Saariselkä (Finnland), 13. Februar 2015
Das Nordkap ist nur 450 Kilometer entfernt, und wenn man die falsche Abzweigung nimmt, ist man verdammt schnell an der russischen Grenze: Saariselkä liegt ganz schön abgelegen im hohen Norden Finnlands. Weit, weit über dem Polarkreis also, aber eisige Kälte? Fehlanzeige. Minus drei, maximal minus sechs Grad hat es, als wir mit Michelin dort Reifen testen. Nicht wirklich arktisch, aber kalt genug, um schön auf einem zugefrorenen See zu driften.
Driften mit Frontantrieb
Für die Tests stehen ein paar Porsche 911 Turbo vor der Hütte, ein Jaguar F-Type S Coupé, etliche Subaru WRX STI und noch einiges mehr, was Autofans unruhig werden lässt. Was aber bekomme ich als Erstes? Einen bürgerlich motorisierten VW Golf TSI. Mit ordentlichen Winterreifen allerdings: Alpin 5, Michelins Produkt für den Massenmarkt. Wir fahren einen Kurs, bei dem viele Kurven “zumachen”, und das ist für diesen Fall optimal. Denn was tut jeder 0815-Autofahrer, wenn er bemerkt, dass eine Kurve plötzlich enger wird? Er geht vom Gas.
Bei einem Fronttriebler wie dem Golf ist das genau das Richtige: Die Vorderachse spürt die Motorbremse, folglich schwingt das Heck herum.
Das ESP bleibt drin
Nach ein, zwei Runden habe ich es raus. Mit relativ viel Gas in die Kurve rein, Gas weg, Heck kommen lassen und schon hat man die Kurve gemeistert, sogar mit einem leichten Drift – und das mit einem Fronttriebler. Das Problem ist nur: Anders als beim Golf R kann man das ESP nicht abschalten. Zwar leuchtet ein gelbes Schleuder-Logo, aber das bedeutet nur, dass die Traktionskontrolle aus ist, das ESP bremst mich weiter aus, sodass ich kaum wieder aus der Kurve herauskomme.
Und jetzt Jaguar und Porsche
So interessant das ist, Michelin hat mich ja eigentlich wegen der Reifen aufs Eis gelockt. In der Hinsicht kann ich nicht klagen. Dank 3D-Lamellen, einer Art hauchdünner Schnitte in den Reifenstollen, die sich gegeneinander abstützen, krallt sich der Reifen fest in den Untergrund. So kommt der Golf schnell auf Touren, die Seitenführung in den Kurven ist auch auf Eis nicht schlecht und bremsen klappt auch gut. Nun ja, keine tiefschürfenden Erkenntnisse, ich gebe es zu. Spannender ist die nächste Station: Porsche 911 Turbo und Jaguar F-Type S stehen zur Wahl. Da ich schon immer mal mit Hinterradantrieb aufs Eis wollte, stürze ich mich auf den Jaguar.
Handballen oben aufs Lenkrad legen
Kurze Einweisung zur Sitzposition: Der Experte guckt mich an, und bevor er etwas sagt, schießt mir durch den Kopf, was falsch ist: Ich bin zu weit weg. Rechten Handballen oben aufs Lenkrad legen, befiehlt der Mann. “In der Stellung sollte dein Arm noch nicht durchgestreckt sein, sonst musst du in der Linkskurve aus dem Sitz.” Jetzt kann es losgehen. Per Sprechfunk kommen Anweisungen vom vorausfahrenden Guide – Armin Schwarz. Der alte Rallye-Hase sagt Sachen wie: Jetzt nach rechts umsetzen, diese Kurve macht zu, jene ist schön lang, da kann man schön rausbeschleunigen.
In zwei Runden dreimal quer
Ich habe im Moment andere Sorgen als die überübernächste Kurve. Mein Jaguar droht in jeder Biegung einzudrehen. Wenn ich nur ein ganz klein wenig zu viel Gas gebe, kommt das Heck rasend schnell und ich muss hastig gegenlenken, um nicht in den Schnee zu rennen. Soviel ich auch rudere, die beiden Elfer vor mir entfernen sich immer weiter. “Der Jaguar bitte aufschließen”, tönt es aus dem Sprechfunk. Und kurz danach etwas, was sich in meiner Lage widersprüchlich anhört: “Wegbleiben von den Schneewänden”. Ich entscheide mich für Letzteres. Trotzdem stehe ich in zwei Runden dreimal quer, muss den Rückwärtsgang bemühen, um mich wieder auszurichten.
Lammfrommer 911 Turbo
Nein, leicht zu handeln ist der Jaguar nicht. Erleichtert steige ich um in den 911 Turbo. Gott sei Dank, Allradantrieb, prima! Das dürfte leichter gehen. Und tatsächlich, das Auto ist trotz der höheren Leistung (520 statt 380 PS) viel leichter kontrollierbar als der Jaguar. Der Wagen verhält sich allerdings anders als der Golf R, den ich vor Kurzem ebenfalls auf Eis bewegte: Den Allrad-VW kann man mit zusätzlichem Gas in die Kurve drehen – weil dann mehr Kraft nach hinten geleitet wird. Genau umgekehrt beim Elfer, denn hier kommt die Kraft normalerweise mehr über die Hinterräder aufs Eis, bei Schlupf wird Drehmoment nach vorne geleitet. Gasgeben in der Kurve ist hier also keine allzu gute Idee. Trotzdem ist der Turbo fast schon lammfromm, und befriedigt sehe ich, wie der Kollege hinter mir, der nun den Jaguar an der Backe hat, immer weiter zurückbleibt. An mir lag es also nicht. Auch nicht am Reifen: Beim Porsche wie beim Jaguar ist der Michelin Pilot Alpin PA4 aufgezogen, ein Winterreifen für Sportwagen, wiederum mit den famosen 3D-Lamellen.
Mit Sommerreifen auf Blankeis
Bei der nächsten Station vergleiche ich verschiedene Reifen auf dem gleichen Auto. Zunächst steige ich in einen blauen Subaru BRZ. Wieder Hinterradantrieb, wie bei dem fatalen Jaguar, nur schlimmer. Denn hier ist ein Michelin Energy Saver aufgezogen, ein Spritsparreifen für den Sommer. “Auch ein hervorragendes Produkt”, sagen die Presseleute von Michelin grinsend, “nur eben völlig ungeeignet für das Fahren auf Eis.” Mit Sommerreifen auf blankem Eis und dann soll ich auch noch ESP und Traktionskontrolle ausschalten. Na das kann was werden, denke ich mir. Zuerst soll ich gegen einen mit Winterreifen (Alpin 5) ausgerüsteten BRZ zum Spurt antreten.
Die Dynamik einer Wanderdüne
Fairerweise bekomme ich drei Sekunden Vorsprung, aber das nützt mir gar nichts: Gebe ich normal Gas, drehen die Hinterräder durch, und wenn ich sorgsamer mit dem Pedal umgehe, habe ich die Dynamik einer Wanderdüne. Beim nächsten Versuch – gegen einen BRZ mit Spikebereifung – bitte ich um acht Sekunden Vorsprung, und siehe da, wir beenden die Gerade auf gleicher Höhe. Die 1,2-Millimeter-Spikes sind gegenüber dem Alpine 5 allerdings wenig im Vorteil, da ein leichter Schneefilm auf dem Eis liegt.
Und so macht’s der Profi
Zum Abschluss hat sich Michelin ein besonderes Goodie ausgedacht: Ich steige zu Mark Wallenwein ins Auto, dem deutschen Rallyemeister 2012. Über ein Rohr des Rennkäfigs hinwegkletternd quetsche ich mich in einen Schalensitz, der sich anfühlt wie eine viel zu enge Röhrenjeans. Jemand zieht den Hosenträgergurt stramm, bis ich kaum mehr atmen kann, dann schießt der Subaru WRX STI mit seinen Sieben-Millimeter-Spikereifen los. Mark rudert schon auf der Geraden wie verrückt, lenkt links-rechts-links-rechts, keine Sekunde geradeaus. Gefühlt sind wir doppelt so schnell unterwegs wie vorher, als ich selbst am Steuer saß.
Antreten gegen den Rallye-Profi?
Und dann die Bremspunkte! So spät, wie Mark in die Eisen steigt, bin ich jedesmal sicher, dass wir in den Schnee knallen. Spektakulär auch die abschließende Schlussfahrt über einen Waldweg. Wir springen über eine Kuppe, und beim Aufprall weiß ich, warum ich einen Helm trage: Das Ding schlägt vehement links und rechts gegen die Schalenwände. Die Fahrt ist kurz, aber aufschlussreich: Gegen Wallenwein sehe ich aus wie ein Fahranfänger, muss ich mir eingestehen. Gegen ihn antreten? Oh Gott. Nun ja, vielleicht unter einer Voraussetzung: Ihm wird die linke Hand auf den Rücken gebunden und er kriegt den BRZ mit Sommerreifen, während ich den Rallye-STI mit den Sieben-Millimeter-Spikes fahre …
(sl)
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