Haar, 13. März 2015
Hier im oberbayerischen Hinterland, irgendwo zwischen München und den vielen großen Bergen, ist die Welt noch in Ordnung. Die Leute gehen mit der Zeit, aber sie lieben ihre Traditionen. Und sie lassen sich nicht jeden Mist andrehen. Hier kommt man mit ehrlicher Geradlinigkeit weiter, als wenn man sich künstlich aufbläst (zumindest ist das mein verschrobenes Bayern-Bild. Der Rest der Welt sieht wohl eher Biervernichtungsmaschinen in Lederhosen, die immer Schnitzel essen und mit ihren Kühen schlafen). Wie gut, dass wir mit dem reinsten, absolutesten Porsche-Cabrio seit Ewigkeiten angereist sind. Und mit einem Lotus. Die sind an Reinheit und Absolutheit ohnehin nicht zu übertreffen. Alle. Obwohl uns wortgewandte PR-Menschen immer häufiger den Vorstoß in neue Fahrspaß-Dimensionen versprechen, wird es in der Realität nämlich zunehmend schwieriger, irgendwas Kleines, Leichtes unter den Hintern zu bekommen, das auch ohne 53 elektronische Fahrdynamik-Heinzelmännchen etwas ähnliches wie Entzückung vermittelt.
Nichts für nasse Autobahnen
Mein Plädoyer für die reine Lehre im Hinterkopf, sitze ich nun bei strömendem Regen gefühlte drei Zentimeter über der Autobahn A8 und kämpfe mit einem störrischen Biest namens Exige S Roadster. Man muss diese Flunder aus Hethel einfach lieben. Für ihre Form, für ihre “Alles-raus-was-keine-Miete-zahlt”-Mentalität (obwohl es seit neuestem so verrückte Dinge gibt wie eine Sitzheizung, einen … naja, nennen wir es Cupholder, einen Smartphone-liebenden USB-Port und eine Einparkhilfe) und für 350-Mittelmotor-PS auf 1.160 Kilo Gewicht. Das hier, auf einem leeren Alpenpass bei strahlendem Sonnenschein und viel besser wird es nicht. Das hier, auf einer überfüllten, überfluteten Autobahn und es ist eine einzige Plage. Durch ihr ultraspitzes Layout sowie die extrem leichte Front fühlt sich die Exige bei schnellen Regenfahrten nämlich nicht sonderlich wohl. Ich bin also nicht sooo unglücklich, als die Ausfahrt naht und wir ins Hinterland Richtung Spitzingsee abbiegen. Hier gibt es einen ganzen Stapel Kurven, die außer uns kein Schwein befährt. Als Sahnehäubchen auf dem PS-Kuchen hat die Sonne ihre Zickereien beendet und brennt uns die Straßen nun minütlich trockener. Sie sind hier klein und schmal und eng und voller Kuhscheiße und der Lotus liebt sie über alles.
Erinnerungen an Magnum
Sie ist schon eine ganz spezielle Nummer, diese verlängerte Elise, die mich immer an monumentale Schnauzbärte und schauderhafte Hawaii-Hemden erinnert, weil sie von hinten genauso aussieht, wie Magnums Ferrari 308 GTS. Mit dem Einarmwischer, dem zwergenhaften Lenkrad und der weit nach hinten reichenden Sitzposition fühlt man sich aber eher wie in einem Gruppe-C-Rennwagen. Ihr Klang ist aufwühlend und aggressiv und wahnsinnig laut und du denkst, du bist auf irgendeiner abgeranzten Rennstrecke. Im Jahr 1975. Du bist aber auf irgendeiner abgeranzten Landstraße im Jahr 2014 und der 3,5-Liter-Toyota-Kompressor gibt dir einen Tritt in den Hintern wie ein hässlicher gelber Stiefel, auf dem “Hulkamania” steht. Ich weiß nicht, in welchen brodelnden Druidenkessel Lotus diesen Motor geworfen hat, aber die Gasannahme ist nicht von dieser Welt und auch sonst … holla, die Waldfee! Die 400 Newtonmeter kommen sehr gleichmäßig und seeehr wuchtig und sogar das Getriebe ist mittlerweile zumindest so mittel (in früheren Exigen war es grausam).
Ab der ersten Kurve abhängig
Unsere Exige fährt ohne das optionale Race-Paket, was ziemlich gut ist, weil sie dann zumindest einen Teil der Wirbelsäule am Leben lässt. Sie ist natürlich trotzdem hart wie ein russischer Knast und man sieht unglaublich lächerlich aus, wenn man versucht, über den neun Meter breiten Steg ein- oder auszusteigen, aber das ist völlig egal, weil sie einen schon nach der ersten Kurve komplett abhängig macht. Die Lenkung ist bleischwer, unfassbar direkt und sogar der kleinste Kieselstein schlägt durch, aber sie hat mehr Gefühl als das Ende von Titanic. Lotus‘ superschlaues Dynamic-Performance-Managament-System, eine Art lernendes ESP, gibt einem dazu drei Möglichkeiten, das Chassis in gebührender Manier zu erforschen: “Tour” ist für Weicheier, “Sport” sorgt für ein noch aggressiveres Gaspedal, offene Auspuffklappen sowie ein sehr vernünftiges Maß an Schlupf und “ESC off” erklärt sich ja weitgehend von alleine.
Knochig, dreckig, anstrengend, genial
Die Exige verzichtet auf ein mechanisches Sperrdifferenzial und vertraut auf ein elektronisches System mit Bremseingriffen, aber es funktioniert hervorragend: Grip und Vortrieb aus der Kurve heraus sind in kolossalem Ausmaß vorhanden. Geht man einen Schritt weiter, fühlt man pure Magie. Dann, wenn das Auto am Rande der Traktion schmiert, nach dem Gewichtstransfer schon irgendwo vor der Hinterachse (ja, Mittelmotor) wegzubrechen droht und man das Biest mit der megaschnellen Lenkung heldenhaft ins Leben zurückholt. Alles an diesem kleinen Mistkerl ist so unfassbar intensiv. Knochig und dreckig und anstrengend, aber intensiv. Er müsste unendlich schwer zu fahren sein und die ganze Zeit ausbrechen und einen dann auslachen, aber er tut es nicht. Man folgt ihm einfach, lässt ihn tanzen, tanzt ein bisschen unbeholfen mit, aber am Ende lässt er einen (meistens) gut aussehen. Zeit für den Porsche!
Irrer Sportauspuff im Boxster GTS
Aaah, der Boxster GTS! Man nehme den besten “Er-ist-noch-irgendwie-in-Reichweite-Roadster” (Boxster S), mache ihn in allen Belangen besser und wundere sich bitte nicht, wenn etwas verdammt Sensationelles dabei herauskommt. Und da steht es nun, dieses austrainierte, flache und wirklich sehr sehr gelbe Gefährt. Der GTS ist der schnellste Boxster, den es bis heute gab. Porsche hat die Leistung sehr moderat auf 330 PS und 370 Newtonmeter angehoben. Dazu liegt er zehn Millimeter tiefer, ist insgesamt etwas straffer und er hat diesen völlig irren Sportauspuff, der im Sport- und Sport-Plus-Modus komplett durchzudrehen scheint. Er schnorchelt und brabbelt und schreit und jedes Mal, wenn man vom Gas geht, schießt er mit Fehlzündungen um sich, dass man panisch und völlig verängstigt den Kopf einzieht und sich vornimmt, bei der nächsten Fahrt einen kugelsicheren Helm zu tragen.
Nach dem Lotus etwas schwer
Obwohl unser GTS optionale Schalensitze hat, die bei allem über 70 Kilo laut “Nimm ab, Du fettes Schwein!” rufen, ist sein Innenleben im Vergleich zur Exige der reinste Fünf-Sterne-Palast. Das ist nach knapp drei Stunden in der schmalen Engländerin auch bitter nötig. Über ziemlich verschrobene und schmutzige Wege sind wir irgendwie zum Spitzingsee gelangt und jetzt geht es über die wunderbar breite und kurvige Spitzingseestraße (wieso zum Teufel haben wir die auf dem Hinweg nicht genommen?) wieder zurück Richtung München. Ich hatte bereits das Vergnügen mit dem Boxster GTS und er war leicht und sehnig und total auf den Punkt und er passte wie eine Levis 501, die Jennifer Lopez zu heiß gewaschen hat. Nach der Exige fühlt er sich an, als hätte ich mir eben an der Zapfsäule zwei Ottfried Fischer in den Tank gejagt.
Man muss ihn einfach großartig finden
Das Beste ist also, komplett zu rebooten und den Tatsachen ins Auge zu sehen. Der GTS ist ein glorreicher offener Sportwagen, der einen auch auf der Rennstrecke nicht enttäuschen wird. Die Exige ist ein fürchterlich enger Rennwagen, dem man zufällig einen kleinen Teil seines Daches geklaut und Nummernschilder montiert hat. Wenn man das im Hinterkopf behält, musst man den Porsche einfach großartig finden. Ich meine: Er wiegt fast 300 Kilo mehr als der Lotus und er hat Automatik und eine elektrische Lenkung und dennoch ist er absolut pur und ehrlich und unglaublich direkt und leichtfüßig. Noch ein gutes Stück mehr als ein Boxster S und das will was heißen.
Alles im Fluss
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass man die Extra-Power wirklich spürt, aber darum geht es nicht. Es ist dieses Porsche-Gefühl, mechanisch, knochig, hart und dennoch ist alles im Fluss. Der GTS treibt es auf die Spitze. Du suchst in diesem Auto nicht nach der perfekten Linie, du hast sie einfach. Und die Chassis-Balance ist eine Sensation: Das Auto ist straff, lässt aber genug Raum zum Spielen. Trotzdem ist man nie im Unklaren, was als nächstes passieren wird. Man fühlt richtig, wie sich die Vorderräder in der Kurve aufladen, dann nochmal härter ans Gas, um das Gewicht nach hinten zu bringen und mit leicht schmierenden Reifen geht es rum ums Eck. Anschließend ist man so glücklich, dass man am liebsten in das dünne Alcantara-Lenkrad beißen würde, aber dafür ist es zu schön.
Beide wären ganz gut
Ohne Bissspuren am Volant geht es also heim nach München. Beide Roadster waren heute ein Statement für den Mittelmotor und dafür, dass rauer, ehrlicher Fahrspaß der beste Fahrspaß ist. Die Exige ist natürlich ein gutes Stück rauer und ehrlicher als der Boxster. Der geht zur Not aber auch als einziges Auto im Fuhrpark. In einer puren Kurven-Fantasiewelt würde ich den Porsche nehmen. Und fürs Wochenende den Lotus.
(sw)
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