Nizza (Frankreich), 19. September 2013
Zeitenwende bei Volvo: Die schwedische Automarke ist eine der letzten, die noch im großen Stil auf Fünfzylinder setzt. Vor allem bei den stärkeren Dieseln kommen aktuell fast ausschließlich Aggregate mit fünf Töpfen zum Einsatz. Der 3,0-Liter-Topbenziner ist sogar ein Sechszylinder. Doch schon bald muss man davon in der Vergangenheitsform sprechen, denn Volvo verabschiedet sich Zug um Zug von den großen Triebwerken. In Zukunft werden – bis hoch zum großen SUV XC90 – ausschließlich aufgeladene Vierzylinder Verwendung finden, die den alten Aggregaten in Sachen Leistung in nichts nachstehen, dabei aber deutlich sparsamer ausfallen sollen. Sie sind zugleich für eine spätere Elektrifizierung ausgelegt, lassen sich also problemlos vorne oder hinten mit einem E-Motor kombinieren, nach dem Motto: 4 plus E gleich 6. Den Anfang machen jetzt drei neue Triebwerke, die zuerst in der Mittelklasse-Familie mit S60, V60 und XC60 eingesetzt werden.
Kultivierter 181-PS-Diesel
Von 120 bis 230 PS bei den Dieseln und von 140 bis 306 PS bei den Benzinern wird das Leistungsspektrum der Zweiliter-Vierzylinder künftig ausfallen. Da sie aber kompakter und um bis zu 50 Kilogramm leichter ausfallen als die bislang verwendeten Fünf- und Sechszylinder, konnten die Verbrauchswerte um bis zu 30 Prozent reduziert werden. Der neue Selbstzünder D4 leistet 181 PS und ersetzt den gleichnamigen Vorgänger mit 163 PS, das maximale Drehmoment von 400 Newtonmeter bleibt unverändert. Der kultivierte Turbodiesel gefällt durch Laufruhe und Ausgeglichenheit. Den von uns gefahrenen Kombi V60 beschleunigt er aus dem Drehzahlkeller heraus geschmeidig und kraftvoll. Unter Volllast kann er stets noch eine Schippe draufpacken, meldet sich dann allerdings akustisch deutlicher zu Wort. Zudem harmoniert der D4 gut mit der neuen optionalen Achtgang-Automatik, die den bisherigen Sechsstufen-Wandler ersetzt. Das Getriebe stammt vom japanischen Zulieferer Aisin und erledigt die Gangwechsel in den meisten Fällen zügig und sanft. Lediglich bei schnellen Lastwechseln reagiert sie nicht immer souverän, sondern etwas sprunghaft. Endlich bietet Volvo für die Automatikmodelle auch optionale Schaltpaddles am Lenkrad an, die sportlich orientierte Fahrer bisher vermisst haben. Den Normverbrauch für den V60 D4 Automatik gibt der Hersteller mit sparsamen 4,2 Liter an, das sind 0,7 Liter weniger als beim Vorgänger. Die Praxis sah dann leider anders aus. Trotz zurückhaltender Fahrweise schluckte unser Testwagen im Schnitt rund 7,5 Liter.
Sportlich und durstig: Der 306-PS-Benziner
Zur neuen Aggregatefamilie für die 60er-Modelle gehören außerdem die beiden Benziner T5 mit 245 PS und T6 mit 306 PS. Die künftige Topmotorisierung T6 mit ebenfalls zwei Liter Hubraum und vier Zylindern ersetzt den bisherigen Reihensechszylinder, der über zwei Pferdestärken weniger verfügte. Für eine gleichmäßige Leistungsentfaltung sorgt eine doppelte Aufladung – ein Kompressor für den unteren und ein Turbolader für den mittleren Drehzahlbereich. Aus dem Stand heraus spricht der T6 spontan und direkt an. An Kraftreserven mangelt es nie und entsprechend sportlich geht der Schwede zu Werke. Der Spurt von null auf Tempo 100 gelingt hier unverändert in 6,0 Sekunden. Abstriche müssen Kunden bei der Endgeschwindigkeit hinnehmen – statt 250 sind jetzt nur noch 230 km/h drin. Was dem neuen T6 besonders abgeht, ist standesgemäßer Klang. Das stete Brummen kann den kernigen Sechszylinder-Sound nicht ersetzen und will zu einem hochmotorisierten Mittelklasse-Modell nicht so recht passen. Doch ganz passé ist der Dreiliter-Turbo noch nicht, in Kombination mit Allradantrieb wird er zunächst weiterhin angeboten. Doch während der T6 AWD sich selbst auf dem Papier durstige 10,2 Liter gönnt, sollen es beim sparsameren Fronttriebler nur 6,7 Liter sein. Wir konnten auf unserer Ausfahrt den Wert allerdings nur mit Mühe auf unter zehn Liter bringen.
Frisches Gesicht, modernisiertes Interieur
Die drei neuen Motoren D4, T5 und T6 sind in den Modellen der 60er-Familie ab Ende 2013 erhältlich. Optisch überarbeitet gingen S60 und V60 bereits seit Juli an den Start. Zu erkennen sind sie vor allem an der modernisierten Frontpartie mit breiterem Kühlergrill, jetzt einteiligen Scheinwerfern und frisch gestalteten Stoßfängern. Im Innenraum packen auf Wunsch neue Sportsitze zu und sorgen auf kurvigen Strecken für richtig guten Seitenhalt. Die aus dem V40 bekannte digitale Instrumenteneinheit hält jetzt auch in den Modellen der Mittelklasse Einzug. Tacho, Drehzahlmesser, Bordcomputer und weitere Anzeigen lassen sich hier in drei unterschiedlichen Layouts darstellen. Gleichzeitig holt Volvo nun zum ersten Mal das Internet ins Auto. Die Internet-Schnittstelle “Sensus Connected Touch” ermöglicht das Surfen im Internet, das Navigieren über Google Maps, den Zugriff auf Online-Musikdatenbanken, liefert Staumeldungen in Echtzeit und dient als WLAN-Hotspot für Smartphones, Laptops oder Tablet-PCs. Die Verbindung wird entweder über einen Surf-Stick oder über ein Smartphone hergestellt.
Zahlreiche Assistenzsysteme
Vorbildlich bleibt die Volvo-Mittelklasse beim Thema Sicherheit. Hier haben die Schweden das Angebot ausgeweitet. Der optionale Notbremsassistent reagiert nun außer auf Fußgänger auch auf Radfahrer vor dem Fahrzeug. Im Falle einer drohenden Kollision leitet er automatisch eine Vollbremsung ein. Eine Kamera erkennt Verkehrsschilder mit Tempolimits, die zulässige Höchstgeschwindigkeit wird dem Fahrer im Zentraldisplay angezeigt. Der Cross Traffic Alert erfasst beim Rückwärts-Ausparken den Querverkehr hinter dem Fahrzeug und warnt bei Gefahr akustisch. Als weitere Assistenzsysteme stehen für die 60er-Familie ein Totwinkelwarner, ein Spurhalteassistent, ein Abstandstempomat, ein Müdigkeitswarner sowie ein Fernlichtassistent zu Verfügung. Der V60 D4 ist künftig ab 35.350 Euro zu haben, die Achtgang-Automatik kostet 2.250 Euro extra. Für den neuen V60 T6 mit serienmäßiger Automatik werden mindestens 46.900 Euro fällig.
(mn)
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