Mendig, 10. August 2015
Bevor Sie sich zu sehr verlieben: Alle F-Types mit dem wunderbaren D-Type-Gedächtnis-Höcker hinter dem Fahrersitz sind bereits weg. Der Project 7 (die Sieben steht für Jaguars Anzahl an Le-Mans-Siegen) ist auf 250 Exemplare limitiert. Jaguar empfand die 250 als eine “wohlklingende Zahl” und “in etwa die Größenordnung, die man sicher verkaufen könne”. Hinterher weiß man allerdings meist mehr, sprich: Auch 500 Stück wären wohl problemlos weggegangen. Aber das hier ist das Erstlingswerk der 2014 neugegründeten Jaguar Land Rover Special Operations, einer Art Spezialeinheit für alles, was besonders teuer, sportlich, edel und/oder geschichtsträchtig ist. Und 250 ist halt mehr “Special” als 500 oder gar 1.000.
Der Stärkste
Worauf sich die illustre F-Type-Project-7-Kundschaft (immerhin 22 davon stammen aus Deutschland) freuen kann, ist eine ganze Menge. Auch wenn Jaguar darauf besteht, dass sein Super-Spezial-Roadster kein Rennstreckenauto ist, wirken die vorgenommenen Änderungen ganz schön Rennstreckenauto-mäßig: Der 5,0-Liter-V8 leistet nun dank etwas mehr Kompressor-Ladedruck 575 PS und 700 Newtonmeter (im F-Type R sind es 550 PS und 680 Newtonmeter). Das macht den Project 7 zum stärksten Serien-Jag aller Zeiten. Zum lautesten wahrscheinlich auch, aber dazu komme ich gleich noch. Über eine verschnellerte Achtgang-Automatik sowie ein elektronisches Sperrdifferenzial gelangt der immense Kraftschwall ausschließlich nach hinten. Von null auf hundert geht es nun in 3,9 Sekunden und damit es dem im Freien sitzenden Insassen-Paar nicht irgendwann die Köpfe abreißt, schiebt man dem Vorwärtsdrang des Autos bei 300 km/h elektronisch den Riegel vor.
Ja, auch ein wenig leichter
Den wohl größten Aufwand leisteten sich die Special-Operations-Jünger bei Fahrwerk und Aerodynamik. Na gut, der F-Type Project 7 ist auch 45 Kilo leichter als ein F-Type R Cabrio (er wiegt noch immer 1.620 Kilo), aber das liegt vor allem an den absolut glorreich aussehenden Schalensitzen und dem Wegfall eines elektrischen Verdecks. Der Project 7 verfügt über ein vierteiliges Notdach, das man nicht wirklich drauffummeln will, wenn man es nicht unbedingt drauffummeln muss.
Jetzt auch mit Downforce
Aber genug der Unwichtigkeiten, sprechen wir über Downforce. Laut Jaguar erzeugt der F-Type Project 7 tatsächlich messbare Mengen davon. Diese Mengen seien nicht sonderlich groß, das gebe man zu, aber der zweiteilige Frontsplitter, die Seitenschweller, der monströse Heckdiffusor sowie der etwas arg präsente Flügel auf dem Heckdeckel (alles was hier aufgezählt wurde besteht natürlich aus Carbon) erfüllten durchaus einen Sinn. Auch wenn diese Zahl ziemlich nutzlos erscheint: Bei 300 km/h erzeugt der Project 7 177 Prozent mehr Abtrieb als ein F-Type R. Ob auch die gechoppte Frontscheibe dem Wind ein Schnippchen schlägt, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist sie bei gleichem Winkel etwa acht Zentimeter kürzer als sonst, was der extremisierten Optik des Autos die Krone aufsetzt. Apropos extrem: Die 2013 gezeigte Studie, die letztlich zum Project 7 führte, war ein Einsitzer. Da sich offenbar nur einer der 250 Kunden mit der Idee anfreunden konnte, mit sich und seinem limitierten Geschoß alleine zu sein, war der Monoposto für die Serie allerdings schnell aus dem Rennen.
Viele kleine Schritte
Rennen sollen Sie mit dem Project 7 ja wie erwähnt eher nicht fahren. Das Maßnahmen-Paket für mehr Agilität und Traktion in allem, was auch nur ansatzweise so aussieht wie eine Kurve, ist dennoch beachtlich. Der Spezial-F-Type erhält neue, höhenverstellbare Federn und Dämpfer. Die Federn sind vorne um 80 Prozent straffer als bisher. Geänderte obere Federbeinlager sowie neue Querstabilisatoren vorne und hinten sollen das Fahrwerk steifer machen. Neue Achsschenkel steigern den Negativ-Sturz an der Vorderachse von 0,5 auf 1,5 Grad. Das ermöglicht ein deutlich direkteres Einlenkverhalten und mehr Vorderachsgrip. Serienmäßig rollt der Project 7 auf 20-Zöllern mit speziellen Continental-Conti-Force-Contact-Reifen, hinter denen reichlich monumentale Carbon-Keramik-Bremsen für angemessene Stopp-Gewalt sorgen. Zu guter Letzt wurden auch noch die elektromechanische Lenkung sowie das Gaspedal mit einer optimierten Kalibrierung versehen. Mit anderen Worten: Das hier ist mehr als eine reine Marketing-Nummer.
Antrieb? Brachial und schamlos
Und auf den verspielten Eifelsträsschen, wo man mir den Project 7 freundlicherweise in die Hände legte, fährt es sich auch so. Jaguars Kompressor-V8 war Zeit seines Lebens mit einem mehr als generösen Bumms über sehr weite Teile des Drehzahlbandes gesegnet. Nun eben noch ein bisschen mehr. Der zugehörige Klang gehört schon fast in die Komik-Abteilung. Mit all dem Gebrabbel, Geploppe und Bäng, Bäng, Bäng ist er auf durchaus amüsante Weise ein bisschen zu viel des Guten. Wirklich spürbar: Die ZF-Achtgang-Box legt in Jaguars Siebener einen ganzen Zahn zu. Sie war vorher schon klasse, jetzt ist sie ansatzlos und großartig.
Präziser, aber noch immer reichlich wild
Ansonsten ist der Project 7 trotz einer mehr als beachtlichen Nordschleife-Zeit von 7:35 Minuten natürlich nicht die Neuerfindung des F-Type. Er wirkt ein bisschen agiler, hat ein bisschen mehr Lust einzulenken und findet in der Kurve auch ein bisschen mehr Grip. Sprich: Nicht jeder Versuch, in der Mitte der Kurve aufs Gas zu gehen, endet in Tonnen an Rauch und absurd großen Driftwinkeln. Der Project 7 konzentriert sich einfach etwas besser, ohne dabei das ungestüme Wesen seiner normaleren F-Type-Geschwister komplett abzulegen. Auch er hat die lustvolle Übersteuer-Neigung tief im Genpool implantiert, hat sich aber besser im Griff und wirkt präziser.
Sehr alltagstauglich
Die Unterschiede zwischen den Modi erscheinen nun ebenfalls größer. Wobei ich auch erwähnen möchte: Selbst in “Dynamik” machte der Project 7 bisweilen einen recht weichen Eindruck und er bewegte sich relativ stark. Das hier ist ein verdammt schnelles, verdammt spaßiges Auto, aber von einer Präzisionswaffe à la 911 GT3 ist es meilenweit entfernt. Zumindest wenn es nach mir geht, hätte man ein limitiertes Extrem-Produkt einer hauseigenen Spezialabteilung ruhig noch radikaler und kompromissloser abstimmen dürfen. Im Umkehrschluß bedeutet das natürlich: Alltagseinbußen gibt es – abgesehen von einem etwas unbrauchbaren Dach – so gut wie gar nicht. Der F-Type Project 7 ist bequem und verfügt über alle Annehmlichkeiten des normalen F-Type. Sogar die sündhaft teuer aussehenden Schalensitze mit ihren (nicht zwingend erforderlichen) Vierpunktgurten sind teilelektrisch verstellbar. Insgesamt macht das Interieur zusammen mit den Echtcarbon-Einlagen und dem Alcantara-Lenkrad einen sehr hochwertigen, besonderen Eindruck.
Preis und Konkurrenz
Die Frage nach dem Preis ist eigentlich ziemlicher Quatsch, schließlich haben alle 250 Jaguar F-Type Project 7 bereits einen neuen Besitzer gefunden. Falls es Sie dennoch interessiert: Das Auto hat einen Listenpreis von 155.000 Euro. Damit ist es exakt 41.200 Euro teurer als ein F-Type R Cabriolet. Dem voraus hat es nicht nur deutlich mehr Carbon, Agilität und Limitierung, sondern auch ein gewisses Manufaktur-Gefühl. Schließlich werden in einem eigenen Werk über 80 Stunden für die Verwandlung vom F-Type zum Project 7 aufgewendet. Die Konkurrenz kommt in Form des deutlich perfekteren, schnelleren, aber weniger emotionalen Porsche 911 Turbo Cabrio oder des ähnlich hemmungslosen Mercedes AMG GT S. Okay, erwischt, der AMG hat ein Dach, aber er bietet das gleiche Drama und obendrein mehr Fahrwerkskompetenz. Den glücklichen Ergatterern des Project 7 – hoffentlich nicht ausschließlich Sammler mit großen Garagen und wenig Fahrlust – soll und wird das aber wohl reichlich egal sein.
(sw)
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