Wien, 26. September 2014
Wann haben Sie das letzte Mal einen Lexus gesehen? Eben. Und genau hier liegt bei der japanischen Nobelmarke das Problem: Ihre Modelle sind wenig prägnant und die Verkäufe mit 568 Fahrzeugen hierzulande im ersten Halbjahr 2014 auch nicht gerade berühmt. Doch nun will die weltweit durchaus erfolgreiche Marke (523.000 Fahrzeuge im Jahr 2013) die Karten neu mischen. Am Tisch der Mittelklasse-SUVs wie Audi Q5 und BMW X3 nimmt jetzt der Lexus NX Platz.
Genial oder grauenhaft?
Tatsächlich sticht der Lexus NX aus der Masse hervor: Extrem viele Kanten und Fugen verteilen sich über die 4,63 Meter lange Karosserie. Die kann man durchaus für überzeichnet halten. Aber die Optik gefällt mehr Leuten, als man denkt, besonders Frauen erwärmen sich für den “rasenden Kühlergrill”. Nebenbei: Auch die “Ente” oder den NSU Ro 80 fand bei deren Premiere nicht jeder schön. Über Design lässt sich vortrefflich streiten, eines steht zumindest fest: Endlich entwickelt Lexus seine eigene Formensprache, mit der die Autos im Gedächtnis haften bleiben. Oder können Sie spontan einen Lexus GS beschreiben? Das Ziel für den NX sind übrigens 600 Verkäufe im Jahr 2015, womit er dann in Deutschland der beliebteste Lexus wäre.
Raum trotz Design
Die Frage, die vermutlich nicht nur mich bewegt: Hat Lexus beim NX dem Transformers-Design mit Bügelfalte alles untergeordnet? Also zunächst die Heckklappe auf (das geht optional elektrisch) und nachgesehen. Auffallend ist die ziemlich hohe Ladekante. Insgesamt passen zwischen 555 und 1.600 Liter ins Heck hinein. Je nach Ausstattung klappen die hinteren Lehnen elektrisch um und lassen sich in der Neigung verstellen. Kurz der Vergleich mit dem Audi Q5: Hier sind es 540 bis 1.560 Liter. Ähnlich gut sind die Zustände im Fond des NX, auch großgewachsene Typen finden bequem Platz.
Licht und Schatten
Meine Sitzprobe endet auf dem Fahrerplatz. Er macht einen höheren Eindruck als bei den anderen Konkurrenten in dieser Klasse. Wirklich optimal sitzen Personen über 1,85 Meter hier aber nicht, zumal sich das Lenkrad nicht hoch genug einstellen lässt und man vom Mitteltunnel eingemauert wird. Das Cockpit selbst hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Zwar ist Lexus um Hochwertigkeit bemüht, wie diverse Lederapplikationen zeigen. Aber dann trübt harter Kunststoff in den Türen und auf der Mittelkonsole das Bild. Apropos Mittelkonsole: Lexus kann offenbar nicht von den Toyota-typischen Digitalziffern lassen, denn die Klimaautomatik glänzt im seltsamen 1980er-Jahre-Look. Aber das ist schon der einzige optische Ausrutscher, die restlichen Bedienelemente und das Acht-Zoll-Display wurden gut integriert. Was mir besonders gut gefällt: Endlich hat Lexus die unsägliche Joystick-Steuerung ausgemistet. Stattdessen bewege ich meine Finger über ein Touchpad mit guter Rückmeldung.
Mühsames Doppelherz
Und wer macht Meldung unter der Haube? Vorerst nur ein Hybridantrieb. Die Arbeit teilen sich hier ein 155 PS starker 2,5-Liter-Saugbenziner und je nach nach Front- oder Allradantrieb ein bis zwei Elektromotoren. Die Systemleistung liegt aber immer bei 197 PS. Und deren Tatendrang wird durch eine stufenlose CVT-Automatik gebremst. Sie agiert bei gemäßigter Fahrweise durchaus akzeptabel und zurückhaltend. Doch beim Durchtreten des Gaspedals heult der Motor auf, jagt hart an die Drehzahlgrenze, ehe sich die 210 Newtonmeter maximales Drehmoment zur Arbeit versammeln. Ein genauer Blick ins Datenblatt bestätigt den zahnlosen Eindruck: Die doch recht mageren 210 Newtonmeter müssen über 1,7 Tonnen bewegen, schon bei 180 km/h ist das Ende der Fahnenstange erreicht (kein Witz!). Immerhin: Anfang 2015 soll ein neu entwickelter Zweiliter-Turbobenziner nachgereicht werden.
Probiers mal mit Gemütlichkeit
Zur Ehrenrettung des Hybrid-NX sei gesagt, dass er eine andere Fahrweise einfordert. Wer auf die Autobahn abbiegt und das Gaspedal für die nächsten 400 Kilometer ans Bodenblech nagelt, der sollte einen Diesel deutscher Herkunft ins Auge fassen. Im Lexus NX 300h ist eine entspannte und vorausschauende Fahrweise Pflicht: Weil der Antrieb schnell an Tempo verliert, sobald das Gaspedeal gelupft wird, muss man Schwung mitnehmen. Dennoch wirkt der Wagen an Steigungen angestrengt. Der Verbrauch hingegen ist aller Ehren wert: Acht Liter sind zwar auch möglich, aber wir erreichten auf unserer Überlandfahrt gute 6,5 Liter.
Sport aus der Konserve
Was gibt es noch zu vermerken? Das serienmäßige adaptive Fahrwerk weist eine straffe Note auf, ist aber um viel Restkomfort bemüht. Diese Straffheit spürt der Beifahrer übrigens mehr als der Fahrer. Sehr empfehlenswert ist das Head-up-Display, welches unter anderem Navigationshinweise ideal ins Blickfeld rückt. Leider ist es nur für die Topausstattungen erhältlich und kostet mächtige 2.200 Euro, weil ein Fernlicht- und Spurhalte-Assistent im Paket inklusive sind. So befremdlich wie die Lexus-Aufpreispolitik ist der Sound im F-Sport-Modell des NX. Je nach Modus quillt aus den Lautsprechern ein künstlich erzeugter Klang, der mich an alte Formel-1-Spiele auf dem Game Boy erinnert. Sofern sie nicht total scharf auf die Monstergrill-Optik des F-Sport sind, muss diese Variante nicht sein.
Preis auf Augenhöhe
Kann der Lexus NX 300h beim Preis die Konkurrenz schocken? Vergleichen Sie selbst: Los geht es bei 39.800 Euro für die namenlose Basisversion mit Frontantrieb, mit Allrad werden 1.700 Euro mehr aufgerufen. Inklusive sind 17-Zoll-Alus, eine Klimaautomatik und auch eine Rückfahrkamera. Zum Vergleich: Audi möchte für den 2.0 TFSI quattro mit 180 PS 38.900 Euro haben, der 184 PS starke BMW sDrive20i ohne Allrad steht für 39.200 Euro in der Liste.
(rh)
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