Barcelona, 5. Juni 2015
Wer sich einen Kleinwagen wünscht, hat seit jeher die berühmte Qual der Wahl. Das wissen auch die Hersteller und mit dementsprechend harten Bandagen wird um analysierte Zielgruppen gekämpft. Jetzt kommen Sie und haben sich in der Fülle von Optionen für einen Ibiza entschieden? Dann sind Sie laut Seat zu hoher Wahrscheinlichkeit eine Frau, die zwischen 30 und 40 Jahre alt ist, ihre Individualität genauso schätzt wie effiziente Motoren und digital mit ihrem sozialen Umfeld “connected” ist. All das bin ich nicht. Perfekt. Also auf zur Testfahrt mit dem für 2015 gelifteten, fünftürigen Seat Ibiza.
Lifting-Theorie pauken
Ein klassisches Zweijahres-Lifting erhielt der Ibiza dieses Mal aber nicht: Die Außenbereich-Änderungen beschränken sich auf neue Scheinwerfer mit integriertem LED-Tagfahrlicht, mehr Farbtupfer und neue Felgendesigns. Der kleine Spanier hat eben die große VW-Mutter im Nacken sitzen, die bei Käufergruppen beliebtes Design nur sehr langsam und widerwillig ändert. Aber das ist okay, denn der Ibiza sieht im Konkurrenzvergleich nach wie vor gut, frisch und in keinster Weise veraltet aus. Und so soll es vorerst ausreichen, dass sich künftige Ibiza-Besitzer mit den neuen Optionen ganz Opel-Adam-like voneinander abgrenzen können.
Ein “leonisierter” Innenraum
Im Innenraum lassen sich jetzt Auszüge aus dem großen Bruder Leon finden: Das griffige Lenkrad und die gut ablesbaren Rundinstrumente wurden direkt aus Seats Golf-Klasse in den Ibiza-Kleinwagen heruntergereicht. “Leonisierung” nennt der Hersteller diese Maßnahme, von der im Laufe der nächsten Jahre die gesamte Fahrzeugpalette profitieren soll.
Alles wird “connected”
Über eine Mirror-Link-Funktion kann der optionale Infotainment-Bildschirm in Zukunft die Inhalte und Apps von Smartphones spiegeln. Eigentlich sollten die “connecteten” Kundinnen bereits ein passendes Telefon dafür besitzen, trotzdem liefert Seat ein im Kaufpreis integriertes Samsung-Gerät mit. Fotos teilen, Nachrichten vorlesen lassen, Musik hören und Navigationsapps benutzen, alles kein Problem. Die Frage ist nur: Wer braucht das alles und lenkt das auf Dauer nicht ab? Wie wird die Zukunft aussehen? Ich freue mich auf eine Kamera im Rückspiegel, die Selfies der Insassen macht und die entstandenen Fotos direkt über alle sozialen Kanäle verschickt. Endlich einen eigenen Ü-Wagen besitzen.
Der Dreizylinder-Einstieg
Da die von Seat errechnete Zielgruppen-Frau zwischen 30 und 40 Jahren aber auch Effizienz zu schätzen weiß, kommen im Maschinenraum neue TSI- und TDI-Aggregate zum Einsatz. Die Basis- und Durchschnittsmotorisierung wird jetzt von einem 1,0-Liter-Otto aus dem VW-Regal gestemmt. Der Dreizylinder kommt bereits in konzernverwandten Polo zum Einsatz. Im Ibiza ist das Aggregat als 75-PS-Sauger, 95- und 110-PS-Turbo erhältlich. Ich schließe mich dem prognostizierten Durchschnitt an und wähle die 95-PS-Version mit 160 Newtonmeter Drehmoment. Der Dreizylinder klingt trotz Ausgleichswelle und dem ruhigen Leerlauf erstaunlich intensiv nach Dreizylinder. Richtig in Schwung kommt das Einliter-Motörchen mit Turbo-Zusatz erst bei über 2.500 Umdrehungen pro Minute. Untertourig fahren ist trotzdem kein Problem. Die Dreizylinder-Motoren-Konkurrenz aus Rüsselsheim hat in allen Kriterien aber einen deutlichen Vorsprung zu vermelden.
Die Getriebewahl
Betrachtet man die Konkurrenz, sind manuelle Sechsgang-Getriebe mittlerweile großflächig im Kleinwagensegment angekommen. Auch das bekannte VW-Derivat würde gut in den neuen 95-PS-Ibiza passen. Serienmäßig muss in den 75 und 95-PS-Versionen aber mit den Fünfgang-Pendants vorlieb genommen werden. Die 110-PS-Variante gibt es mit sechs Gängen und sie lässt sich darüber hinaus mit dem Siebengang-DSG aus Wolfsburg verbinden. Nach wie vor eine schöne Idee, Stadtautos mit einem Doppelkupplungsgetriebe zu versehen. In einem Segment, in dem Kunden sehr preissensibel sind, wird die 1.500 Euro teure Option aber eine Seltenheit bleiben.
2015er-Fahrwerk-Jahrgang
Am optional adaptiven Kleinwagen-Fahrwerk wurde auch gefeilt: Der Seat Ibiza teilt zwar immer noch alle Bauteile mit dem Konzern-Cousin aus Wolfsburg, die Abstimmung liegt aber weiterhin in spanischer Hand. Die besagte Hand hat beim 2015er-Jahrgang gute Arbeit geleistet. Der Ibiza lässt sich jetzt viel erwachsener auf der Autobahn bewegen. Das Fahrwerk kopiert nicht mehr nur die Straße, sondern reagiert anspruchsvoller und dynamischer auf Bodenwellen und Querfugen. In Verbindung mit der ebenfalls überarbeiteten elektrischen Lenkung wird die Fahrt über Serpentinen zu einem spanischen Ibiza-Urlaub mit deutscher Polo-Präzision.
Individueller Pauschalurlaub zum akzeptablen Preis
Los geht’s künftig bei 11.990 Euro für den dreitürigen Ibiza mit 75-PS-Benziner. Damit bleibt der spanische Ibiza rund 1.500 Euro günstiger als der deutsche Polo. Die gefahrene 95-PS-Variante des 1,0-Liter-Dreizylinders kostet im Ibiza SC mindestens 15.980 Euro. Der Fünftürer ist noch einmal 700 Euro teurer. Das ist okay für einen Kleinwagen – im Vergleich zum Polo-Platzhirsch. In Rüsselsheim bekommt man allerdings schon für 14.480 Euro einen 90-PS-Dreizylinder-Turbo-Corsa, der – entgegen dem Ibiza – serienmäßig über sechs Gänge verfügt.
(ml)
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