Fahrbericht: Neuer Audi A4 mit 252-PS-Top-Benziner im Test mit technischen Daten, Preisen und Markteinführung

September 11, 2015

Der Audi A4 wechselt in die neunte Modellgeneration. Wir haben die neue Mittelklasse-Limousine bereits zu einer ersten Testfahrt ausgeführt

Die Abmessungen wuchsen dezent: Der neue A4 misst bei einem Radstand von 2,82 Meter insgesamt 4,73 Meter

Drei Benziner mit 150, 190 und 252 PS wird es geben. Die drei verfügbaren Selbstzünder leisten 150, 190 und 272 PS

Venedig (Italien), 10. September 2015
Auf den ersten Blick könnte man meinen, nach acht Generationen, 43 Jahren und über zwölf Millionen verkauften Exemplaren der A4-Baureihe (die Modelle hießen bis 1994 noch Audi 80), fehlt es in Ingolstadt jetzt plötzlich an Ideen, um die Bestseller-Fahrzeuge von Audi in der neunten Mittelklasse-Auflage weiter attraktiv am Markt zu halten. Der Neue zeigt zwar mehr Kante bei der Karosserie, neue Scheinwerfer und neue Heckleuchten gibt es auch, aber im Großen und Ganzen fassen diese drei Punkte die direkt ersichtliche Überarbeitung auch schon zusammen. Doch trotz der optischen Exterieur-Nähe zum Vorgänger, der neue A4 rüstet gewaltig auf. Ganz nach dem Motto: Beurteile niemals ein Buch nach seinem Umschlag. Wir waren schon vor der offiziellen Markteinführung im Herbst 2015 mit der neuen Limousine auf Testfahrt.

Leichter und größer
Unter der marginalen Designänderung versteckt sich eine neue Plattform. Der modulare Längsbaukasten der neusten Generation (MLB evo) lässt die Karosserie gegenüber dem Vorgänger um 15 Kilogramm leichter werden (insgesamt speckt der A4 je nach Ausstattung bis zu 120 Kilogramm ab) und sorgt gleichzeitig für neue Abmessungen. Der Radstand wuchs um einen Zentimeter auf eine Länge von 2,82 Meter. Die Gesamtlänge legte um rund zwei Zentimeter auf 4,73 Meter zu und die Breite veränderte sich von 1,83 auf 1,84 Meter. Die Höhe von 1,43 Meter blieb dagegen unverändert. Merkt man diese Überarbeitung, wenn die A4-Limousine vor einem steht? Nein. Und auch im direkten Vergleich dürften die Unterschiede zum Vorgänger nicht direkt ins Auge springen. Trotzdem soll der Neue laut Audi im Straßenbild “viel frischer und moderner” wirken. Wir stimmen zu. Aber nur wenn die 1.900 Euro teure Matrix-LED-Beleuchtung mit ihrer filigranen Lichtgrafik gegen das serienmäßige Xenon ausgetauscht wird.

Unerreichte Verarbeitung
Der größte Gewinner des Generationswechsels ist zweifelsohne der neue Innenraum. Die veränderte Raumaufteilung sorgt für 24 Millimeter mehr Kopffreiheit vorne und einen 23 Millimeter größeren Beinspielraum im Fond. Angenommen, Sie sind 1,90 Meter groß und müssten in der zweiten Reihe eines Mittelklasse-Wagens ausharren, dann könnten Sie ab jetzt auch einen A4 nehmen und die Mercedes C-Klasse in der Garage lassen. Die Sitze in der ersten Reihe des Audi vermitteln bei schnellen Kurvenfahrten eine ausreichende Seitenführung – wer es darauf angelegen will, sollte aber das optionale Sportgestühl ordern. Bei beiden Varianten wirken die Sitzflächen weniger straff, was für ein deutliches Komfortplus für rückenleidende Langstreckenfahrer sorgt. Die Verarbeitungsqualität und die Materialanmutung (egal ob Holz, Aluminium, Stoff, Alcantara, Leder oder einfaches Plastik) spielen im Interieur-Championsleague-Finale. Mercedes mag in dieser Fahrzeugklasse im Finale verlieren, aber BMW verlässt bei solch hohen Standards bereits in der Vorrunde das Konkurrenz-Trio.

Die Bedienung: Ein Kapitel für sich
Über die Veränderungen im Armaturenbrett, in der Mittelkonsole und bei den Bedieneinheiten könnte man eine wissenschaftliche Abhandlung schreiben. Um den Rahmen eines normalen Tests einzuhalten: Intuitiver und klarer geht es derzeit nicht. Nur der R8 oder der TT sorgen aktuell für Konkurrenz. Wenn man klare Linien mag und technokratische Ideologien verfolgt, ist man im neuen A4-Cockpit gut aufgehoben. Dabei ist die serienmäßige Klimaautomatik genauso selbst erklärend wie beispielsweise der Dreh-Drück-Knopf mit integriertem Touchpad, über den man das Infotainment-System steuern kann. Man müsste die Hände aber überhaupt nicht mehr vom Lenkrad nehmen, denn die Sprachsteuerung und die vielen Funktionen am Multifunktionsvolant reichen fürs Gröbste während der Fahrt aus. Und dann wäre da noch das “Virtual Cockpit”, ein 12,3 Zoll großes Display, das im A4 auf Wunsch die analogen Anzeigen verbannt. 500 Euro, die Sie anlegen sollten.

Man lässt Fahren und Sprit sparen
Auch die Fülle an Assitenzsystemen – 30 sind es insgesamt – könnte bei einer zu ausführlichen Beschreibung Bände füllen. Wir setzen deshalb mal die Grundkenntnisse von Spurhalte-, Brems- und Parkassistenz voraus und widmen uns direkt den neuen und großen Fischen im Helferspektrum des A4. Wenn Sie sich schon einmal mit dem neuen Q7 auseinandergesetzt haben, dann dürfte der “prädiktive Effizienzassistent” bereits bekannt sein. Mit ihm lässt man künftig Fahren und Sprit sparen. Ist das System scharf gestellt, regelt der Assistent völlig autonom die Geschwindigkeit. Dafür nutzt er die Daten der aktuellen Verkehrssituation (vorausfahrende Fahrzeuge, Verkehrsschilder und kreuzende Fußgänger) sowie gespeicherte Navigationsdaten wie Höhenprofile, Kurven und Geschwindigkeitsbeschränkungen. Wenn man nach einer kurzen Gewöhnungsphase Vertrauen fasst, funktioniert das autonome Beschleunigen und Bremsen ganz gut. Auf neue Kreisverkehre, die noch nicht im System erfasst sind, sollte man aber weiterhin achten, bevor die teilautonome Fahrt zum unfreiwilligen Inselausflug wird.

Helfer aus, Motor an
Schöne neue Technikwelt hin oder her, wir schalten jetzt alle Systeme ab und fahren endlich mal richtig Auto: An Bord haben wir den Vierzylinder-Top-Benziner, der aus zwei Liter Hubraum eine maximale Leistung von 252 PS generiert und bis zu 370 Newtonmeter auf die Kurbelwelle drückt. Stromabwärts vom Kraftfluss wartet ein Siebengang-DSG darauf, die Antriebspower bedarfsgerecht an den quattro-Allradantrieb zu schicken. Die angegebenen Daten für den Null-auf-100-km/h-Spurt – es sind 5,8 Sekunden – nehmen wir dem Spitzen-Otto-Modell ab. Bei starken Lastwechseln und motivierten Kurvenfahrten fühlt sich der Audi mit Fünflenker-Einzelradaufhängung, optionalem Sportfahrwerk und adaptiver Dämpferregelung trotz seiner 1,5 Tonnen Leergewicht erstaunlich leichtfüßig an. Für den völligen Spaßfaktor à la BMW reicht die zu perfekte Abstimmung des Allrads aber nicht aus und auch die elektromechanische Servolenkung bleibt stets zu komfortabel und vermittelt in nahenden Grenzbereichen zu wenig Rückmeldung.

Benziner raus, Diesel rein
Aber die normalen A4-Modelle sind auch nicht dafür gebaut, um sie auf Alpenpässen von Serpentine zu Serpentine zu schmeißen – S und RS dagegen schon. Die großen Flottenkunden (80 Prozent der Zulassungen werden von gewerblichen Haltern getätigt) verlangen Komfort und Sparsamkeit – gerade bei Letzterem ist der Top-Benziner mit einem Testverbrauch von über zehn Liter auf 100 Kilometer eher mittelmäßig unterwegs. Wir empfehlen, den Ottomotor prinzipiell aus dem A4 zu verbannen (es gibt noch Derivate mit 150 und 190 PS), und ihn gegen einen Selbstzünder zu tauschen: 150, 190 oder 272 PS stehen zur Wahl. Wer die komfortable Achtgang-Wandlerautomatik wünscht, muss auf den Dreiliter-V6-Diesel mit 272 PS und quattro-Antrieb zurückgreifen. Die beiden kleinen Diesel mit vier Zylindern und zwei Liter Hubraum kommen entweder mit Siebengang-DSG oder einem Sechsgang-Schaltgetriebe.

Die Preise für Oberklasse-Niveau und deutsche Technokratie
Es ist bemerkenswert ruhig im A4. Der Mittelklässler schafft durch eine serienmäßige Akustikfrontscheibe und optionale Seitenfenster mit Geräuschdämmung ein Pegel auf A8-Niveau. In der Klassenkonkurrenz ist es zwar auch ruhig, aber gerade bei Geschwindigkeiten von über 150 km/h ist doch ein deutlicher Unterschied zu vernehmen. Das auf Wunsch erhältliche Oberklasse-Akustikniveau ist dabei nur ein Beispiel für die ellenlange Liste an möglichen Optionen, die aus dem A4 eine ziemlich teure Mittelklasse-Limousine machen können. Der Grundpreis liegt bei 30.650 Euro. Eine Mercedes C-Klasse startet aktuell bei 31.684 Euro, ein BMW 3er steht bereits ab 30.200 Euro beim Händler – beide Konkurrenten haben ähnliche umfangreiche Sonderausstattungslisten. Unser Testwagen hat einen Grundpreis von 44.450 Euro. Wenn man sich den Flottenkunden-Vertreter-Traum mit Dreiliter-Diesel, Allrad und Achtgang-Automatik zusammenstellt, kommt man sogar auf 50.100 Euro. Ein Vernunftsmodell mit Kompromisscharakter und sinnvoller Ausstattung pendelt sich zwischen 45.000 und 50.000 Euro ein.
(ml)

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