Ingolstadt, 14. Oktober 2014
Woran denken Sie beim Thema “autonom fahrende Autos”? An dahinschleichende Prototypen mit riesigen Gerätschaften auf dem Dach? An große Lastwagen oder das putzige Google-Auto? Mit solchen Klischees will Audi nun radikal aufräumen. Im Rahmen des DTM-Saisonfinales in Hockenheim soll ein spezieller RS7 am 17. und 19. Oktober für eine flotte Runde über die Strecke jagen. Mit Vollgas, aber ohne Fahrer.
Funk und Fernsehen
Der 560 PS starke RS7 “piloted driving concept” ist Audi zufolge ein Technikträger, entspricht aber weitgehend dem Serienstand. Automatisiert angesteuert werden die elektromechanische Servolenkung, die Bremsen, die Drosselklappe und die Achtgang-Automatik. Zur Orientierung auf der Piste nutzt der Wagen speziell korrigierte GPS-Signale. Diese so genannten Differenzial-GPS-Daten werden per WLAN nach dem Automotive-Standard und zusätzlich per Hochfrequenzfunk ins Auto übertragen. Parallel werden in Echtzeit 3D-Kamerabilder mit onboard-hinterlegten Bildinformationen abgeglichen.
Flott unterwegs
Nun ist man geneigt zu sagen, dass auf einem festgelegten Streckenprofil wie dem des Kurses in Hockenheim das autonome Fahren keine große Kunst ist. Aber der besondere Audi RS7 soll eine saubere Rennlinie fahren, inklusive Vollgas auf der Geraden, präzisem Einlenken in die Kurven und richtigem Gaseinsatz am Kurvenausgang. Beim Abbremsen sollen die Kräfte bei 1,3 g liegen, in den Kurven beträgt die Querbeschleunigung bis zu 1,1 g. Erwartet wird eine Spitze von 240 km/h und eine Rundenzeit von 2:10 Minuten. Zum Vergleich: Der DTM-Rekord für die knapp 4,6 Kilometer liegt bei 1:34 Minuten.
Ein wenig autonom
Werden also in Zukunft Autorennen ohne Fahrer stattfinden? Soweit geht selbst Audi nicht, der autonome RS7 soll lediglich alle Systeme am physikalischen Limit testen. In der Serie werden beispielsweise automatische Ausweichfunktionen in kritischen Fahrsituationen entwickelt. Bereits im Angebot ist bei vielen Herstellern ein “Staupilot”, der zwischen null und 60 km/h das Auto lenkt, beschleunigt und verzögert. Natürlich ist Audi nicht der einzige Hersteller, der mit selbstfahrenden Autos experimentiert. So hatte Mercedes bereits im September 2013 eine S-Klasse ohne Fahrer von Mannheim nach Pforzheim geschickt. Erst einige Wochen alt ist die Mercedes-Studie eines autonomen Trucks, die auf der A14 bei Magdeburg getestet wird.
Google greift an
Für Furore sorgte das Google-Auto, eine kleine Fahrkabine mit Start-/Stopp-Knopf und Navi-Bildschirm, aber ohne Lenkrad und Pedale. Mit etwa 100 der maximal 40 km/h schnellen Kabinen will der Internet-Riese die Mobilität im Berufsverkehr erproben. Videokameras, Lasertechnik und Radarsensoren helfen dabei. Japanische Hersteller wie Toyota setzen in diesem Bereich auf die Car-to-Car-Technik, also die Verständigung der Autos untereinander. Und wozu der ganze Aufwand? Langfristig verfolgen die Hersteller zwei große Ziele: Zum einen entspannteres Fahren in Ballungsräumen (etwa Großstädte in China oder Megacities in der ganzen Welt) und Entlastung des Piloten (Stichwort Lastwagen). Zum anderen die Senkung der Zahl der Unfalltoten durch Ausschaltung der Schwachstelle Mensch.
Fragen über Fragen
Genau das hat auch Bundesverkehrsminister Dobrindt im Sinn. Bis 2021 soll die Anzahl der Verkehrstoten um 40 Prozent reduziert werden. Zuvor hat das Ministerium einen Runden Tisch mit allen Beteiligten eingerichtet. Schließlich müssen viele Fragen geklärt werden, etwa die bislang in der “Wiener Konvention” von 1968 festgeschriebene Rechtslage, die jedoch schwammig formuliert ist: “ein Fahrer muss immer und in jeder Situation die Kontrolle über sein Fahrzeug haben”. Oder die Überlegung, wer bei einem Unfall ohne Fahrer haftet. Und wem gehören die technisch notwendigen Daten eigentlich? Bis Ende des Jahres 2014 werden erste Ergebnisse erwartet.
(rh)
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