Nissan 370Z Nismo im Alltag: Test, Technische Daten und Preis

August 9, 2014

Eine Woche im Nissan 370Z Nismo: Wir machen den Alltags-Test

Gehört ein Sportcoupé in den Kies? Eigentlich nicht, Spaß macht das aber trotzdem

Liebe Nissan-Presseabteilung: Auch wenn es nicht so aussieht, der Nismo-Lack ist unversehrt

Haar, 8. August 2014
Die Nachbars-Omi aus dem Erdgeschoss glotzt heute ein wenig länger von ihrem winzigen Balkon herunter, obwohl sie vermutlich keine Ahnung hat, was da gerade vor ihren Augen in einen unserer raren Parkplätze hineinsticht. Und auch die Jungs (und ein ziemlich cooles Mädel) der angrenzenden Schule drehen vor Freude fast durch, während ich versuche, eine ellenlange Motorhaube und einen ziemlich seriösen Heckspoiler in eine viel zu kleine Parklücke vor meinem Wohnblock zu zwängen. Man hat mir für eine Woche einen Nissan 370Z Nismo in die Hand gedrückt und ich soll herausfinden, wie gut sich einer der aufregendsten, halbwegs bezahlbaren Sportwagen so im Alltag macht.

Wo ist die Uhr?
Na gut, eigentlich wollten wir die neue Nismo Smartwatch testen (der Nismo ist schließlich schon ein gutes Jahr auf dem Markt), aber Nissan hat vergessen, uns ein Exemplar des schlauen Bluetooth-Zeitmessers ins Handschuhfach zu legen. Nun wird es eben ein Wieviel-Nismo-steckt-wirklich-im-370Z-Nismo-Test und irgendwie bin ich auch ganz froh, dass ich nicht eine Woche lang eine Uhr tragen muss, die mein Stresslevel beim Fahren misst. Wer weiß, wo das hinführt? Am Ende ruft der Wecker noch spontan einen Krankenwagen … mitten in einem epischen Drift, oder – wesentlich wahrscheinlicher – auf dem sonntäglichen Weg zur Schwiegermutter.

Vor allem steifer
Von der Nismo Watch geht also schon mal keine Gefahr aus. Vom 370Z Nismo auch nicht. Zumindest weniger als man denken würde. Denn obwohl sein opulent beflügelter Leib nach mindestens 600 PS aussieht, hat sich im Vergleich zum normalen 370Z nicht wirklich viel verändert. Ich mache es kurz: Die Leistung des 3,7-Liter-V6 steigt durch ein neues Motormapping und eine neue Auspuffanlage um moderate 13 PS und fünf Newtonmeter, womit wir nun bei 344 PS beziehungsweise 371 Newtonmeter wären. Die Dämpfer des Nismo sind vorne um 23 Prozent und hinten um 41 Prozent härter. Außerdem hat man die vorderen Federn um 14 Prozent steifer gemacht, den ganzen Bock zehn Millimeter tiefer gelegt und die Karosseriesteifigkeit um etwa 25 Prozent erhöht. Die – Entschuldigung, bitte – rattenscharfen Rays-19-Zoll-Felgen sparen knapp vier Kilo, es gibt spezielle Bridgestone-Potenza-Pneus und das angesprochene Bodykit aus Frontspoiler, Heckdiffusor und Riesen-Theke bringt tatsächlich mehr Abtrieb und somit mehr Stabilität. Sogar ein Schuss GT-R steckt im Nismo. Bremsleitungen und -Flüssigkeit hat Nissan vom allmächtigen großen Bruder entwendet.

Rauer, ungeschliffener Charme
So weit, so gut. Aber reicht das, um aus dem zweifelsfrei bulligen, teils etwas ungehobelten 370Z eine entfesselte Fahrmaschine zu machen, die an das Talent eines Porsche Cayman oder BMW 1er M Coupés heranreicht? Was nach ein paar Tagen Münchner Feierabendverkehr feststeht: Den ungeschliffenen, rauhbeinigen und komplett unadaptiven Charme des normalen 370Z pumpt einem auch der Nismo in die Blutbahn. Die Kupplung ist bleischwer und rauh, die kurze, knackige Sechsgang-Box (mit ihrer süchtigmachenden Zwischengas-Funktion) erfordert Nachdruck und das griffige Alcantara-Lenkrad will hart angepackt werden. Ein Oldschool-Sportler reinsten Wassers, der im Stau ganz schön nerven kann. Irgendwann kommt aber immer eine große Kreuzung und im Nismo reicht schon der erste Gang für einen ausladenden Heckschwenk. Seien Sie ehrlich, sie würden es auch tun.

Applaus beim Einkaufen
Der Nismo und ich kennen uns nun bereits ein paar Tage und inzwischen habe ich mich – hauptsächlich auf Autobahnen und in der City unterwegs – halbwegs an seine Macken gewöhnt. Ich war im Supermarkt und erhielt beim Einladen Applaus. Ich weiß aber nicht, ob es an unserer dramatischen Erscheinung lag, oder daran, dass ich drei Einkaufstüten plus einen Sixpack Wasser unfallfrei in den “Kofferraum” bekommen habe. Außerdem ist er so ziemlich das straffste Serien-Auto, das ich je gefahren habe und sein großer, fast wie ein Relikt wirkender V6 ist eine Sache für sich. Unten heraus geht gar nichts, sonderlich drehwillig ist er aber auch nicht. Das heißt, man muss den kurzen aber heftigen Kraftschwall zwischen knapp 4.000 und 6.000 Touren optimal nutzen, um das beste aus ihm herauszukitzeln. Nach immerhin 344 PS fühlt sich der schärfste 370er so in den seltensten Fällen an. Und irgendwie klingt er auch nicht. Aus Endrohren, in denen eine ganze Marderfamilie übernachten könnte, wünschte man sich wirklich etwas mehr ROOAARR.

Eine ehrliche Haut
Auch wenn es anders klingt, bin ich bisher in keinster Weise unzufrieden. Schließlich ist mein Z eine ehrliche Haut, wie man sie heute nur noch selten findet und ich denke, dass er einfach gigantisch aussieht (die Nachbars-Omi winkt mittlerweile täglich), aber die Nismo-Aura hat noch nicht auf mich übergegriffen. Man erwartet einfach etwas extrem Sehniges, Explosives und Leichtfüßiges und hier scheitert der Z noch ein bisschen.

Viel Potenzial, aber …
Insgeheim hoffe ich ja, dass er sich seinen Gala-Auftritt für meinen Wochenend-Ausflug ins umliegende Bergland aufgehoben hat. Und als die Anstiege härter und die Kurven enger werden, kann der Nismo endlich zeigen, was er dem Standard-370er voraus hat. Insgesamt wirkt er einfach abgeklärter und kontrollierbarer als seine leicht schwächeren und teilweise etwas unbeholfenen Geschwister. Obwohl er straffer ist, lässt er sich von schlechten Straßen nicht so leicht aus der Bahn werfen. Es gibt etwas mehr Untersteuern, aber Grip ist definitiv vorhanden und der Übergang ins Übersteuern ist weniger abrupt. Addiert man die hervorragende Lenkung, die tollen Bremsen, ein geniales Paar Sitze und sein allseits gut aufgelegtes Hinterteil, könnte der Nismo eine absolute Granate sein. Ich sage “könnte”, weil sein grummeliger Motor und das viel zu hohe Gewicht (er ist ein Sportcoupé und er wiegt 1.535 Kilo) zu viel des eigentlich so spaßigen Chassis kaputt machen.

Cayman S in weiter Ferne
Ich möchte trotzdem nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht: Der 370Z Nismo ist ein fabelhafter, hemdsärmeliger und sehr driftwilliger Sportwagen, von dem es ruhig ein paar mehr geben dürfte. Von der Leichtigkeit und Präzision eines Porsche Cayman S ist er allerdings meilenweit entfernt. Immerhin kostet er mit 44.900 Euro knappe 20 Riesen weniger als der Kollege aus Zuffenhausen. Und was besonders schön ist: Das einzige, worüber Sie bei der Bestellung grübeln müssen, ist, ob Sie ihren Nismo in weiß, silber oder schwarz wollen. Vollausstattung inklusive großem Navi und Rückfahrkamera ist Serie. Und dennoch muss ich ein wenig über den Preis meckern. Warum? Weil ein vergleichbar ausgestatteter Nicht-Nismo mehr als 6.000 Euro günstiger über den Tresen wandert.

Mehr Mut wäre gut
Nismo hat bei der Präsentation des 370Z Nismo oft von Erreichbarkeit gesprochen. Erreichbarkeit im Sinne von “Jeder kann ihn fahren” und “Jeder soll ihn sich leisten können”. Das hebt ihn aber kaum vom normalen 370Z ab. Vielleicht hat man beim nächsten Mal etwas mehr Mut und etwas weniger Kompromissbereitschaft. Beim Nissan GT-R Nismo hat es ja auch geklappt. Meine Woche mit dem weißen Flügelmann war nichtsdestotrotz eine außergewöhnliche. Und irgendwie vermisse ich die Nachbars-Omi. Bei unserem Dacia-Dauertester winkt sie nie.
(sw)

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