Bratislava (Slowakei), 23. September 2015
Auto-Deutschland wird zu 23 Prozent vom Kompaktwagen mobilisiert. Ein lukrativer und deshalb sehr umkämpfter Markt. Als Autohersteller sollte man demnach ein ziemlich gutes Fahrzeug anbieten, um im Klassenkampf bestehen zu können. Bei Opel klappte das die vergangenen Astra-Generationen eher so mittelprächtig. So sieht die letzte zehnte Auflage zwar gut aus, ist aber eigentlich zu schwer und zu groß für das Segment. Es bestand Handlungsbedarf in Rüsselsheim und ein neuer Astra musste her. Ein konkurrenzfähiger Astra, der es mit Golf und Co. aufnehmen kann. Jetzt ist es soweit, Bühne frei für den Opel Astra der elften Generation. Wie er sich schlägt? Ich habe ihn schon ausprobiert und ausgiebig getestet.
Der Weg zum Wunschgewicht
Zuerst aber soll es ein Fitnessplan richten: Die neue Fahrzeugplattform heißt D2XX. Sie ist quasi der modulare Querbaukasten von Opel und sorgt für 77 Kilogramm Gewichtsverlust. Dieses Abspeckspiel hat Opel auch noch bei anderen Komponenten gespielt: Das neue Chassis erleichtert den Rüsselsheimer noch einmal um 50 Kilogramm.Die neuen Sitze sparen zehn, das Auspuffsystem 4,5 Kilogramm und die Bordelektronik wiegt nun elf Kilo weniger. Auf der Endabrechnung purzeln zwischen 120 und 200 Kilogramm von den Astra-Hüften und das Leergewicht beginnt künftig bei konkurrenzfähigen 1.263 Kilo.
Neue Abmessungen: Innen und Außen
Um der Karosseriegröße Herr zu werden, ist sie 25 Millimeter flacher und 50 Millimeter kürzer geworden. Der Radstand ist um 23 Millimeter eingeschrumpft. Bei diesen eklatanten Abmessungsänderungen (der Fünftürer ist jetzt 4,37 Meter lang, 1,81 Meter breit und 1,49 Meter hoch) ist es verständlich, wenn man sich nun vor einem noch klaustrophobischeren Innenraum fürchtet, denn im Alten war und ist es echt eng. Bei VW (man sollte den Golf ja mal erwähnen) war das irgendwie immer besser mit dem Platzangebot. Es mag darum widersprüchlich klingen, aber der Komfort, die Freiheiten und die Übersichtlichkeit wurden trotz der verringerten Ausmaße spürbar besser. In Zahlen: Die Beinfreiheit im Fond ist um 35 Millimeter vergrößert, der Fahrerkopfraum wuchs um 22 Millimeter.
Endlich ein aufgeräumtes Cockpit
Nicht nur an der Innenraumaufteilung wurde gefeilt, nein, eigentlich wurde so ziemlich alles besser im Cockpit: Die Knöpfchenflut ist abgeebbt und macht endlich Platz für ein klares Konzept. Das optionale AGR-Gestühl in der ersten Reihe – das in der letzten Generation schon fantastisch war – ist noch einmal einen Tick bequemer geworden. Wir sprechen jetzt von klimatisierten und elektrisch verstellbaren Sitzen mit Massagefunktion. Geknetet wird allerdings nur der Fahrerrücken. Die Verarbeitungsqualität hat auch einen kleinen Sprung gemacht. Zu den Besten zählt sie zwar immer noch nicht, aber man zahlt bei Opel auch kein deutsches Premium-Niveau.
Technik, Technik, Technik
Wie derzeit alle neuen Fahrzeuge rüstet auch der Astra bei so ziemlich jeder Art von Technikspielerei auf und nach: In der Rüsselsheimer Kompaktklasse gibt es jetzt alle gängigen Assistenzsysteme, ein größeres Infotainment-System mit Acht-Zoll-Touchscreen sowie die SOS-Callcenter-WLAN-Hotspot-Funktion namens OnStar. Technikhighlight der Klasse ist aber sicherlich das Matrix-LED-Licht. Die Scheinwerfer blenden automatisch und gezielt den anderen Verkehr aus und regeln in Ortschaften von alleine auf Abblendlicht. Kostenpunkt? 1.150 Euro.
Die Motorenauswahl von 95 bis 200 PS
Bei der Motorenwahl steht ein alter 1,4-Liter-Saugbenziner mit 100 PS am unteren Ende der Benziner-PS-Nahrungskette. Darüber hinaus sind ein neuer Einliter-Dreizylinder mit 105 Pferdchen, ein 1,4-Liter-Vierzylinder mit 125 und 150 PS sowie etwas später auch ein 200 PS starker 1,6-Liter-Vierender erhältlich. Auf der Selbstzünderseite kann ein 1,6-Liter-Vierzylinder-Diesel mit 95, 110 und 136 PS geordert werden. Die Basismotoren werden jeweils mit manuellen Fünf-, alle weiteren Aggregate mit Sechsgang-Schaltgetrieben ausgestattet. Gegen Aufpreis gibt es eine automatisierte Fünfgangschaltung oder eine Sechsstufen-Wandlerautomatik.
Agil wie ein Kleinwagen
Wie sich die Neuerungen auf das Fahrverhalten auswirken? Ich steige vorerst in das von Opel vorhergesagte Bestsellermodell mit 150 PS starkem Ottomotor und möchte es direkt auf den Punkt bringen: Die Auswirkungen sind gut bis sehr gut. Der Astra verliert endlich seine enorme Kopflastigkeit. Das Fahrwerk lässt die Neigung zum Schaukeln und zum Untersteuern sehr gut verschwinden. Lenkung, Bremse und Gasannahme lassen sich jetzt viel präziser und direkter steuern. So wirkt der Kompakte in Kurven fast so leicht und agil wie ein Corsa, wohingegen auf der Autobahn ein Geräuschniveau und ein Fahrkomfort auf Insignia-Niveau erreicht werden. Der Astra ist dem Golf damit ebenbürtig. Mindestens.
Der Massenmotor
Der 150-PS-Benziner fordert 5.600 Umdrehungen pro Minute, um seine Maximal-Leistung abzugeben und auch die bis zu 230 Newtonmeter Drehmoment liegen erst ab 2.000 Touren an. Das Mittel für flottes Vorankommen ist demnach Drehzahl, Drehzahl und noch mal Drehzahl. Ungewohnt für einen Turbomotor. Genauso ungewohnt wie das annehmbare Trinkverhalten der zwangsbeatmeten Maschine. Der Hersteller gibt ein Verbrauchsmittel von 4,9 Liter auf 100 Kilometer an. Ich war mit durchschnittlich 5,8 Liter unterwegs. Der Dämpfer ist das gut abgestimmte aber immer noch schwammige Sechsgang-Getriebe. Nach 8,5 Sekunden fällt die 100-km/h-Marke, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 215 km/h.
Andere Möglichkeiten
Für den Alltag liefert der 150-PS-Benziner respektable Werte. Wer es allerdings etwas zügiger mag, sollte auf die kurz nach der Markteinführung startende 200-PS-Variante warten. Darüber hinaus überzeugt der 1,0-Liter-Einstiegsbenziner mit mehr Turbo-Nachdruck. Der Dreizylinder erleichtert die Frontpartie des Astra noch einmal um ein paar Pfunde und vermittelt bei einem Drehmoment von 170 Newtonmeter (1.800 bis 4.250 Touren) sogar fast einen spritzigeren Eindruck als der Massenmotor. Dabei ist es grundsätzlich egal, für welche Motorisierung man sich entscheidet, das Ergebnis ist stets ausgeglichener und definierter abgestimmt. Verabschieden Sie sich schon einmal von der schwammigen Behäbigkeit des Vorgängers.
Design, Markteinführung und Preis
Beim Design setzt Opel auf eine deutlich schärfere Gestaltung. Die optische Überarbeitung ist, wie Sie auf den Bildern sehen können, kein kleines Lifting, sondern ein großer Schritt mit einer wohl einzigartigen C-Säule. Dieser Kniff wird am Ende voraussichtlich die Geister scheiden. Ab dem 10. Oktober 2015 stehen die neuen Modelle beim Händler. Die Kombi-Variante namens Sports Tourer kann ab diesem Datum bestellt werden. Los gehts bei 17.260 Euro für den Fünftürer mit dem 1,4-Liter-Saugbenziner und 100 PS. Die Version mit 150-PS-Benziner und Sechsgang-Schaltgetriebe steht mit einem Basispreis von 22.560 Euro im Katalog. Ein gleich motorisierter VW Golf kostet bereits als Dreitürer mindestens 23.800 Euro.
(ml)
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