Haar, 12. Juni 2015
Seltsamerweise scheinen die Menschen die 80er nach wie vor sehr zu lieben. Anders ist nicht zu erklären, warum ständig Dinge aus diesem eher schwierigen Jahrzehnt zurückkehren. Vieles davon ist völlig unfassbar und tut fürchterlich weh. Röhrenjeans zum Beispiel. Oder Aerobic.
Hot-Hatch-Comeback
Es gibt aber auch positive Beispiele. Sie ahnen womöglich schon, in welche Richtung das hier geht: Ich spreche von der Rückkehr der sogenannten Hot Hatches. Ja richtig, die 80er waren die Hoch-Zeit der kleinen wilden Spaßmacher vom Schlage eines Peugeot 205 GTi, eines Citroen AX GTi oder eines Renault 5 Turbo. Fast alle waren französisch und zwangsläufig so ausgelegt, dass man spätestens bei etwas Nässe automatisch in den nächsten Acker abflog. Rückblickend nennt man das authentischen Fahrspaß. In den 90ern war das größtenteils auch noch so. In den 2000ern dann nicht mehr. Die Hot Hatches wurden schwerer und kompromissbehafteter und erhielten langweilige Fahrwerke und nicht deaktivierbare ESPs.
Endlich wieder echte kleine Kerle
Ich weiß nicht, ob auch Vorstandschefs und Ingenieure irgendwann anfingen zu gähnen, zumindest haben sie reagiert und sich tatsächlich darauf besonnen, wieder kräftige Kleinwagen zu bauen, die mehr können, als nur kräftig zu sein. Die starken Minis und Renaults R.S.-Modelle sind hier ein gutes Beispiel (der aktuelle Clio R.S. mit Abstrichen) oder Ford und sein momentan grandioser Fiesta ST. Letzterer hat (wie die Minis oder die Renaults) zwar nichts mit unserem Test zu tun, aber wer sich in dieser Klasse ein bisschen was auf sich einbilden will, der muss zuerst am kleinen Kölner vorbei. An sich erscheint das Rezept einfach: Gib dem Auto eine bissige Vorderachse, ein launiges Heck und einen richtigen Schalthebel. Peugeot scheint das nach einigen wenig schmeichelhaften Episoden verstanden zu haben. Zumindest hat man mit dem 208 GTi gezeigt, dass man es durchaus doch noch kann. Und als wolle man dem jahrelang enttäuschten Partner die neu entflammte Leidenschaft so richtig unter die Nase reiben, haben die Franzosen gleich mal noch einen draufgesetzt. Mit dem 208 GTi 30th, der möglichst würdevoll den 30. Geburtstag des seligen 205 GTi begehen soll.
Tiefgreifende Genmanipulation
Damit das Fest nicht zum Flop wird, hat man die Haudegen der eigenen Motorsportabteilung (Peugeot Sport) zum Dienst bestellt. Peugeot Sport hat schon beim Coupé RCZ R ganze Arbeit geleistet (fahren Sie bitte einen, bevor Sie sich einen Audi TT kaufen), nun durften sie auch bei diesem zweifarbigen Zwerg die Sau raus lassen. Die Leistung des 1,6-Liter-Turbomotors steigt zwar nur moderat um acht PS und 25 Newtonmeter (208 PS, 300 Nm), dafür hat man sich bei Fahrwerk und Getriebe überhaupt nicht mehr eingekriegt. Die Sechsgang-Schaltbox ist nun kürzer übersetzt und für weniger “Hilfe-das-ist-alles-zu-viel” an den Vorderreifen gibt es ein Torsen-Sperrdifferenzial. Außerdem hat man die Spur gegenüber dem Standard-GTi an beiden Achsen verbreitert, straffere Federn und Dämpfer installiert und das Auto um zehn Millimeter tiefergelegt. Für mehr Traktion hat man zusätzlich den vorderen Stabilisator geschrumpft. Etwas mehr Negativ-Sturz bringt mehr Grip und schön viel Biss beim Einlenken und eine entspanntere ESP-Konfiguration bringt vor allem mehr Freude. Zu guter Letzt setzte man den kleinen Teufel auf schwarze 18-Zöller mit Michelin-Super-Sport-Pneus, hinter denen sich eine größere Brembo-Bremsanlage befindet. Sie sehen, hier wurde seriös gearbeitet.
Viel Holz für ein Facelift
Und wo wir gerade dabei sind: Auch der Polo GTI wurde bei seinem jüngsten Lifting mechanisch ordentlich auf links gedreht. Sehr gute Menschen bei VW entschieden sich tatsächlich für einen größeren (!) Motor, der nun 1,8 statt 1,4 Liter Hubraum hat. Er leistet 192 PS und sehr mächtige 320 Newtonmeter. Außerdem gibt es (endlich) ein Schaltgetriebe, mehr “Juhuu” fürs Fahrwerk, optionale elektronische Dämpfer, ein weniger strenges Sport-ESP und das elektronische Sperrdifferenzial XDS. Die neuen Schürzen erkennt kein Mensch, aber innen sieht der Polo GTI dank neuer Sitze und neuem Volant jetzt noch mehr nach Golf GTI aus. Die Qualität ist wirklich absolut beeindruckend.
Neuer Polo-Motor schiebt brachial
Im Polo zu sitzen ist also schonmal ziemlich großartig. Lässt man den neuen Motor richtig von der Leine, werden die Dinge definitiv nicht schlechter. Der Einsachter ist sicher keine Drehorgel, aber er schiebt schon früh wie der Teufel. Gerade in der Drehzahlmesser-Mitte ist das Aggregat erstaunlich “fett”. So “fett”, dass man das Lenkrad hin und wieder etwas kräftiger festhalten muss. Mehr Schub wird man im Konkurrenzumfeld jedenfalls nur schwer finden. Und auch über die neue Sechsgang-Box dürfen Sie sich freuen. Nicht nur, weil sie 70 Newtonmeter mehr im Rucksack hat als das Siebengang-DSG (verträgt nur 250 Newtonmeter) ist sie für GTI-Fans erste Wahl. Schalt- und Pedalgefühl sind zwar nicht so knackfrisch wie im Fiesta ST, aber der Stock geht leicht und exakt durch die Gassen und verleiht dem Polo einfach mehr Do-it-Yourself-Charakter.
Besser, aber ohne Gänsehaut
In Kurven stellt sich der Wolfsburger GTI ebenfalls geschickter an als vor dem Facelift. Neue Achslager und ein dickerer Stabilisator hinten geben dem Auto gefühlt mehr Haltung. Der Polo wirkt wuseliger und wankt weniger. Extase auslösende Adrenalinkicks sollte man von ihm aber nach wie vor nicht erwarten. Selbst mit dem neuen XDS (bremst die kurveninneren Räder in der Kurve ein, um Untersteuern zu minimieren) geht der Polo, wenns heiß wird, ziemlich stark Richtung Kurvenausgang. Und auch wenn das neue Sport-ESP aktiviert ist, bleiben die Möglichkeiten, das zu korrigieren, eher dünn. Außerdem ist auch die neue Lenkung nicht sehr kommunikativ. Beim Polo kriegt man das, was man von VW erwartet: Ein sehr schnelles, narrensicheres, etwas gefühlskaltes Auto.
208-Motor wirkt schwächer
Den komplett anderen Ansatz bekommt man eingetrichtert, sobald man sich in in die monströs und verflucht teuer aussehenden Schalensitze des Peugeot geschraubt hat. Knallrote Fußmatten, ein Alu-Schaltknauf (der im Winter schrecklich kalt und im Sommer schrecklich heiß wird) und das gelegentliche Knacken des Torsen-Differenzials machen schon beim Losrollen feinste Boxengassen-Musik. Das Getriebe wirkt etwas straffer als im normalen 208 GTi, die Extra-Pferdchen des aufgepeppten Turbos merkt man allerdings nicht. Die 1,6-Liter-Maschine bringt den Super-GTi zwar richtig gut voran, alles in allem wirkt sie aber etwas uncharismatisch. Der Klang ist eine einzige Enttäuschung und wenn man ehrlich ist: Der Polo (röhrt künstlich durch den Lautsprecher. Buh!) ist gefühlt ein ganzes Eck schneller unterwegs.
Dynamisch eine Sensation
Macht aber gar nix, denn sobald die Gerade aufhört, ist der kurze Gallier auf und davon. Er fühlt sich so viel schärfer, bissiger und gieriger an als der herkömmliche 208 GTi (der alles andere als ungierig ist) und ist Meilen giftiger als der Polo. Er hat neue, überragende Brembo-Bremsen und endlich hat er auch in engen Kehren Traktion. Die Vorderachs-Sperre katapultiert den 208 ohne Verluste aus jeglichem Eck. Man muss wirklich einfach nur draufhalten, den Rest erledigt das Auto. Es ist fast so, als wäre man ein knuffiger, rot-schwarzer Stein in einer viel zu großen Schleuder. Gerade wenn man die Regelsysteme abstellt, entfaltet der Jubiläums-GTi sein volles Potenzial. Mit Unmengen an Grip, aber auch mit französisch fliegendem Heck, wenn man das möchte. Näher an den seligen 205 GTi kommt man heutzutage wohl nicht. Das Schöne ist: Der 208 ist wirklich verdammt sportlich abgestimmt, aber in keinster Weise hart. Weniger gut: Peugeot hat in puncto Innenraum- und Infotainmentqualität spürbar zugelegt, zum Polo fehlen trotzdem noch Welten. Außerdem sind die Sitze für Menschen über 1,70 Meter wie eine Affenschaukel und an das pygmäenhafte, unterhalb der Instrumente angeflanschte Lenkrad kann man sich wohl auch nie so richtig gewöhnen.
Mehr GTI im Peugeot
Am Ende fällt der Spaßfaktor deutlicher zugunsten des Peugeot aus, als man das vielleicht anfangs gedacht hätte. Gemeinsam mit dem Ford Fiesta ST und dem Mini John Cooper Works setzt der 208 GTi 30th in dieser Klasse die fahrdynamischen Standards. Wer öfter auf die Rennstrecke geht oder viel für kurvige Bergstraßen überhat, weiß also: Peugeot, nicht Polo. Alle anderen dürften mit dem extrem durchzugsstarken, irre hochwertigen aber etwas spröden Wolfsburger glücklich werden. Noch ein paar Zahlen gefällig? Beim Testverbrauch steht es 8,0 zu 8,9 für den Peugeot. Preislich hat der Polo mit 22.275 zu 27.590 Euro überraschend deutlich die Nase vorne. Selbst ausstattungsbereinigt ist der deutsche GTI fast 2.000 Euro günstiger als der französische. Teure Spielereien wie das Sperrdifferenzial, die Brembo-Bremse oder 18-Zöller gibt es im Polo aber gar nicht. Ein letzter Tipp noch: Wenn Sie den Polo kaufen, nehmen Sie die elektronischen Dämpfer. Sie kosten nur 285 Euro und sind eine Wucht. An unserem Urteil ändert aber auch das nichts: Den wahren GTI baut Peugeot.
(sw)
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