Stuttgart, 11. März 2015
Wie aus einem kreuzbraven Familienauto ein brandheißes Flügelmonster und echter Rennsport-Held entstehen kann, hat wohl kaum ein Auto deutlicher gemacht als der legendäre Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II. Bei seiner Premiere auf dem Genfer Autosalon 1990 dürfte er die Autofans mit eklatanten Kotflügelverbreiterungen und einem fast schon lächerlich großen, verstellbaren Heckspoiler ganz schön schockiert haben (Mercedes nennt das übrigens “maximales sportliches Selbstbewusstsein”). Der Grund für soviel Extra-Karosserie lag wie so oft im Rennsport. Für die FIA-Homologation von Fahrzeugen der Gruppe A für die DTM mussten 502 Straßenfahrzeuge gebaut werden.
Heute eher zahm
Diese wurden allesamt im Farbton Blauschwarz-Metallic lackiert und mit 17-Zoll-Felgen ausgerüstet. Unter der Haube steckt ein laut Mercedes “sehr drehzahlfester” 2,5-Liter-Vierzylinder-Kurzhubmotor mit 235 PS und 245 Newtonmeter. “Sehr drehzahlfest” ist gar nicht dumm, denn wenn diese Maschine etwas braucht, dann sind es Touren. Die volle Leistung liegt erst bei 7.200 U/min an, das volle Drehmoment bei 5.000 U/min. Die Beschleunigung von null auf 100 km/h in 7,1 Sekunden wirkt aus heutiger Sicht für einen Sportwagen nicht sonderlich beeindruckend. Immerhin rennt der Superflügel 250 km/h.
Erstaunlich gemütlich
Das Sportlichste am Getriebe ist der erste Gang links unten, ansonsten wechselt man die Gänge recht hakelig und mit viel zu langen Wegen. Das passt ganz hervorragend zum Interieur, denn mit Karositzen und Holzdekor erwartet den ambitionierten Limousinen-Lenker (von außen völlig unverhofft) heimelige Daimler-Gemütlichkeit. Lediglich Details verraten den Heißsporn. So startet der rote Bereich erst bei 7.700 Touren. Außerdem hat der Evo II einen kleinen Schalter links vom übergroßen Lenkrad, der das Auto in drei Stufen höher oder tiefer legt. Das Sportfahrwerk dürfte auch einen großen Teil dazu beitragen, dass der Evo II weit besser ums Eck geht, als man das aufgrund seiner müden Basis vermuten würde.
DTM-Superstar
Schließlich startete der 190er 1982 mit 72 bis 122 PS. 1984 folgte der 185 PS starke 190 E 2.3-16. Beim Eröffnungsrennen des neuen Nürburgrings im gleichen Jahr überzeugte das neue Topmodell auch als Sportler. Der bis dahin weitgehend unbekannte Ayrton Senna konnte den Wettkampf im Baby-Benz für sich entscheiden. Der Einstieg in die DTM erfolgte dann im Jahr 1988 und Roland Asch holte auf Anhieb die Vize-Meisterschaft. Ein Jahr darauf ging Mercedes mit dem 190 E 2.5-16 Evolution an den Start. Die Rennversion leistete 333 PS. Die Rennvariante des Evo II verantwortete dann bereits AMG. Sein Debüt gab der 373 PS starke Tourenwagen im Juni 1990 auf der Nordschleife. Im Endklassement der DTM-Saison 1990 belegte Kurt Thiim mit dem Auto Rang drei. 1991 wurde Klaus Ludwig Vize-Meister. 1992 dominierte der Evo II die DTM: Klaus Ludwig holte sich den Gesamtsieg vor Kurt Thiim und Bernd Schneider.
Damals teuer, heute noch teurer
Im Prinzip kann man auch den gerade vorgestellen Mercedes-AMG C 63 mit seinen maximal 510 PS als legitimen Nachfolger des 190 E 2.5-16 Evolution II betrachten. Mit dem maximal beflügelten Baby-Benz fing vor 25 Jahren schließlich alles an. Der Evo II kostete zum Marktstart übrigens 115.259 Mark, mit Klimaanlage waren es 119.717 Mark. Nicht nur für damalige Verhältnisse ist das ein kleines Vermögen. Die Anschaffung dürfte sich für die meisten dennoch gelohnt haben. Zuletzt sind die Preise für den schärfsten 190er auf dem Gebrauchtwagenmarkt geradezu explodiert. Für sehr gute Exemplare werden teilweise weit über 100.000 Euro aufgerufen.
(sw)
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