Porto (Portugal), 28. August 2015
Das waren noch Zeiten, als ein Bordcomputer mit Temperaturanzeige das technische Nonplusultra im Auto darstellte. So war es nämlich 1980 bei der ersten 7er-Reihe. 35 Jahre später und fünf Generationen weiter hat München sein Flaggschiff bis zum Anschlag mit extrem modernen Technik-Features ausgerüstet, die wir eher in Flugzeugen denn in Autos vermuten würden. Also mutiert der testende Redakteur zu Pilot und Passagier in Personalunion. Setzt der 7er die Luxus-Messlatte höher?
Glanz und Gloria
Ich betrachte den neuen Business-Jet von außen: Wäre nicht der üppige Chrom-Glitter an der Karosserie (China lässt grüßen), müsste man schon den Vorgänger danebenstellen, um die Unterschiede zu finden. Die diskrete Weiterentwicklung des Designs ist Absicht, schließlich verkaufte sich die nun abgelöste 7er-Modellreihe weltweit über 320.000-mal. Auch mit dem Nachfolger gelingt BMW der schwierige Spagat zwischen Zurückhaltung und Repräsentation. Falls Sie übrigens weniger Bling-Bling am Auto möchten: Wählen Sie das neue M-Sport-Paket (zwischen 6.500 und 7.100 Euro), bei dem der Chrom abgedunkelt ist. Gewissermaßen die Shadowline-Ausstattung des 21. Jahrhunderts.
Suite Nummer 7
Hinsichtlich der Abmessungen bleibt der 7er eher Schiff denn Flugzeug: Schon die Normalversion ist 5,10 Meter lang und weist einen Radstand von 3,07 Meter auf. Das Langmodell mit dem Buchstaben L am Heck streckt sich auf 5,24 Meter bei einem Radstand von 3,21 Meter. Die Folge ist hier ein fast schon begehbarer Fond, in dem gegen Aufpreis der Beifahrersitz nach vorne gleitet und eine Fußablage für den Fondpassagier herunterklappt. So lässt es sich lässig dahinfläzen, zumal mit vielerlei Massagefunktionen und einem Tablet, mit dem ich von hinten die Klimatisierung oder die Musik steuere oder im Internet surfen kann. Keine Frage: Das ist der Chauffeur-BMW, auch wenn es den hinteren Möbeln ein wenig an Seitenhalt fehlt und die tiefe Sitzfläche für lange Personen nicht ganz optimal ist. Aber die Normalversion genügt im Normalfall völlig, denn schon hier reicht die Beinfreiheit für Basketballspieler. Zumal die eingesparten 5.800 Euro mühelos in Extras versenkt werden können.
Bitte wedeln!
Also greife ich mir für die erste Testrunde den 730d. Aber einfach losfahren ist nicht: Ein freundlicher BMW-Ingenieur erklärt mir, was sein Riesenbaby alles kann. Das geht im Cockpit los: Je nach Fahrmodus werden die Instrumente anders angezeigt, per Gestensteuerung kann ich unter anderem die Lautstärke regeln. Dazu lasse ich meinen Zeigefinger in einer kreisförmigen Bewegung auf Höhe des Getriebewählhebels zappeln. Im Uhrzeigersinn für “lauter”, entgegengesetzt für “leiser”. Interessant, nur sieht es seltsam aus, funktioniert nicht immer und birgt sogar eher Gefahren: Warum muss ich auf der Autobahn die Hände vom Lenkrad nehmen, obwohl dort entsprechende Tasten sind? Selbst BMW gibt zu, dass man damit zeigen möchte, was möglich ist und einige Kunden den Vorführ-Effekt goutieren.
Ein ferngesteuertes Auto. In echt!
Der ist bei einer anderen Funktion garantiert, nämlich dem ferngesteuerten Parken. Über den Displayschlüssel (dessen Akku etwa eine Woche hält) kann man den 7er von außen in enge Garagen oder Längsparklücken manövrieren. Die dabei zurückgelegte Strecke beträgt maximal das 1,5-fache der Fahrzeuglänge, außerdem sollte der draußen stehende Fahrer auf Hindernisse achten. Trotzdem stoppt der 7er natürlich auch selbst, wenn die Sensoren etwas registrieren. Braucht man das? Vielleicht. Beeindruckend ist es allemal, wenn das Dickschiff wie von Geisterhand startet und losfährt.
Auf Linie gebracht
Ein gutes Stichwort, um mich endlich Richtung Autobahn zu begeben, um dort die versammelte Assistenz-Armada auszuprobieren. So gibt es zum Beispiel nicht nur einen simplen Tempomat: Im 7er arbeitet ihm die Verkehrszeichenerkennung zu. Wird ein Tempolimit erkannt, kann ich das per Knopfdruck in den Geschwindigkeitsregler übernehmen. Um den Rahmen dieses Fahrberichts nicht zu sprengen, sei lediglich noch auf den Lenk- und Spurführungsassistenten hingewiesen. Einen Tempomat mit Abstandsregelung und ein Spurhaltesystem gibt es schon in vielen Autos. Neu ist beim 7er, dass Kameras und Sensoren am Auto die Strecke und andere Fahrzeuge registrieren. Durch Lenkunterstützung wird die Spurmitte gehalten und dem vorausfahrenden Fahrzeug gefolgt. Das funktioniert auf allen Straßen und bis zu 210 km/h. In der Praxis aktiviere ich eine Geschwindigkeit und nehme die Hände ganz leicht vom Lenkrad. Tatsächlich folgt der 7er wie von Geisterhand der Autobahnspur. Doch sofort ermahnt mich ein optischer Hinweis, doch bitte wieder die Hände aufs Lenkrad zu legen, nach zwölf Sekunden schrillt ein Ton als ultimative Drohung. Noch wollen es die Gesetze so, aber ich merke, dass es zum vollständig autonomen Fahren nicht mehr weit ist. Erst einmal sind die Systeme eine Unterstützung, der Lenkeingriff erfolgt sanft. Bleibt nur zu hoffen, dass niemand die Technik als Freibrief ansieht, um noch mehr am Smartphone herumzufummeln.
Praxis gegen Prestige
Das sollte man besser vom Fond aus machen, dank des vorzüglichen Abrollkomforts und einer ausgewogenen serienmäßigen Luftfederung an beiden Achsen fällt dem Manager/Scheich/Politiker/Edelsohn das Telefon nicht aus der Hand. Auch für genügend Ruhe ist gesorgt, sowohl der von uns gefahrene 730d als auch der 750Li beeindrucken durch ihr dezentes Laufgeräusch. Welchen der beiden sollte man nehmen? Der 750er hat trotz V8 den prestigeträchtigeren Namen und ist mit 450 PS um fast 200 PS stärker als der 730d (265 PS). In der Beschleunigung nimmt der Benziner dem Diesel 1,7 Sekunden ab, hier steht es 4,4 zu 6,1. Allerdings wirkt das Brachiale im Antritt des großen Motors eher störend. Der “Tritt in den Hintern” passt nicht so recht zum Luxusanspruch des 7ers. Hier wirkt der Diesel gelassener, schließlich liegt er mit 620 Newtonmeter maximalen Drehmoment fast auf Augenhöhe mit dem 750i und 750Li. Deutlich geringer ist dagegen der Verbrauch: Zwar gehören die offiziellen 4,5 Liter des 730d in den Bereich der Fabel, aber auch unsere 6,4 Liter bei konstant 120 km/h sind für ein 1,8 Tonnen schweres Auto respektabel. Hier kommt zum Tragen, dass die BMW-Ingenieure durch verstärkten Einsatz von Carbon den 7er um bis zu 130 Kilogramm abgespeckt haben.
Plug-in-Hybrid und V12
Der BMW 750i und 750Li stellt das vorläufige Topmodell der Baureihe dar, ein 760er mit Zwölfzylinder wird aber noch kommen, China sei Dank. Bereits fest eingeplant ist der 740e mit Plug-in-Hybrid, der 326 PS Systemleistung aufweist, bis 120 km/h rein elektrisch fährt und mit Strom bis zu 40 Kilometer weit kommt. Im 750i/Li ist stets Allrad serienmäßig und es lässt sich nun auch hier die so genannte Integral-Aktivlenkung ordern. Einen zwingenden Vorteil bieten in der Praxis aber beide Systeme nicht. Auch mit der normalen Lenkung und Hinterradantrieb schnürt der 7er beeindruckend leichtfüßig über kurvige Landstraßen. Nur der Blick in die Spiegel hilft einem zur Vergewisserung, dass man hier mit über fünf Meter Masse seinen Spaß hat.
Was darf es sein?
Ob man beim Studium der Preisliste auch seinen Spaß haben wird? Bis zum 24. Oktober 2015 bleibt genügend Zeit zum Studium, dann rollt die neue 7er-Reihe zu den Händlern. Los geht es bei 81.900 Euro für den empfehlenswerten 730d. Serienmäßig sind neben der Achtgang-Automatik und 17-Zöllern auch Lederpolster, LED-Scheinwerfer und ein Navigationssystem mit WLAN-Hotspot und Gestensteuerung. In Sachen Extras hängt alles vom Geldbeutel und Geschmack ab. Lohnenswert erscheint das Innovationspaket für 5.990 Euro. Hier sind Laserlicht, ein Head-up-Display und die teilautonomen Fahrhilfen inklusive. Ob man aber Keramikeinfassungen auf der Mittelkonsole oder beheizte Armauflagen braucht? Der Kunde ist König. Besonders im Fond eines 7ers.
(rh)
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