Malaga (Spanien), 20. November 2014
Das “Mandarin Orange Metallic” aus der Preisliste entpuppt sich als ziemlich unauffälliges Hellbraun, die “modernen Farbblöcke” im Innenraum sind in eher gedeckten Tönen gehalten, und zu den angebotenen “Ausstattungselementen oberer Klassen” zählen Dinge wie ein Schiebedach, Lenkradheizung und ein Spurverlassenswarner: Wie immer muss man von der Rhetorik der Presseabteilungen auch beim neuen Hyundai i20 mindestens die Hälfte abziehen, um bei der Realität zu landen. Mit der im Dezember 2014 startenden, zweiten Generation des i20 will Hyundai an der “Emotionalisierung” der Marke arbeiten. Wie emotional, dynamisch und aufregend sich der VW-Polo-Konkurrent fährt, haben wir bei unserem Test herausgefunden.
Außen und innen groß
“Das Kleinwagensegment ist natürlich ein sehr rationales Segment”, gibt Hyundai-Europa-Produktmanager Christian Löer zu – das heißt, hier zählen Preis und Nutzwert viel, Image wenig. Dennoch ist Design auch im B-Segment ein wichtiger Kaufgrund. Deshalb hat sich die Optik beim neuen i20 deutlich verändert, und das zum Guten. Der Grill und die Scheinwerfer mögen manchem etwas zu groß geraten sein, doch im Großen und Ganzen hat der Konzerndesigner Peter Schreyer die Gestaltungsaufgabe gut gelöst. Mit 4,04 Meter ist das Auto sieben Zentimeter länger als der Klassenbestseller Polo, der – für den Innenraum entscheidende – Radstand ist sogar zehn Zentimeter länger. So bietet der Hyundai innen viel Platz für diese Klasse: 326 bis 1.042 Liter Kofferraum sind spürbar mehr, als ein Polo bietet. Nach dem Umklappen der Rücksitze ergibt sich eine fast ebene und vor allem stufenlose Ladefläche. Da lassen sich die etwas hohe Ladekante und der etwa acht Zentimeter hohe Kofferraumrand verschmerzen. Auch im Fond ist viel Platz, vor allem vor den Knien bleibt mehr Raum als in Kleinwagen üblich. Ach ja, und fünf Türen sind Serie – auch nicht selbstverständlich.
Schickes Cockpit
In puncto Nutzwert darf man Hyundai also ebenfalls ein Kompliment machen, ohne zu erröten. Und gleich noch eines obendrauf: Das Cockpit sieht sehr gut aus, die Materialien befriedigen durchgehend. Ab der gehobenen Ausstattung Trend kann man das serienmäßige “Comfort Gray” – kein Grau, sondern ein Schwarz – aufpreislos gegen Braun, Beige oder Graublau austauschen: Adieu Tristesse. Auch die Smartphone-Integration gefällt: iPhones und Samsung-Galaxy-Handys kann man in eine optionale, Strom führende Halterung auf dem Armaturenbrett einklipsen und mittels der meist ohnehin installierten App zur Navigation nutzen. So einfach kann das sein. Gut, die Displaygröße und die Sprachqualität der Abbiegeanweisungen sind je nach Handy mehr oder weniger bescheiden, aber es funktioniert und ist nicht teuer. Wermutstropfen: Die Halterung gibt es wiederum erst ab der gehobenen Ausstattung Trend. Das Gleiche gilt auch für das schöne, große Glasschiebedach. Es ist außerdem nur im Paket verfügbar und kostet dann volle 2.000 Euro. Auch die Hightech-Elemente – es gibt deutlich weniger als beim Polo, oder gar beim neuen Mazda 2 – sind meist nur für die höheren Versionen verfügbar.
100 PS, die man nicht spürt
Damit aber genug von den Wohnzimmerqualitäten des i20, kommen wir zur Schlüsselqualifikation: Wie fährt sich der Kleine? Für den Antrieb werden zwei 1,2-Liter-Saugbenziner mit 75 und 84 PS angeboten, zwischen dessen Leistungsstufen nur neun PS liegen. Darüber hinaus werden ein 100-PS-Sauger und zwei Diesel mit 75 oder 90 PS offeriert. Wir wählten den neu entwickelten 1,4-Liter-Benziner. Vom Vortrieb in der Ebene sind wir ganz angetan, aber schon bald geht es bergan ins bergige Hinterland von Malaga, und da ist ganz schnell Schaltarbeit mit dem angenehm zu bedienenden Sechsgang-Getriebe nötig. Ohne Zurückschalten kommt das Auto viele Steigungen nicht hoch, und auf der Autobahn werden wir auch im vierten Gang und trotz verbissenem Gaseinsatz noch reihenweise von 08/15-Autos überholt. Nein, ein Temperamentsbolzen ist dieser Benziner nun wirklich nicht. Oft wünschen wir uns auf dieser Fahrt den 1.2 TSI mit 110 PS aus dem VW-Konzern, der dank Turbo deutlich bessere Fahrleistungen, aber vor allem viel mehr Fahrspaß bietet. Als Beleg zitieren wir nur mal den beachtlichen Drehmomentunterschied: 175 Newtonmeter sind es beim 1.2 TSI, beim Hyundai i20 nur 134 Newtonmeter. Seltsam, wie gut unser Testauto seine 100 PS verbirgt. Am Fahrzeuggewicht kann’s nicht liegen, denn mit 1.135 Kilo ist der i20 1.4 exakt ebenso schwer wie der Polo 1.2 TSI.
Kein Start-Stopp-System und nicht sehr sparsam
Auch der Spritkonsum ist wenig berauschend. Im Datenblatt stehen 5,5 Liter, beim Polo 1.2 TSI sind es nur 4,8 Liter je 100 Kilometer. Hier macht sich auch das für ein Stadtauto peinliche Fehlen einer Start-Stopp-Automatik bemerkbar. Die gibt es im i20 sozusagen nur ausnahmsweise, in den blue-Versionen des 1.2 und des 1.1 CRDi nämlich. Hinter das Thema Motor müssen wir ein dickes Minus malen. Immerhin gibt es Aussicht auf Besserung: 2015 will Hyundai dem i20 einen Dreizylinder-Turbo mit wahlweise 100 oder 120 PS spendieren. Der performt hoffentlich besser und verbraucht weniger. Apropos Zukunftspläne: Für das erste Halbjahr 2015 ist auch eine dreitürige Coupéversion des i20 zu erwarten, und Ende des Jahres eine weitere Variante – ob es sich um einen Kombi handeln wird, verrät Hyundai noch nicht.
Lenkung und Fahrwerk: Ganz okay
Ein weniger gravierendes Manko des i20 ist die etwas indirekte Lenkung – sie würde uns nicht am Kauf hindern, auch wenn es den Fahrspaß etwas dämpft. Die Lenkunterstützung ist hier anders als beim großen Bruder i30 nicht einstellbar. Beim Fahrwerk gibt es noch weniger zu meckern. Es liegt etwas auf der harten Seite, dafür bleibt der i20 in Kurven straff und ziemlich unbeeindruckt.
Immer noch günstige Preise
Was fehlt noch? Ausstattung und Preise natürlich. Ein Hyundai, das gibt der deutsche Geschäftsführer Markus Schrick unumwunden zu, wurde bisher meistens wegen des Preis-Leistungs-Verhältnisses gekauft. In Zukunft soll sich das durch die “Emotionalisierung” ändern. Deswegen nimmt Hyundai fleißig an Motorsport-Veranstaltungen teil und erinnert gern daran, dass Deutschland immer noch Fußball-Weltmeister ist – Hyundai war schließlich Sponsor. Dennoch gibt es auch noch genug rationale Argumente, denn die Preise sind noch immer günstig. Beim i20 beginnen sie bei 11.950 Euro für die fünftürige 75-PS-Version mit Spartaner-Ausstattung: elektrische Fensterheber vorne, Zentralverriegelung ohne Fernbedienung, weiße Karosserie – das wars. Für einen vergleichbaren, aber nur dreitürigen Polo zahlt man gleich 13.425 Euro. Empfehlenswerter ist die Classic-Version, die die Ausstattung auf ein zeitgemäßes Niveau hebt –Klimaanlage, Radio und mehr sind inklusive. Dann geht es aber erst bei 13.450 Euro los. Den gefahrenen i20 1.4 gibt es ab der Version Trend, die für unseren Geschmack schon zu viel Tinnef an Bord hat. Man zahlt so 15.750 Euro. Aber auch den Polo 1.2 TSI mit 110 PS gibt es nur in der Topausstattung und dann kostet er gleich 17.925 Euro.
(sl)
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