Haar, 10. Oktober 2014
Als der dreitürige Peugeot 108 TOP! Allure VTi 68 Stopp & Start – ein ausgesprochen langer Name für ein so kleines Auto – in der Redaktion ankam, gab es ausnahmsweise keine Streitgespräche darüber, wer ihn denn jetzt als Erster fahren dürfe. Der kleine Franzose wurde als “schwarzer Peter” munter von Redakteur zu Redakteur weitergeschoben, und zwar bis, ja bis er bei mir ankam.
Eine Liebesbeziehung entsteht
Zugegeben: Liebe auf den ersten Blick stelle ich mir auch anders vor und als männlicher Fahrzeugkäufer im fortgeschrittenen jugendlichen Alter zähle ich mich ohnehin zu einer anderen Automobilen-Zielgruppe, aber was soll`s, ein automobiles Erzeugnis ist er ja der Peugeot 108 – was kann da schon schiefgehen? Und dann, zwei Wochen und mehr als 1.500 Kilometer später muss ich feststellen, dass sich der kleine runde Mistkerl heimtückisch in mein Tester-Herz gefahren hat. Liebe kann manchmal so schrecklich kompliziert sein und der 108 hat viele Variablen, die eine Liebesbeziehung nicht gerade einfach gestalten.
Erst die Optik, dann der Charakter
Er sieht schnittig aus, der trendbewusste Franzose. Das geschwungene LED-Tagfahrlicht unterstreicht die fast sportlich anmutende Front. Hinten sieht das Ganze etwas anders aus: Die Glasheckklappe und die großen Rückleuchten gefallen zwar, der angedeutete Diffusor wirkt an dem sonst sehr pummeligen Heck aber etwas deplatziert. Die zwei großen und ausladenden Türen lassen einen ersten Blick auf die inneren Werte zu: Deshalb Platz nehmen, Charaktercheck!
Das erste Date
Die Vordersitze mit integriertem Kopfteil sehen sportlich aus und sind dementsprechend straff ausgelegt. Seitenhalt darf man bei der Kleinstwagenbestuhlung aber nicht erwarten. Gerade in der Stadt könnte man bei den vielen kurvenreichen Fahr- und Abbiegemanövern etwas mehr Unterstützung gebrauchen. Das Interieur erinnert an das Konzept Studentenwohnheim: Verspielt, knallig bunt, trendy und alles scheint irgendwie abwaschbar und aus einem Guss zu sein. Nichtsdestotrotz ist der gesamte Innenraum gut verarbeitet. Das Lederlenkrad versprüht einen Hauch von Luxus und auch der im Allure serienmäßige Sieben-Zoll-Touchscreen gefällt, lässt sich leicht bedienen und holt über die passenden Smartphone-Apps sogar ein Navigationssystem in den 108. Anstatt den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, bleibt er dank Keyless-Go (optional für Allure) in der Tasche und ich drück den Startknopf.
Frisch verliebt durch die Stadt
Im Motorraum gibt es keine großen Veränderungen zum Vorgänger. Der Einliter-Benziner leistet 69 PS und 95 Newtonmeter maximales Drehmoment. Er stammt von Toyota und versetzt den 108 durch seinen holprigen Dreizylinder-Leerlauf in ganz leichte Schwingungen. Das kernige Motörchen reicht aus, um den rund 950 Kilogramm schweren Peugeot in 14,6 Sekunden auf Landstraßentempo zu beschleunigen und lässt mich so gut im Stadtverkehr mitschwimmen. Die Pedalerie und die Servolenkung (Serie ab der Ausstattungslinie Active) arbeiten leichtgängig und lassen mich den Kleinen flink durch dichten Verkehr steuern.
Die erste Krise auf der Autobahn
Es geht raus aus der städtischen Komfortzone und auf die Autobahn. Ob sich mit meinem neuen 3,48 Meter langen, 1,62 Meter breiten und 1,46 Meter hohen Freund nicht nur der potenzielle Weg zur Uni zurücklegen lässt? Auf einmal fühle ich mich um ein Jahrzehnt, zu meinen ersten Gehversuchen auf deutschen Autobahnen, zurückversetzt. Überholmanöver müssen mit dem Großstadt-Löwen präzise auf den folgenden Verkehr abgestimmt werden. Für eine entspannte Autobahnfahrt in Deutschland bin ich plötzlich maßlos untermotorisiert, dazu wird es laut, jede kleine Windböe lässt den 108 schwanken und die Hände am Lenkrad immer nasser werden. Die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreicht man nur mit Geduld, aber man erreicht sie. Was passiert, wenn alle Sitzplätze besetzt sind und dazu der 180 Liter fassende Kofferraum gefüllt ist, möchte ich mir aber erst gar nicht ausmalen.
Unterm Strich kommen wir gut an
Unterm Strich komme ich mit dem 108 aber gut voran und vor allem günstig ans Ziel. Der Bordcomputer berechnete mir ein Verbrauchsmittel von 5,5 Liter auf 100 Kilometer. Der selbst errechnete Wert lag nur 0,17 Liter darüber. Damit belastete der Peugeot auf meinem 1.684 Kilometer langen Reiseweg das Benzinkonto alle 100 Kilometer mit 8,71 Euro. Positiv, denn mehr als 1.000 Kilometer davon wurden auf Kleinstwagen-feindlichem-Gebiet heruntergespult.
Die Damenwelt ist erfreut
Aber damit nicht genug mit dem “gut ankommen”: Zahlreiche Zurufe aus der Damenwelt dringen durch das große Faltdach ins Fahrzeuginnere. “Oh, ist der aber süß” und “tolles Auto, den hätte ich auch gerne!” schallen durch das im TOP! Allure serienmäßige Highlight. Nur an einer Tankstelle schleicht mein Zapfsäulen-Nachbar und Audi-Q7-Fahrer witzelnd um die kleine Knutschkugel: “Darf so etwas überhaupt auf die Autobahn? Der würde ja auch in meinen Kofferraum passen.” Aber da stehe ich locker drüber, denn eins ist sicher: Ich fahre mit dem 108 den größeren Frauenmagnet.
Eine feste Bindung?
Ich frage mich, ob unsere Beziehung auf lange Sicht eine Zukunft hat oder es doch nur bei einem kurzen Urlaubsflirt in Frankreich bleibt? Tja, wenn das so einfach wäre. Mein Herz sagt ja, der Kopf sagt Nein. Der Peugeot 108 TOP! Allure VTi 68 Stopp & Start ist ein toller, schnittiger und schicker Kleinstwagen mit Lifestyle-Allüren für die Großstadt. Für lange Strecken ist der Kleine aber zu unkomfortabel im Innenraum, zu schwach auf der Brust und zu schwammig in der Lenkung. Die Konkurrenten Renault Twingo, Smart Forfour oder Hyundai i10 machen das aber auch nicht besser. Lediglich der VW Up sticht etwas – wenn auch emotionslos – heraus. Es bleibt also eine Kopf-Herz-Entscheidung, denn auch mit einem Testwagen-Grundpreis von 14.250 Euro rangiert der 108 im Mittelfeld. Ich für meinen Teil mache einfach das Faltdach auf, lass die Sonne rein und stell mir vor, ich würde in Frankreich sein. Dann will man ihn nicht mehr hergeben, den Schwarzen Peter, auch wenn man damit nicht überall zum Gewinner wird.
(ml)
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