Frankfurt/Main, 11. März 2015
Ich will ehrlich zu Ihnen sein: Die aktuelle Mercedes A-Klasse und ihr Ableger CLA sind nicht mein Fall. Formal grenzwertig mit bescheidenem Platzangebot im Fond. Aber ich bin kein Gradmesser, denn A und Co. haben sich seit 2011 weltweit rund eine Million Mal verkauft. Nun wird die kompakte Mercedes-Familie erweitert und zwar mit dem CLA Shooting Brake. Oder anders formuliert: Ein Kombi, der keiner sein soll. Schafft er es, mich mit der schwäbischen Kompaktklasse zu versöhnen?
Gleich und doch anders
Werfen wir also einen Blick auf den CLA Shooting Brake: Sowohl in der Länge (4,63 Meter) als auch beim Radstand (2,70 Meter) ist er exakt so lang wie der “normale” CLA. Aber er sieht viel hübscher aus, speziell die Heckpartie wirkt wie aus einem Guss. Trotzdem macht der Shooting Brake dem Betrachter schon von weitem klar: Hier folgt die Funktion der Form. Angesichts der schmalen Fensterflächen und der breiten D-Säule kann niemand eine grandiose Rundumsicht erwarten. Hinzu kommen Sitze mit integrierten Kopfstützen, die optionale Rückfahrkamera ist daher Pflicht. Damit ist der Shooting Brake aber in gewisser Weise ehrlich, denn wer sich für ihn entscheidet, tut das kaum, weil daheim eine Großfamilie auf ihn wartet.
T ist nicht toller
Für solche Zwecke bietet sich das sieben Zentimeter längere T-Modell der C-Klasse an. Doch der Vergleich offenbart eine faustdicke Überraschung: Mit 495 Liter in der Grundstellung bietet der CLA Shooting Brake sogar fünf Liter mehr Kofferraumvolumen. Erst nach oben heraus überholt die C-Klasse mit 1.510 Liter Stauraum, aufgrund der stärker abfallenden Dachlinie muss der CLA schon bei 1.354 Liter passen. Ein weiterer Minuspunkt des Shooting Brake ist seine schmale Ladeöffnung, positiv hingegen ist die ebene Fläche nach dem Umlegen der hinteren Lehnen.
Mehr als gedacht
Schon weil die Ähnlichkeit zwischen beiden Modellen ins Auge springt, neigt man zum Urteil: Der CLA Shooting Brake ist der CLS Shooting Brake des kleinen Mannes. Aber so klein muss der Mann gar nicht sein. Ich bemühe meine 1,88 Meter in den Fond und bin positiv überrascht. Sofern vorne keine Sitzriesen am Start sind, lässt es sich in Reihe zwei gut aushalten. Klar, die Beine übereinanderschlagen kann ich zwar nicht, aber sowohl vor den Knien als auch über dem Kopf ist noch Luft. Interessant ist das optional lieferbare Panorama-Schiebedach. Es endet kurz vor der Rückbank und schränkt so die dortige Kopffreiheit nicht ein. Überhaupt ist die Glasluke ein heißer Tipp, denn sie nimmt dem dunklen Innenraum etwas vom höhlenartigen Eindruck.
Es springt ins Auge
Das Cockpit des CLA Shooting Brake bietet kaum Überraschungen, stammt es doch vom CLA. In Sachen Bedienung gibt es nichts zu bemängeln, meine beiden Kritikpunkte sind anderer Natur. Erstens: Sitzt man relativ dicht am Lenkrad, drängt sich der auf der Mittelkonsole befindliche Infotainment-Monitor zu sehr ins Blickfeld. Ihn gibt es gegen Aufpreis im Acht-Zoll-Format, angesichts seiner dominanten Optik sollte man aber bei den serienmäßigen sieben Zoll bleiben. Zweitens: Ohne Beifahrer an Bord ist es gar nicht so einfach, den von rechts kommenden Verkehr zu erahnen. Dafür sorgt die massive, ziemlich flach stehende A-Säule. Übersichtlichkeit ist ganz klar nicht die Stärke des Mercedes CLA Shooting Brake.
Entspannter Selbstzünder
Zum Marktstart Ende März 2015 hält Mercedes für den CLA Shooting Brake zwei Diesel und vier Benziner bereit. Wer sich einfach nur an der Optik erfreut, dürfte mit dem CLA 180 bereits seinen Spaß haben. Für meine Testfahrt wähle ich den 220 CDI mit 177 PS Leistung, bei dem das Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen inklusive ist. Es macht seine Arbeit sehr gut, jedoch fühlt sich der Selbstzünder nicht nach 177 PS an. Das erstaunt umso mehr vor dem Umstand, dass die 350 Newtonmeter maximales Drehmoment bereits ab 1.400 Touren anliegen. Aber speziell aus dem Stand heraus, etwa an der Ampel, wirkt der Wagen träge, weil sich das Start-Stopp-System mit dem Anlassen Zeit nimmt. Am anderen Ende der Fahnenstange sorgt der 2,1-Liter-Diesel bei höherem Autobahntempo für einen kernigen Klangteppich. Tipp: Der kleinere 200 CDI weist denselben Hubraum auf und kostet mit Doppelkupplungsgetriebe (bei Mercedes 7G-DCT genannt) über 2.300 Euro weniger. Das Typenschild am Heck lässt Mercedes ohne Aufpreis weg.
Fahrspaß mit Manko
So bleibt Geld für Extras übrig (66 Seiten Preisliste sprechen für sich), etwa die schicken 18-Zöller, mit denen der CLA Shooting Brake sehr manierlich abrollt. Immer inklusive ist die direkt agierende elektromechanische Servolenkung. Mit ihr vermittelt der Wagen einen dynamischen Eindruck, wenngleich er trotzdem nicht zum radikalen Kurvenkratzer wird. Dafür sorgt schon das Gewicht, das beim 220 CDI über 1,5 Tonnen beträgt.
Schuss ins Schwarze
Wer dennoch zur Porsche-Jagd blasen will, dem sei der CLA 45 AMG Shooting Brake ans Herz gelegt. Blasen ist ein gutes Stichwort, per Turbo werden aus zwei Liter Hubraum stramme 360 PS geholt. Mit 1,8 bar Ladedruck steht die Maschine mehr unter Druck als ein Oktoberfest-Besucher nach vier Maß Bier. Das zahlt sich aus: In praktisch jeder Lebenslage schüttelt der AMG seine Kraft locker aus dem Ärmel, was sich sogar im Stadtverkehr bezahlt macht. Trotzdem wird der Super-Shooting-Brake nicht zur unbarmherzigen Rüttelplatte, es bleibt genug Restkomfort übrig. Einzig am Klang mangelt es dem Vierzylinder, mit viel Wohlwollen erinnert er beim Ausdrehen entfernt an den alten Audi Quattro.
Öffnet den Geldbeutel
Wie der Audi hat der CLA 45 AMG Shooting Brake einen Allradantrieb, sein Preis hat indes fast schon Schwarzmarkt-Qualitäten. Sagenhafte 57.268 Euro ruft Mercedes für den Kraftmeier auf. Für diese Summe lässt sich der 220 CDI praktisch voll ausstatten. Los geht es hier bei 39.062 Euro, ein vergleichbares T-Modell der C-Klasse mit Automatikgetriebe kostet fast 4.000 Euro mehr. Opulent ist die Serienausstattung beim CLA Shooting Brake nicht, diverse Optik- und Ausstattungspakete kitzeln das Konto. Zu den absolut sinnvollen Extras zählen die Sitzheizung vorne (345 Euro), die Zwei-Zonen-Klimaautomatik (607 Euro), die Rückfahrkamera (375 Euro) und der Totwinkel-Assistent (535 Euro). Macht unter dem Strich 40.924 Euro, eine Fünf als erste Ziffer ist aber auch machbar. Dafür bekommt man ein ziemlich konkurrenzloses Produkt. Andere Hersteller setzen auf Kombis. Da ist es wieder, das böse K-Wort.
(rh)
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