Aston Martin V12 Vantage S im Test: Voller Sound

October 22, 2013

Künftig der stärkste und schnellste Vantage: Der neue Aston Martin V12 Vantage S

In lediglich 3,9 Sekunden spurtet der sportliche Engländer von null auf Tempo 100

Maximal sind bis zu 328 km/h drin

Palm Springs (Kalifornien/USA), 21. Oktober 2013
Heimlich die Geliebte besuchen geht mit diesem Auto nicht. Denn spätestens, wenn sich der Liebhaber aus dem Staub machen will, kriegt die komplette Nachbarschaft mit, wer wieder da war: Der Kerl mit dem aufheulenden Motor. Jedes Mal, wenn die Zwölfzylinder-Maschine des neusten Aston Martin startet, tut sie das mit einem kurzen, dafür umso heftigeren Aufschrei. Als wolle sie sagen: “Da bin ich wieder!” Diese klangliche Präsenz ist nur eines der Markenzeichen des V12 Vantage S. Auch darüber hinaus präsentiert er sich mit charismatischen Ecken und Kanten.

Der größte Motor für den kleinsten Aston
In der wegen starker optischer Ähnlichkeiten nicht immer ganz leicht zu durchschauenden Modellpalette von Aston Martin liefert der neue V12 Vantage S eine interessante Kreuzung: Das kleinste Modell der Marke, der Vantage, bekommt den größten Motor des Hauses, einen 5,9-Liter-V12, eingepflanzt. Das Ergebnis ist ein kompromissloser, zweisitziger Sportwagen, der ein sehr direktes, unmittelbares Fahrerlebnis bietet. Angesprochen fühlen dürfen sich besonders jene, denen der fast schon auf die Spitze getriebene Perfektionismus, wie ihn etwa Porsche zelebriert, zu viel des Guten ist. Perfektionismus kann man dem V12 Vantage S beileibe nicht vorwerfen. Es gibt vieles, was andere Hersteller besser lösen. Und doch wurde im englischen Gaydon ein sehr stimmiger Bolide auf die Beine gestellt, in dem man sich wie James Bond austoben kann – oder zumindest so ähnlich wie der Geheimagent Ihrer Majestät.

573 PS und 620 Newtonmeter
Herzstück des künftig stärksten aller Vantage ist der Zwölfzylinder-Saugmotor, der bislang dem großen Bruder Vanquish vorbehalten war. Die große Herausforderung bestand darin, dieses Monster-Triebwerk in den vergleichsweise kleinen Motorraum des nur 4,39 Meter kurzen Coupés zu zwängen. Die Mühe hat sich gelohnt. 573 PS und 620 Newtonmeter Drehmoment ermöglichen es, den über die Hinterräder angetriebenen Edel-Briten mit geballter Wucht vorwärts zu treiben – und das über ein äußerst breites Drehzahlband. Bereits bei 1.000 Umdrehungen stehen 510 Newtonmeter bereit. Doch richtig Freude kommt erst auf, wenn die Maschine bis auf knapp 7.000 Touren hochgepeitscht wird. Dann drückt es Fahrer und Beifahrer kräftig in die Sitze. Dann wird intensiv erlebbar, wie nur 3,9 Sekunden vergehen, bis Tempo 100 erreicht ist. Dann entfaltet sich die akustische Urgewalt, die beim Anlassen nur angedeutet wird, in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit. Möglich ist dieser Hochgenuss bis zu irrsinnigen 328 km/h. Verantwortlich für den betörenden Sound ist eine Abgasanlage mit Klappensteuerung. Drückt man den Sport-Button, öffnen sich diese Klappen und entlassen die Abgase ohne den dämpfenden Umweg durch den Auspufftopf aus zwei fetten Endrohren. Die klangliche Vielfalt reicht dabei von dumpfem Grollen bis zu kreischendem Gebrüll.

Getriebe: Die Insassen nicken stets mit
Zusätzlich hielt in den neuen Zwölfzylinder-Vantage ein neues Getriebe Einzug, das – wie üblich bei Aston Martin – über der Hinterachse sitzt. Die Gänge werden statt über eine manuelle Box wie beim 517 PS starken Vorgänger ohne S in der Typenbezeichnung jetzt per automatisiertem Schaltgetriebe gewechselt. Das bringt eine Gewichtsersparnis von immerhin 25 Kilogramm mit sich, dürfte allerdings trotzdem nicht jedermanns Geschmack treffen. Denn jeder Schaltvorgang ist deutlich zu spüren und ein ums andere Mal erwidern das die Insassen, ob sie wollen oder nicht, mit einem Kopfnicken, wie man das im schlechtesten Falle vom Smart kennt. Im Sportmodus erfolgen die Gangwechsel deutlich schneller, bei forcierter Fahrt empfiehlt sich ohnehin der Eingriff von Hand über die Schaltwippen am Lenkrad. Es mag Fans dieser Getriebeart geben, weil man die Kraftübertragung förmlich spüren kann. Wer allerdings das PDK-Doppelkupplungsgetriebe von Porsche zu schätzen und lieben gelernt hat, der kommt unzweifelhaft zu dem Ergebnis, dass die schwäbische Lösung die zackigere und zugleich komfortablere ist.

Straff auf dem Asphalt
Der Anspruch des V12 Vantage S, Sportwagenfeeling möglichst unmittelbar und ungefiltert erlebbar zu machen, zeigt sich auch beim Fahrwerk. Fast wie ein Brett klebt der knapp 1,7 Tonnen schwere Sportler auf dem Asphalt, ist selbst in engen Biegungen nur mit Mühe in den Grenzbereich zu bringen und macht so selbst zügige Kurvenhatz zum puren Vergnügen. Erkauft wird das Ganze allerdings mit Einbußen im Alltagskomfort. Beinahe jede Bodenwelle und jede Querrille ist zu spüren. Die elektronisch geregelten Dämpfer lassen sich zwar per Knopfdruck verstellen. Doch die Modi Sport und Track betonen das auf Fahrdynamik ausgelegte Setup nur noch ausdrücklicher. Sehr gut gefällt hingegen die Lenkung des V12 Vantage S: Sie agiert äußerst direkt und präzise. Sehr gefühlvoll muss die serienmäßige Carbon-Keramik-Bremsanlage mit groß dimensionierten Scheiben (vorne 398, hinten 360 Millimeter Durchmesser) gehandhabt werden. Bei Bedarf packt sie richtig kräftig zu und bringt den Wagen flugs zum Stehen. Doch das unmittelbare Ansprechen beim Betätigen des Bremspedals verlangt viel Gefühl im Fuß, wenn man es weniger heftig wünscht.

Eigenständiger Kühlergrill
Optisch unterscheidet sich das neue Vantage-Topmodell nur geringfügig von den schwächer motorisierten Geschwistern. Am auffälligsten ist der individuell gestaltete Kühlergrill mit kleinmaschigem Gitter. Optional sind der besagte Grill, der Frontspoiler, die Außenspiegel, das Dach und weitere Details in Carbon zu haben. Die Kabine ist stets mit Leder ausgekleidet. Über verschiedene Farbtöne, kontrastierende Ziernähte sowie farblich abgesetzte Elemente in den Türverkleidungen stehen hier diverse Individualisierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Ganz und gar nicht dazu passen mögen die Luftausströmer oder die Schalter für die elektrische Sitzverstellung – sie sind jeweils aus billig wirkendem schwarzem Kunststoff gefertigt. Die Sitze könnten durchaus mehr Seitenhalt bieten, die Karosserie knarzt und ächzt immer wieder vernehmbar und das Infotainmentsystem entspricht technisch und grafisch nicht dem, was man von einem 180.000-Euro-Wagen erwarten kann. Aber es sind durchaus auch diese kleinen Unzulänglichkeiten, die den besonderen Reiz des Aston Martin V12 Vantage S ausmachen.
(mn)

- Zur Bildergalerie (27 Bilder)

- Immer informiert mit AutoNEWS: Mit einem Klick zum Newsletter

Posted in :  Auto
Tags : 

URL for this post : https://auto.de.0685.com/?p=399

Leave a Reply