Nizza (Frankreich), 17. Juni 2015
Die Gefühle haben Schweigepflicht. So besingt es ein (eher fieser) Schlager. Aber es gilt auch für uns Autotester. Emotionen sollten außen vor bleiben, schließlich wollen Sie, lieber Leser, ausgewogen informiert werden. Aber es gibt Fahrzeuge, bei denen man sein Herz nicht so einfach wegsperren kann. Eines davon ist der neue Mazda MX-5, den wir bereits testen konnten.
Kennzeichen D
Doch zunächst zu den harten Fakten: Vor uns steht die vierte Generation des MX-5, sie trägt den Baureihen-Code ND. NA, also die Nummer eins, hauchte 1989/90 dem Roadster-Markt neues Leben ein. Seither wurden rund 950.000 MX-5 gebaut, die Neuauflage wird unschwer die Million knacken. Dem Vorgänger sah man an, dass Erfolg träge macht. Sein Design folgte der klassischen Linie des NA, aber es wirkte schon etwas moppelig. Deshalb lauteten die Vorgaben: Weniger Gewicht, schärfere Optik. Und tatsächlich folgt auf Diego Maradona jetzt Lionel Messi.
Das Messer angesetzt
Der neue MX-5 wurde im Vergleich zum Vorgänger um elf Zentimeter auf nur noch 3,91 Meter eingekürzt. Auch der Radstand wurde etwas verringert, während es in der Breite einen Zentimeter mehr gibt. Na toll, passen lange Kerls schon wieder nicht hinein, wird sich da mancher denken. Und liegt falsch, denn Mazda hat gleichzeitig die Sitzposition abgesenkt. Als Resultat kann ich meine 1,88 Meter Körpergröße problemlos hinter dem Lenkrad unterbringen. Aus Gewohnheit schiebe ich meinen Sitz noch etwas nach vorne, trotz fehlender Höhenverstellung habe ich keinen Scheibenrahmen im Blickfeld. Seine Unterkante liegt in etwa dort, wo meine Frisur aufhört. Alles kein Problem also, auch für meinen noch längeren Beifahrer. Er muss am Steuer die Beine etwas stärker anwinkeln, zwischen Lenkradkranz und Oberschenkel ist aber noch genügend Freiraum. Ein luftiges Raumgefühl bot und bietet der MX-5 natürlich mehrheitlich über dem Scheitel, aber dank ausgeformter Türverkleidungen lässt sich jetzt auch der Arm bequem ablegen. 90 Prozent der Bevölkerung sollten im MX-5 kein Sitzproblem haben, aber ich empfehle zur Sicherheit trotzdem die Probe in der Praxis.
Modernes Licht
Dank der geschrumpften Abmessungen hat der neue Mazda MX-5 optisch deutlich dazugewonnen. Man hat den vorderen Überhang eingekürzt, weshalb nun alle MX-5 serienmäßig platzsparende Voll-LED-Scheinwerfer aufweisen. Hinzu kommt eine Alu-Motorhaube, deren konturierte Form sich Richtung Asphalt neigt. Schön, dass sich die Anforderungen beim Fußgängerschutz auch erfüllen lassen, ohne zum Nasenbär zu mutieren. Endlich hat Mazda den Mut bewiesen, die klassische MX-5-Form aufzubrechen, ohne das Konzept als solches zu verwässern.
Idiotensichere Kapuze
Dazu gehört natürlich ein Stoffverdeck. Und zwar keines mit elektrischer Betätigung. Ein Zug am Hebel reicht, die Seitenscheiben fahren etwas nach unten und schon kann ich die Kapuze mit einer Hand nach hinten werfen. Dann nur noch schnell festdrücken, fertig ist die Laube! Ganz ehrlich: Wer das nicht hinbekommt, hat auch Probleme, ein Gurkenglas zu öffnen. Nobuhiro Yamamoto, Chefentwickler des neuen MX-5, verweist darauf, dass das Verdeck einen Aluminiumeinsatz hat, der das Flattern verhindern soll. Zudem ist bei den meisten Ausstattungen eine zweilagige, besonders gedämmte Ausführung serienmäßig. Ergo kommt seiner Meinung nach bereits der “normale” MX-5 an das alte Hardtop-Coupé mit Kunststoff-Klappdach heran. Trotzdem ist dessen Nachfolger schon in der Entwicklung, wie Yamamoto verrät. Puristen mögen beim Gedanken daran aufstöhnen, aber der Ganzjahres-MX-5 hat sich gut verkauft.
Lust an der Luft
Jetzt aber hinters Lenkrad geklemmt und nachgeprüft, ob Yamamoto-san gute Arbeit abgeliefert hat. Wir wählen zunächst den neuen 1,5-Liter-Benziner mit 131 PS und Direkteinspritzung. Um schnell zu merken, dass der Drehzahlmesser nicht ohne Grund zentral vor der Fahrernase angeordnet ist. Der kleine Motor hängt zwar vorzüglich am Gas, aber unter 2.000 Touren läuft nicht viel. So ist das eben ohne Turboaufladung. Aber genau für diesen Umstand muss man Mazda dankbar sein. Du musst den Motor hochjubeln, du willst den Motor hochjubeln. Mit der Hand auf dem kleinen Schalthebel habe ich den Finger am Abzug, Sagenhaft kurze Wege und eine präzise Führung machen das Nachladen zur Lust. Zack! Zweiter Gang! Durch die Kurve. Zack! Dritter Gang! Aufs Gas! Die 1.500er-Maschine bedankt sich mit einer kernigen, nicht unangenehmen Tonlage. Ab 3.000 Umdrehungen spielt die Musik, bei 4.800 Touren liegen die maximalen 150 Newtonmeter an, erst ab 7.000 Touren beginnt der rote Bereich. Nein, Herrschaften, das hier ist keine Luftpumpe. Das ist ein großer Ventilator, der eure Alltagssorgen aus dem Kopf bläst. Apropos Wind: Komplett offen, also mit versenkten Seitenfenstern, lässt es sich auch bei 90 km/h ohne Schal oder ähnliches Zubehör aushalten. Eine integrierte Nackenheizung im MX-5? Eher wird eine Frau zum Papst gewählt.
Der Ich-Faktor
Schon nach wenigen Kilometern verschmilzt man mit dem MX-5, du wirst zur Mensch-Maschine. Kein Wunder, wiegt der Wagen doch leer jetzt nur 975 Kilogramm. Das sind fast 200 Kilogramm weniger als beim Vorgänger. Über die hinreißend geformten vorderen Kotflügel lassen sich Kurven präzise ansteuern, die direkte Lenkung schnippt den Mazda förmlich ums Eck. In der Kurve selbst neigt sich der MX-5 kaum und bleibt lange neutral, der 50:50-Gewichtsverteilung sei Dank. Wer es beherrscht, kann den MX-5 aber selbst mit ESP zum gepflegten Heckschwenk überreden. Das autonome Auto wird kommen, aber das hier ist noch etwas für autonome Fahrer. Einziges Manko ist der mäßige Seitenhalt der Seriensitze. Lösung: Ein Bein am fetten Mitteltunnel anlehnen oder Recaro-Sportsitze ordern. Sie gibt es aber nur für die Topausstattung mit dem stärkeren 160-PS-Motor.
Weniger ist mehr
Das bringt uns zur Frage: Lohnt sich der Zweiliter? Auch er bringt keinen Turbo mit. Die maximal 40 Kilogramm Mehrgewicht sind eine Petitesse. Aber mit der größeren Maschine wirkt der MX-5 unruhiger und weniger harmonisch. Ein Grund sind die hier serienmäßigen 17-Zöller und das teilweise verbaute Bilstein-Sportfahrwerk. Der mit 16-Zoll-Alus bestückte “kleine” MX-5 bügelt überraschend viele Grobheiten weg und ist klar komfortabler. In den reinen Daten stehen 50 Newtonmeter mehr, eine Sekunde weniger von null auf 100 km/h und eine zehn km/h höhere Endgeschwindigkeit zu Buche. Aber unter uns: Wer seinen MX-5 nur mit 180 Sachen über die Autobahn prügelt, hat das Konzept nicht verstanden.
Eine gute Basis
Auch Mazda erwartet im Verkauf einen höheren Anteil des 131-PS-Motors. So oder so: Wenn der neue MX-5 ab dem 11. September 2015 beim Händler steht, bleibt er ein erreichbares Vergnügen. Los geht es bei 22.990 Euro für die Basisversion, die bereits eine Klimaanlage, LED-Scheinwerfer, 16-Zoll-Alus und ein USB-Radio mitbringt. Diese Variante lohnt sich für Puristen, denen der in den höheren Versionen serienmäßige Sieben-Zoll-Touchscreen auf dem Armaturenbrett missfällt. Das war auch meine Befürchtung, aber der Monitor stört den Blick auf die Straße nicht.
Man gönnt sich ja sonst nichts
Leider sind viele Extras an bestimmte Ausstattungslinien gekoppelt. Mein Tipp: Entweder pure Basis oder die “Sports-Line” genannte Topausstattung. Sie kostet mindestens 27.490 Euro, ist also “nur” 4.500 Euro teurer. Zudem muss man sich dann nicht grämen, auf einige Extras verzichtet zu haben, die sich im Alltag als sinnvoll erweisen. Das beginnt bei der Klimaautomatik und reicht über die Sitzheizung bis zum Navi und der Einparkhilfe hinten. So berauschend ist die Sicht nach hinten mit geschlossenem Verdeck nämlich nicht. Wenn ich schon beim Meckern bin: Mehr poppige Lackierungen würden dem MX-5 gut stehen, zudem sollte Mazda Assistenzsysteme zur Totwinkelwarnung und Halten der Spur nicht nur in der 160-PS-Version optional anbieten. (Falls es jemand brauchen sollte…) Gibt es Konkurrenz für den neuen MX-5? Ja, nämlich hausgemachte: Fiat wird noch 2015 den 124 Spider auf Basis des MX-5 vorstellen. Wir bleiben aber lieber beim Original.
(rh)
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