idee umzusetzen. Jetzt hat Dobrindt konkrete Details seiner Maut-Pläne verraten.

Ein neues Wort
Die Pkw-Maut soll ab dem 1. Januar 2016 erhoben werden, sie wird für alle öffentlichen Straßen in Deutschland gelten. Dobrindt verpackt sie für deutsche Steuerzahler in das schöne Wort “Infrastrukturabgabe”. Diese muss für alle Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht entrichtet werden, sowohl von Deutschen als auch von Ausländern. Letztere erwerben ganz klassisch eine Vignette, während die “Inländer-Maut” von der Kfz-Steuer abgezogen wird. Fahrzeuge, die hierzulande ganz oder teilweise von der Kfz-Steuer befreit sind, werden entsprechend auch von der Infrastrukturabgabe befreit.

Festgelegte Obergrenzen
Wie wird die neue Abgabe berechnet? Für vor Juli 2009 erstmals zugelassene Fahrzeuge werden nach der jeweiligen Schadstoffklasse vorgesehene Beiträge je 100 Kubik Hubraum fällig, maximal jedoch 103,04 Euro für Benziner und 112,35 Euro für Dieselfahrzeuge. Bei Neuzulassung ab Juli 2009 beträgt die Abgabe je zwei Euro pro angefangene 100 Kubik Hubraum. Die Hubraumobergrenze liegt bei fünf Liter, also 100 Euro. Bei Dieselfahrzeugen werden 9,50 Euro auf 100 Kubik verlangt, hier wird die Obergrenze bei 1.100 Kubik festgesetzt. Das wären 104,50 Euro. Durchschnittlich soll die Infrastrukturabgabe 88 Euro betragen.

Das Nullsummenspiel
Wer sein Auto in Deutschland zugelassen hat, bekommt den Betrag der Kfz-Steuer um die Höhe der Infrastrukturabgabe reduziert, sodass sich de facto nichts ändert. Im Gegenzug erhält man eine Jahresvignette, die an die Windschutzscheibe geklebt wird. Ausländische Besucher haben die Wahl: Eine Zehn-Tages-Vignette soll zehn Euro kosten, für zwei Monate werden 20 Euro verlangt. Jahresvignetten gelten ab jedem Starttag exakt zwölf Monate. Das ist anders als in Österreich und der Schweiz, wo das Pickerl nur für das aufgedruckte Jahr gilt. Primär sollen die Plaketten über das Internet erworben werden, wer an der Tankstelle kauft, zahlt für zwölf Monate einheitlich 103,04 (Benziner) respektive 112,35 Euro (Diesel).

Eine Milchmädchenrechnung?
Und was bringt das Ganze? Dobrindt rechnet mit jährlichen Brutto-Gesamteinnahmen von rund 4,7 Milliarden Euro, wovon 3,8 Milliarden auf deutsche Autofahrer entfallen und etwa 860 Millionen auf ausländische Straßenbenutzer. Die Systemkosten sollen sich insgesamt auf 260 Millionen Euro belaufen. Die so übrig bleibenden 600 Millionen Euro von ausländischen Autofahrern sollen zweckgebunden in die Straßeninfrastruktur fließen. Was indes mit den restlichen 3,8 Milliarden geschieht, sagt Dobrindt nicht. Dem Minister zufolge ist der Vignettenplan EU-rechtlich zulässig, hier greift die im Inland gewählte steuerrechtliche Verkleidung als “Abgabe”. Die technische Implementierung respektive gesetzliche Regelung soll im Laufe des Jahres 2015 erfolgen.

Breite Bedenken
Zynisches Lob für Dobrindts Konzept kommt vom Automobilclub ACE: “Wir sind vom Vorschlag des Bundesverkehrsministers schwer beeindruckt. Jetzt fehlt nur noch die Zustimmung der Kanzlerin, des Finanzministers, der EU-Kommission, der Koalition, des Bundestages, des Bundesrates und der Städte und Gemeinden. Aber Maut-Magier Dobrindt wird auch diese Hürde zauberhaft meistern. Er ist ohnehin ein wahrer Gaukler und Rechenkünstler: Bei einem Pkw-Ausländeranteil von 5 Prozent – das sind rund 2,2 Millionen Fahrzeuge – und erwarteten Mauteinnahmen von 625 Mio. Euro im Jahr, entfallen auf jeden Ausländer umgerechnet Straßennutzungsgebühren in Höhe von jährlich 284 Euro, weil Inländer kraft Koalitionsvertrag von der Maut faktisch frei gestellt sind. Dafür werden sich unsere Deutschlandgäste nicht nur herzlich bedanken, sondern sicherlich auch revanchieren.” Ähnlich argumentieren die Grünen in NRW, einem Haupttransitland: “Dann kehren wir zurück zum mittelalterlichen Wegezoll”, so Landeschefin Mona Neubaur. Die Zollgewerkschaft warnt hingegen vor zu viel Bürokratie und Personalmangel. Der ADAC wiederum zweifelt an der Umsetzbarkeit des Plans. So könne es passieren, dass die EU zwar das Mautmodell absegnet, nicht aber die Infrastrukturabgabe für deutsche Steuerzahler. Diese müssten dann draufzahlen. Zudem seien die Verwaltungskosten zu niedrig angesetzt. Die SPD-Generalsekretärin in Bayern, Natascha Kohnen, kritisiert die Kopplung der “Inländer-Maut” an die Schadstoffklassen, während die FDP und die Grünen von einem “Bürokratie-Monstrum” warnen, welches die Einnahmen gleich wieder verschlingt.
(rh)

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