Malaga (Spanien), 20. Oktober 2014
Friedrich Schiller hat es schon 1799 gewusst: “Spät kommt Ihr – aber Ihr kommt!” schrieb er in seinem “Wallenstein”. Genau den gleichen Satz werden wohl nicht wenige Ford-Händler ausrufen, die sehnsüchtig auf den neuen Mondeo gewartet haben. Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, bis der Wagen, den es als Fusion schon seit 2012 in den USA gibt, endlich zu uns rollt. Exakt zeitgleich haben sich jetzt allerdings die VW-Passat-Truppen neu formiert. Hat General Mondeo dagegen eine Chance?
In der Warteschleife
Apropos Chance: Schon vor einem Jahr hätte der neue Mondeo bei uns auf den Markt kommen können. Aber Ford holte vorher den eisernen Besen heraus: Schließung des bisherigen Mondeo-Werks im belgischen Genk und Verlagerung der Produktion nach Valencia in Spanien. Daher werden die ersten Fahrzeuge erst im November 2014 ausgeliefert, offizieller Marktstart ist im Februar 2015.
Heiße Formen
Bezüglich der Fahrzeugoptik hat sich das Warten gelohnt. Während der neue Mondeo am Heck seinen Vorgänger zitiert, beeindruckt besonders die scharf geschnittene Frontpartie. Die Kombination aus Sicken in der Motorhaube, schmalen Scheinwerfern (optional mit LED-Technik) und dem verchromten Grill ist absolut gelungen. Ein wesentlich spannenderes Design als beim biederen VW Passat, ohne es modisch zu übertreiben. Wenn wir schon beim ewigen Rivalen sind: Der Mondeo ist deutlich länger als der Passat. Zehn Zentimeter Unterschied sind es, auf 4,87 Meter kommt der Ford. Zum Trost gibt es immerhin auch sechs Zentimeter mehr Radstand.
Viel, aber nicht üppig
Ein gutes Stichwort, um sich den inneren Werten des neuen Mondeo zu widmen. Für die erste Testrunde schnappe ich mir den Ford-üblich “Turnier” genannten Kombi. Das macht Sinn, denn der Kombianteil beträgt in Deutschland beim Mondeo 80 Prozent. Auch deswegen wurde der Turnier speziell für hiesige Gefilde entwickelt. Hinter der elektrisch öffnenden Heckklappe (470 Euro Aufpreis) befinden sich je nach Art des Reserverads zwischen 525 und 1.630 Liter Gepäckvolumen. Ein ordentlicher Wert, aber der kantigere VW Passat Variant schluckt mit 650 bis 1.780 Liter deutlich mehr. Zwar punktet der Mondeo mit einer niedrigen Ladekante, aber es fehlen die inzwischen üblichen Hebel im Kofferraum zum Umklappen der hinteren Lehnen. Und noch etwas vermisse ich: Der clevere Türkantenschutz des Focus ist beim Mondeo nicht für Geld und gute Worte zu bekommen. Dafür aber eine Sache, die bislang nur die S-Klasse von Mercedes bieten kann: Gurtairbags hinten zur Entlastung des Brustkorbs. Kostenpunkt: 300 Euro.
Bedienung mit Schwächen
Platzangst kommt sowohl im Fond wie auch auf den vorderen Möbeln nicht auf. Hier zeigen sich die Vorteile der üppigen Abmessungen des Mondeo. Im Cockpit wurde aufgeräumt, allerdings nicht ganz so durchdacht wie beim gelifteten Focus. Am Lenkrad wuchern unzählige Tasten, etwa für die automatische Abstandsregelung. Obwohl viele Funktionen in den 20,3 Zentimeter großen Touchscreen verlagert wurden, befindet sich in der wenig hochwertig anmutenden Mittelkonsole eine ganze Legion von Knöpfen. Klar, das macht die Konkurrenz auch so. Aber im Mondeo sind die Knöpfe alle gleich groß und gleich rund. So muss ich oft zweimal hinschauen, um richtig zu tippen. Und obwohl ich beileibe kein Oberflächen-Erotiker bin, wirkt der labbrige Plastik-Deckel des Handschuhfachs wie vom Fiesta ausgeliehen.
Den Zahn gezogen
Zum Glück gilt das nicht für die Motoren. Neu ist neben einem Hybrid mit 177 Gesamt-PS (sogar laut Ford ein Nischenmodell) ein vom Focus bekannter Dreizylinder-Turbobenziner mit 125 PS, der 2015 kommt. An der Spitze rangiert künftig ein Zweiliter-Biturbo-Diesel mit 210 PS (auch ab 2015) als Fehdehandschuh an den neuen VW Passat. Bei meiner ersten Mondeo-Runde arbeitet der 1,5-Liter-Ecoboost-Benziner mit 160 PS unter der Haube. Gut, das vorher zu wissen, denn während des Fahrens spürt man bei niedrigen Drehzahlen von der Leistung herzlich wenig. Unterhalb von 2.500 Touren schmiert der Motor besonders am Berg regelrecht ab. Um die 240 Newtonmeter maximales Drehmoment herauszukitzeln, haben der Gasfuß und die Hand am kurz geführten Schaltknüppel des gut abgestuften Getriebes ordentlich zu tun. Nur ein kleiner Trost ist da die Laufruhe des Aggregats.
Diesel ist Trumpf
Aber die Benziner spielen beim Mondeo, der seinen Kunden mehrheitlich als Dienstwagen gehört, sowieso nur eine untergeordnete Rolle. Ford-Marketingchef Wolfgang Kopplin rechnet für die Zukunft mit einem Dieselanteil von 83 Prozent. Wieso es zu solch einer fast kommunistischen Mehrheit kommt, wird beim Umstieg in den Selbstzünder mit zwei Liter Hubraum und 180 PS klar. Geschmeidig zieht der Mondeo aus dem Stand heraus hoch, 340 Newtonmeter ermöglichen ein schaltfaules Fahren. Beispiel gefällig? Bei 100 km/h liegen im sechsten Gang entspannte 1.700 Touren an, bei denen sich die Maschine akustisch zurückhält. Von Flüstern zu sprechen, wäre übertrieben, aber es gibt Diesel aus dem VW-Konzern, die deutlich präsenter nageln. Wer übrigens nicht selbst schalten möchte, bekommt für 2.000 Euro Aufpreis ein Doppelkupplungsgetriebe.
Aktiv statt passiv
Wie bei Ford fast schon üblich, beeindruckt die Kombination von Fahrwerk und Lenkung. Trotz der beim Testwagen verbauten 18-Zöller rollt der Mondeo nicht zu straff ab und reagiert präzise auf die Befehle des Steuermanns. Anders als seine kleineren Modellkollegen ist Fords Mittelklasse aber kein extrem ausgeprägter Kurvenkratzer. Recht früh teilen die Reifen lautstark mit, wann man es gut sein lassen sollte. Kein Wunder, ist doch der Mondeo nicht nur ziemlich lang, sondern trotz Leichtbaumaßnahmen wie Magnesium am Heck auch 1,6 Tonnen schwer.
Faire Abrechnung
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, heißt es bei “Wallenstein”. Stimmt: Abgerechnet wird zum Schluss respektive in der Preisliste. Hier starten die Preise vorerst bei 27.150 Euro für den 160-PS-Benziner mit geräumigen Fließheck in der Trend-Ausstattung. Erst 2015 wird noch eine abgespeckte Einrichtung namens Ambiente dazukommen, am anderen Ende der Fahnenstange rangiert dann der luxuriöse Mondeo Vignale. Schon beim “Trend” ist vieles inklusive, darunter eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik. Deutlich mehr Kunden greifen Ford zufolge aber zum “Titanium”. Mit Recht, denn hier sind unter anderem der Touchscreen, ein Spurhalte-Assistent, die beheizbare Frontscheibe, ein Tempomat und eine Verkehrszeichen-Erkennung sowie 17-Zoll-Alus im Preis inbegriffen. Für den Kombi mit 180-PS-Diesel werden 35.450 Euro aufgerufen. Hinsichtlich der Extras hat Ford durchdachte Pakete geschnürt, etwa das empfehlenswerte “Business-Paket II” mit Navigation, Rückfahrkamera und Einpark-Assistent für 1.650 Euro Aufpreis. Macht unter dem Strich 37.100 Euro. Und der Dauerrivale VW Passat? Als Variant mit 150-PS-Diesel und vergleichbarer Ausstattung liegt er bei knapp 38.000 Euro.
(rh)
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