Barcelona (Spanien), 5. November 2014
Beim Gasgeben spannen wir die Nackenmuskulatur an, um unseren Körper auf die Beschleunigung vorzubereiten: Was nach Yoga mit einer Prise Esoterik klingt, ist in Wirklichkeit ein knallhartes Forschungsergebnis der Mazda-Ingenieure: Wenn ein Fahrer Gas gibt, spannt er instinktiv die Muskulatur an. Um den Vorgang nicht zu stören, sorgen die Techniker beim neuen Mazda 2 für 0,2 bis 0,3 Sekunden Verzögerung beim Ansprechen des Pedals. Was bei uns eher Kopfschütteln auslöst, ist für die Japaner offenbar äußerst wichtig. Denn nur, wenn man solche Details beachtet, wird Jinba ittai möglich: Ross und Reiter oder Fahrer und Fahrzeug verschmelzen zu einer Einheit. Bei mir, das sei gleich anfangs gestanden, ist die mystische Erfahrung ausgeblieben. Was das Auto sonst taugt, klärt dieser Test.
Exakte Konkurrenzbeobachtung
Zuerst die ganz unmystisch-harten Fakten: Die dritte Generation des Kleinwagens von Mazda ist mit 4,06 Meter fast exakt genauso lang wie ein VW Polo. Die Optik ähnelt vor allem dem Mazda 3. Die Designsprache, die auch schon für den CX-5, den 6 und den 3 galt, heißt Kodo. Damit sieht der stets fünftürige Kleine richtig schick aus: nicht so kühl und nüchtern wie der Polo, sondern gerade in Rot ziemlich sportlich. Hinter die Gestaltung kann man jedenfalls getrost ein Häkchen setzen – sehr gelungen.
Innen so schick wie außen
Auch der Innenraum sieht gut aus, wie ich nach dem Einsteigen feststelle. Während Mazda-Fahrzeuge innen bisher oft ziemlich düster waren, besitzt mein Testfahrzeug eine Leiste aus weißem Leder am Armaturenbrett. Auch eine gewisse Individualisierung ist möglich. So soll es in Deutschland zum Marktstart Ende Februar 2015 eine Red Edition geben, die unter anderem mit roten Luftausströmern glänzt. Auch geben die Sitze vernünftigen Seitenhalt. Die Bedienung gibt keine Rätsel auf, allerdings ließ sich die Verarbeitung anhand des getesteten Vorserien-Modells noch nicht beurteilen: Im Testwagen wackelte die Bedieneinheit in der Mittelkonsole, der rechte Scheibenwischer fiel nach einer Stunde Fahrt völlig aus, und auch das Start-Stopp-System wollte bald nicht mehr.
Navi mit ungewöhnlichem Bedienkonzept
Das Navi aber arbeitet problemlos. Es handelt sich um ein Einbaugerät, das auch ohne Handy funktioniert. Verbindet man zusätzlich noch das iPhone oder den Androiden mit dem System, stehen Zusatzfunktionen bereit. So kann man zum Beispiel die im Telefon gespeicherten Kontakt-Adressen anfahren. Ungewöhnlich an dem Navi ist das duale Bedienkonzept: Im Stand fungiert das Sieben-Zoll-Display als Touchscreen, während der Fahrt ist nur die Bedienung mittels Controller-Knopf möglich – das soll die Ablenkung verringern.
Fehlender Turbo
Der Motor wird im Mazda 2 stets per Knopf gestartet. Man hat die Wahl zwischen einem 1,5-Liter-Benziner in den Leistungsstufen 75, 90 und 115 PS sowie einem 1,6-Liter-Diesel mit 105 PS. Der getestete Topbenziner reißt nicht zu Begeisterungsstürmen hin. Vor allem fehlt es ihm an Druck von unten: Bei 2.000 Touren darf man noch kein Temperament erwarten. Das maximale Drehmoment steht erst bei 4.000 Touren bereit und beträgt auch dann nur 148 Newtonmeter. Zum Vergleich: Der VW Polo 1.2 TSI mit 110 PS bietet 175 Newtonmeter ab 1.500 Touren. Das dürfte so manchen stören, der an Turbobenziner gewöhnt ist, man muss hier zumindest umlernen und die Gänge höher ausdrehen. Dann bleibt auch der Vortrieb nicht aus: Tempo 100 erreicht der kleine Mazda nach 8,7 Sekunden, der Polo braucht eine halbe Sekunde länger.
Eher niedriger Verbrauch
Selbst bei den benötigten, höheren Drehzahlen bleibt es im Mazda 2 angenehm leise. Das Aggregat verbraucht auch wegen der hochtourigen Gangart nicht mehr, eher im Gegenteil: Der Bordcomputer meldete nach der Testfahrt einen Wert von 6,2 Liter je 100 Kilometer. Der Aufschlag gegenüber dem Normverbrauch von 4,9 Liter ist damit moderat. Beim Spritsparen helfen dem Mazda 2 die serienmäßige Start-Stopp-Automatik und dem Topmodell zusätzlich eine Bremsenergie-Rückgewinnung auf Kondensator-Basis. Vor allem aber soll die Skyactiv-Technik einen Vorteil bei den realen Verbräuchen ergeben: Während alle Welt auf Downsizing setzt und kleine Hubräume mit Turboaufladung kombiniert, setzen die Mazda-Ingenieure auf Saugmotoren mit großen Hubräumen und ungewöhnlichen Verdichtungszahlen – beim Benziner hohe Verdichtung, beim Diesel niedrige.
Gute Lenkung, aber unpraktischer Kofferraum
Das Fahrwerk des Mazda 2 ist im besten Sinne unauffällig: Es stört weder durch übertriebene Härte noch durch Wankneigung. Die Lenkung fällt sogar positiv auf, und auch die Sechsgang-Schaltung gibt mit kurzen Schaltwegen ein gutes Bild ab. Dieses trübt sich, als ich mich in den Fond setze: Hier geht es eher beengt zu, vor allem was die Kniefreiheit angeht – angesichts des zehn Zentimeter größeren Radstands gegenüber dem Polo verblüfft das. Ebenfalls nachteilig ist der unpraktische Kofferraum: Die Ladekante liegt sehr hoch, und der Kofferraum wirkt wie ein tiefes, enges Loch. Die Öffnung ist schmal geschnitten und beim Ausladen stört eine sage und schreibe 25 Zentimeter hohe Schwelle. Beim Umklappen der Rücksitze – in der Grundversion geht das nur ungeteilt – entsteht auch kein ebener Laderaum. Dass es besser geht, zeigt der VW Polo mit seinem Einlegeboden. Das Kofferraumvolumen des Mazda 2 ist allerdings mit 280 bis 950 Liter fast identisch mit dem des Wolfsburger Konkurrenten.
Gute Basisausstattung
Schon die Mazda-2-Grundausstattung Prime-Line ist recht umfassend. Die fehlende Klimaanlage lässt sich nachrüsten, kostet aber saftige 1.000 Euro. Die Basisausstattung lässt sich allerdings nur beim 75-PS-Modell verwirklichen, das damit 12.790 Euro kostet. Zum Vergleich: Ein vergleichbarer Kia Rio kostet einen runden Tausender weniger, ein Polo aber fast 1.500 Euro mehr. Den gefahrenen Skyactiv-G 115 gibt es ausschließlich in der üppigen Topausstattung Sports-Line und kostet dann 18.790 Euro. Die beliebteste Ausstattung soll übrigens die Exclusive-Line sein – das verwundert, denn mir wäre bei einem Kleinwagen schon die Grundausstattung Prime-Line plus Klimaanlage genug. Egal, welche Version nun der Bestseller wird: Vom neuen 2 will Mazda in Deutschland über 11.000 Stück verkaufen, das wären locker doppelt so viele, wie 2013 vom aktuellen Modell weggingen.
(sl)
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