Jaguar D-Type und F-Type Project 7: Legenden im Vergleich

August 13, 2014

Dazwischen liegen 60 Jahre und 720 Kilogramm: Jaguar D-Type und der neue F-Type Project 7

Extrem flach: Der D-Type-Werksprototyp von 1954 ist nur 79 Zentimeter hoch

Rundliche Formen kennzeichnen den für Le Mans konstruierten D-Type

Mendig, 12. August 2014
Die Vergangenheit lebt. Und sie ist fit für die Zukunft. Das darf man bei Jaguar absolut wörtlich nehmen. 60 Jahre nach dem Debüt des D-Type soll der spezielle F-Type Project 7 an den Le-Mans-Sieger der 1950er erinnern. Wir konnten jetzt beide hautnah erleben. Und mittendrin Norman Dewis. Der mittlerweile 94-jährige legte als Cheftester über 400.000 Kilometer zurück. Und das sind nur die schnellen Abschnitte mit über 160 km/h und mehr. Kein Wunder, dass er viel zu erzählen hat: Allein seine Autobiographie “Norman Dewis of Jaguar” ist 575 Seiten dick.

Von C zu D
Dafür reicht der Platz hier natürlich nicht, deshalb beschränke ich mich auf die wichtigsten Fakten. Schon 1951 und 1953 hatte Jaguar mit dem C-Type beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans gewonnen. Doch angesichts der starken Konkurrenz von Ferrari und Mercedes musste ein neues Auto her. Intern als “XK 120C Mark IV” projektiert, entstand der D-Type. Die ersten sechs Modelle hatten einen an das Alu-Monocoque-Chassis geschweißten und ebenfalls aus Alu gefertigten vorderen Hilfsrahmen. Bei allen weiteren Modellen war der nun aus Stahl gefertigte Rahmen aus Wartungsgründen angeschraubt. Gleich nach der Fertigstellung im Mai 1954 ging es auf eigener Achse nach Le Mans, wo Norman den Rundenrekord um glatte fünf Sekunden verbesserte.

Triumph und Tragödie
Noch heute ist Norman von der Form des D-Type begeistert: “Er ist wie eine schöne Frau. Alle Rundungen sind an den richtigen Stellen”, rutscht es aus ihm heraus. Recht hat er, sieht man von der Heckflosse ab, die zur Erhöhung der Richtungsstabilität erstmals 1954 in Le Mans montiert wird. Dort wird Jaguar nur Zweiter, erst ein Jahr später beginnt die Siegesserie der Marke in Le Mans. Ein schicksalhaftes Rennen, nicht nur für Norman, der durch den Ausfall einiger Piloten zum Werksfahrer wird. An der Sarthe ist er schon mit dem neuen “Long-Nose” D-Type unterwegs, dessen um 19 Zentimeter längere Haube nicht nur dem späteren E-Type vorgreift, sondern die Aerodynamik entscheidend verbessert. Mit schier unglaublichen 310 km/h saugt sich Norman am Mercedes von Karl Kling vorbei, fällt aber später aus. Den schrecklichen Unfall von Mercedes-Pilot Levegh mit 84 Toten sieht er von der Box aus. So fällt auf den Sieg des Jaguar-Piloten Mike Hawthorn ein dunkler Schatten, aber Norman verteidigt den Triumph, schließlich habe die Rennleitung das Rennen nicht abgebrochen.

Hoher Wertzuwachs
Seine Qualitäten spielt der D-Type noch bis 1960 aus, in den Jahren 1956 und 1957 gewinnt Jaguar erneut in Le Mans. Die aktuellen Le-Mans-Renner von Audi und Co. dürften Norman wohl wie Luxuskarossen vorkommen. Im Gegensatz zu ihnen konnte aber jedermann einen D-Type kaufen, was indes nicht gerade ein Schnäppchen war: 3.663 Pfund kostete die Version mit Straßenzulassung, aus heutiger Sicht rund 107.000 Euro. Aber der Einsatz hätte sich gelohnt, jedes der 87 Fahrzeuge erzielt inzwischen bis zu fünf Millionen Euro.

Immer schön einfädeln
Wobei das nicht ganz richtig ist. Eine Ausführung ist noch viel mehr wert, nämlich der Werksprototyp mit dem Kennzeichen OVC 501. Genau dieser D-Type steht vor mir. Und ich soll ihn fahren. Nun gut, er hat bereits ein vollsynchronisiertes Viergang-Getriebe und Scheibenbremsen. Aber er ist mindestens zehn Millionen Euro wert, was meinen Ruhepuls nicht unbedingt senkt. Schließlich passt meine Brille nicht mehr unter den obligatorischen Helm. Aber mit starker Kurzsichtigkeit mal eben solch einen Schatz bewegen? Lieber nicht, weshalb ich mich auf den Beifahrersitz zwänge. Sagte ich Sitz? Hockloch trifft es schon besser. Schon der Einstieg erfordert Gelenkigkeit: Der 3,91 Meter lange Wagen ist nur 79 Zentimeter hoch. Gut so, denn eine Tür habe ich im Gegensatz zum Fahrer nicht. Also zunächst den rechten Fuß auf das Polster stellen, dann mit dem rechten Arm abstützen. Das aber bitte nur an einer ganz bestimmten Stelle, denn die Außenhaut ist verdammt dünn. Nun das linke Bein nachziehen (dabei möglichst nicht die Karosserie touchieren!) und irgendwie den restlichen Körper unterbringen. Sie finden, das klingt kompliziert? Der Ausstieg ist noch schlimmer.

Erfahrung fürs Leben
So hocke ich also mit angezogenen Beinen in meinem Loch, als der 3,4-Liter-Sechszylinder mit gut 253 PS angelassen wird. Sagenhaft laut gibt die Maschine ihre Lebenszeichen von sich, während es mir eher sagenhaft warm wird. Kein Wunder, befindet sich doch genau unter meinem Hinterteil die Abgasanlage. Los geht der wilde Ritt mit OVC 501, Erstzulassung 1. April 1954. Schnell zeigt sich, dass dieser D-Type mindestens so fit ist wie sein früherer Herr und Gebieter Norman. Überraschend flott kurvt der Wagen durch den aufgebauten Slalom, auf der Geraden geht die Post ab. Trotz Helm tobt sich der Wind ungeniert an mir aus, bei geschätzten 120 km/h muss ich mich anstrengen, den Kopf gerade zu halten. Selten war ich dankbarer über ein Visier. Aber endlich wird mir klar, was Walter Röhrl meinte: Beschleunigung ist, wenn die Tränen der Ergriffenheit waagerecht ablaufen. Wer es wissen will: rund sieben Sekunden auf 100 km/h. Durch meinen Schädel wabert ein Orkan an Eindrücken: Einzigartige ungefilterte Mechanik aus einer Zeit, als Motorsport noch spannend und gefährlich war! Rational denkende Zyniker würden sagen, man bräuchte keinen Sarg mehr, schließlich sitzt man schon drin. Nach zwei Runden werde ich ausgestiegen (das dünne Blech!). Verschwitzt und mit zittrigen Händen.

Maßvoller Purismus
Umso erholsamer dürfte die Mitfahrt im neuen Jaguar F-Type Project 7 sein. Hier muss ich Beifahrer sein, denn der zur Verfügung stehende Wagen ist noch eher Prototyp als Serienfahrzeug. Macht aber nichts, denn die wichtigsten optischen Unterschiede zum normalen F-Type sind schon an Bord. Am markantesten ist der Überrollbügel, dessen Verkleidung auf der Fahrerseite in Höcker-Form nach hinten abfällt. Dieses Detail erinnert an die Rückenflosse des D-Type. Was gibt es noch? Einige Aerodynamikteile aus Kohlefaser, Schalensitze innen und eine sportlichere Fahrwerksabstimmung. Dazu passt der auf 575 PS gesteigerte Kompressor-V8 mit fünf Liter Hubraum. Lange Rede, kurzer Sinn: Der bislang stärkste Serien-Jaguar (der XJ 220 hatte “nur” 542 PS) klingt nicht nur famos, er liegt auch wie ein Brett in den Kurven. Bei einer Beschleunigung von null auf 100 km/h in 3,9 Sekunden sollte jede Kopfbedeckung außer Helmen gut festgehalten werden, denn die Windschutzscheibe ist hier elf Zentimeter niedriger. Obwohl die Luft bei heruntergelassenen Seitenscheiben wie ein Orkan durchs Auto tobt, wird mir plötzlich warm ums Herz.

Pauls Projekt
Paul Bridges, der für den Project 7 verantwortliche Ingenieur, hat noch ein paar interessante Fakten parat. Für ihn ist der Wagen “die pure Essenz des F-Type”, noch schneller, verbindlicher und straffer. Das Gewicht sank um 80 Kilogramm, im Gegenzug gibt es 177 Prozent mehr Abtrieb. Und noch etwas macht Bridges klar: Der Project 7 ist kein Cabrio für den täglichen Gebrauch. Macht Sinn, schließlich ist nur ein Notverdeck vorgesehen, das maximal 200 km/h aushält. Die Zahl im Namen leitet sich übrigens von den bislang sieben Le-Mans-Gesamtsiegen von Jaguar her. Auf einer ganz anderen Strecke soll der F-Type Project 7 schon eine Duftmarke gesetzt haben. Auf der Nordschleife sei er schneller als das F-Type Coupé R gewesen, sagt Bridges. Die zu unterbietende Zeit: 7:39 Minuten. Ab Mitte 2015 werden die ersten Project 7 ausgeliefert. Nur 250 Exemplare umfasst die Kleinserie, 20 davon sind für Deutschland vorgesehen. Der Preis soll zwischen 150.000 und 170.000 Euro liegen. Wie viel ein Project 7 in 60 Jahren wert sein wird? Man darf gespannt sein.
(rh)

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