Cadillac Escalade im Test mit Fahreindrücken, technischen Daten und Preisen zur Markteinführung

March 24, 2015

Wir waren mit dem neuen Cadillac Escalade mit kurzem Radstand auf Testfahrt

Für den Vortrieb im 2,75-Tonnen-Schiff sorgt ein 6,2-Liter-V8 mit 426 PS und 610 Newtonmeter

In 6,7 Sekunden geht es auf Tempo 100. Abgeregelt wird bei 180 km/h. Im Schnitt verbrauchten wir 13,3 Liter auf 100 Kilometer

Zürich, 23. März 2015
Sie sind Amiauto-Liebhaber, Rapper oder ein Porsche Cayenne ist Ihnen zu klein und nicht selten genug in Deutschland? Dann habe ich gute Nachrichten für Sie: Im April 2015 bringt Cadillac die neue Generation des Escalade auf den deutschen Markt. Obwohl die GM-Tochter davon ausgeht, dass Kunden weiterhin vor allem an der Variante mit “kurzem” Radstand (2,95 Meter, ein Smart ist übrigens 2,70 Meter lang) interessiert sein dürften, wird das Fullsize-Luxus-SUV erstmals durch die noch gewaltigere ESV-Version mit langem Radstand (3,30 Meter) ergänzt. Ich habe mir schon jetzt die für europäische Straßen konformere Kurzversion des neuen Highway-Kreuzers gegriffen und war mit ihr auf einer ersten Testfahrt in der Schweiz unterwegs.

Der Theorie-Teil
Doch von vorne: In den USA ist der Brummer mit Leiterrahmen und starrer Hinterachse schon verfügbar. In den ersten zwei Monaten 2015 wurden auf der anderen Seite des Teichs insgesamt rund 5.000 Fahrzeuge abgesetzt. In Deutschland sind die 200 Einheiten, die bis Ende 2015 an den Mann oder die Frau gebracht werden sollen, bereits vergriffen. Während das Vorgängermodell Umweltaktivisten noch ein Schnippchen schlagen konnte und mit einem Hybrid-Antrieb den Weltverbesserer suggerierte, hat das optionale Verbrenner-Elektro-Konzept im neuen Escalade endgültig ausgedient. Dafür wurde der 6,2-Liter-V8-Sauger überarbeitet. Er leistet jetzt 426 PS (Vorgänger: 409 PS) und entwickelt ein maximales Drehmoment von 610 Newtonmeter (Vorgänger: 563 Newtonmeter). Die Gangsortierung übernimmt eine Sechsgang-Automatik. Auf dem Papier sorgt das für bärige Fahrwerte im üppigen 2,75-Tonnen-Dampfer: In 6,7 Sekunden ist Tempo 100 erreicht und abgeregelt wird bei 180 km/h. Der Durchschnittsdurst soll bei 13,1 Liter alle 100 Kilometer liegen.

Kein Grollen, kein Saufen
Genug der Theorie: Wer den Motor nicht schon über die Funkfernbedienung gestartet hat, muss den Startknopf in der Mittelkonsole drücken. Damit wird das Sauger-Monster unter der bullig-langen Haube geweckt. Ich erwarte ein dämonisch-wütendes V8-Grollen und erhalte … nichts dergleichen! An dem verhaltenen Brummen ändert sich auch im normalen Fahrbetrieb nicht viel. Kein Wunder, läuft der Achtender beim gemütlichen Dahingleiten meist nur auf vier Töpfen. Nur beim beherzten Tritt aufs Gaspedal oder beim Anfahren werden alle acht Zylinder mit Sprit aus dem 98-Liter-Tank versorgt und die Ruhe im gut gedämmten Innenraum ist passé. Wie erwartet haben die 6,2 Liter großen Brennräume in allen Drehzahlbereichen wenig Mühe mit dem hohen Gewicht des Kreuzers. Gut für Cadillac und Umwelt, das ich in der Schweiz unterwegs bin, wo bereits bei gemessenen 126 km/h auf der Autobahn ein Bußgeld von rund 57 Euro droht. So bleiben häufige Beschleunigungsorgien aus, der Motor dümpelt die meiste Zeit irgendwo bei 1.100 Umdrehungen pro Minute herum und der Testverbrauch kann sich bei 13,3 Liter einpendeln.

Der Feind der Kurve
Das “Magnetic-Ride”-Fahrwerk des Escalade ist im “Touring”-Modus ein leicht nachschwingendes Bodenwellen-Bügeleisen. Auch Querfugen und Kanaldeckel nimmt man durch Fahrwerk und Dämmung nur sehr dumpf in der Fahrerkabine wahr. Die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung bietet dem Fahrer darüber hinaus erstaunlich viel Feedback. Dass im “Sport”-Modus aus dem Koloss jetzt ein Kurvendynamiker wird, ist aber allein aus physikalischen Gründen ein Ding der Unmöglichkeit. Schnelle Kurven bleiben genauso ein Feind des SUV-Riesen wie enge Kreisverkehre. Entsprechende Fahrmanöver sind immer mit einem Steuerruder-Kampf auf der Kommando-Brücke verbunden.

Raumriese und Luxus-Tempel
Der riesige Cadillac ist also ein Luxus-Komfort-Tempel zum entspannten Cruisen auf der Geraden. Wie die Ausmaße (5,18 Meter lang, 2,06 Meter breit und 1,90 Meter hoch) bereits andeuten, können bis zu acht Personen an diesem herrschaftlichen Erlebnis teilhaben. Dann ist in der kurzen Version immer noch genügend Platz für Gepäck hinter der dritten Sitzreihe (431 Liter). Nach dem Einsteigen über die elektrisch ausfahrbaren Trittbretter nehmen alle Passagiere auf Ledergestühl Platz. In der ersten Reihe werden die Sitze belüftet oder geheizt, in der Zweiten lässt sich nur heizen. Die Raumtemperatur wird über eine Drei-Zonen-Klimaautomatik geregelt.

Ein Tacho bis 280 km/h?
Für Entertainment unterwegs sorgen ein Surround-Soundsystem von Bose sowie ein für die zweite und dritte Sitzreihe im Dachhimmel installierter Bildschirm. Die Mittelkonsole in der Front verzichtet auf analoge Schalter und wird über Touch-Knöpfe bedient, die ein vibrierendes Feedback in die Fingerkuppe schicken. Das volldigitale Kombiinstrument visualisiert alle Fahrzeuginformationen hinter dem Lenkrad, läuft aber zeitweise nicht ganz flüssig. Vor allem bei schnellen Gangwechseln kommt die dargestellte Drehzahlnadel ins Stocken. Darüber hinaus wirkt der Geschwindigkeitsanzeiger recht verschwommen. Warum die Anzeige des Tachos dann noch bis 280 km/h reicht? Vielleicht fehlt mir einfach amerikanisches Humorverständnis. Die rudimentären Fahrdaten werden aber auch gut ablesbar ins Fahrersichtfeld der Windschutzscheibe projiziert.

Gut, aber nichts für Perfektionisten
Humor sollte man auch beim genaueren Betrachten der Innenausstattung beweisen. Diese wirkt auf den ersten Blick wertig und die verwendeten Materialien sind nicht mehr vergleichbar mit den billigen Kunststoffen und Plastik-Holz-Applikationen aus dem vergangenen Jahrzehnt des amerikanischen Automobilbaus. Der Teufel liegt aber im Detail: Scharfe Kanten und locker verbaute Klappen und Zierleisten dürfen im Luxus-Segment eigentlich nicht vorkommen. Dazu kommen weitere Kleinigkeiten wie eine abenteuerlich verkabelte Heckscheibenheizung. Noch ist ein amerikanischer Innenausbau eben nichts für detailverliebte Perfektionisten.

Amerikanische Aufpreisliste
Amerikanische Mentalität gibt es auch beim Blick in die Liste der Sonderoptionen. Wählt man wie ich die Basis-Version Cadillac Escalade Premium, sind lediglich die elektrisch ausfahrbaren Trittbretter, die elektrisch einklappbare zweite Sitzreihe, ein anderes Felgendesign, spezielle Farbwünsche und die Anhängevorrichtung im Aufpreiskatalog aufgeführt. Alles andere ist Serie und im Preis von 96.500 Euro inbegriffen. Die Premium-Ausstattung erhöht den Preis auf 106.800 Euro. Dafür gibt’s dann beispielsweise Bildschirme in den Kopfstützen der Frontsitze und mehr Alcantara-Bezüge. Am oberen Ende der Preisliste rangiert die Premium-Langversion. Sie kostet 109.000 Euro.
(ml)

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