Porto (Portugal), 7.Oktober 2015
Peugeots Kompaktsport-Vergangenheit ist ziemlich legendär. Ich möchte in diesem Zusammenhang wehmütig an Fahrzeuge wie den 205 GTi oder den 306 S16 erinnern. Das Legendäre an diesen Fahrzeugen hat mehrere Gründe. Erstens waren sie ganz grundsätzlich einfach verdammt wundervolle, kleine Spaßbringer und zweitens klebt noch heute der Duft des Abenteuers (oder war es der Duft der blanken Angst?) an ihnen, weil ihre verboten leichten Hecks Bäume, Gräben, Felder und andere Dinge, in die man sich drehen kann, geradezu magisch anzogen. Verantwortlich für soviel “Charisma” war Peugeots Rennsportabteilung “Peugeot Sport”. Was mich ohne Umschweife zum neuen 308 GTi bringt, der ebenfalls auf dem Mist dieser wilden Truppe gewachsen ist. Prekäre Fahrmaschine für Könner oder solider Alltagssportler? Finden wir es heraus!
Der stärkste Peugeot
Peugeot Sports erster Kompaktsportler seit Ewigkeiten (die bemerkenswert talentierten 208 GTi 30th und RCZ R zählen nicht wirklich, weil: zu klein, beziehungsweise: zu flach) leistet 272 PS und 330 Newtonmeter Drehmoment aus einem 1,6-Liter-Turbo. Und ja, das ist ziemlich viel aus ziemlich wenig. Über eine manuelle Sechsgang-Box gelangt die Kraft auf die Vorderachse. Damit genannte Kraft nicht sinnlos in viel Rauch, viel Untersteuern und wenig Vortrieb aufgeht, hat man dem 308 GTi ein Torsen-Vorderachsdifferenzial geschenkt, das bei Schlupf mehr Drehmoment ans kurvenäußere Rad schickt. Bis auf kleine Details ist der gesamte Antrieb aus dem mittlerweile eingestellten Audi-TTS-Gegner RCZ R bekannt. Dort funktionierte er prächtig.
Ordentlich getüftelt
Auch beim Fahrwerk macht Peugeot Sport ordentlich auf dicke Hose. Der 308 GTi bekommt elf Millimeter mehr Tiefgang, eigene Kennungen für Federn, Dämpfer und Stabilisatoren, optimierte Querlenker sowie deutlich mehr Negativsturz an beiden Achsen. Außerdem erhält er vorne angsteinflößend monumentale Bremsen. Die Vier-Kolben-Anlage von Alcon mit ihren 380er-Scheiben ist auch dafür verantwortlich, dass man in allen vier Ecken nicht viel weniger monumentale 19-Zöller mit sehr ambitionierten Michelin Pilot Super Sports findet.
Sehr zurückhaltend
Wenn Sie früher einen Peugeot GTi gefahren sind, werden Sie vermutlich schon alle Bilder nach roten Streifen abgesucht haben. Keine Sorge, es gibt sie. Man muss allerdings schon ein bisschen danach suchen (kleiner Tipp: Versuchen Sie es mal unten am Kühlergrill). Und auch sonst präsentiert der 308 GTi die Insignien seiner Macht nur äußerst spärlich. Wer beim “Rennflaggen”-Grill oder dem Heckdiffusor mit seinen zwei integrierten Auspuff-Endrohren kurz die Augen zu hatte, könnte auch vom 82-PS-Basisbenziner mit sehr großen Rädern ausgehen. Innen verhält es sich mit der GTi-heit des 308 GTi deutlich besser. Es gibt Alupedale, haufenweise rote Nähte, ein seltsam kleines, seltsam eckiges Lenkrad mit GTi-Logo und ein Pärchen sehr professionell aussehender Leder-Alcantara-Schalensitze.
Mehr Alltag als Bandscheibenvorfall
Letzere sind saubequem, halten einen in Kurven fest wie eine besorgte Mutter und verfügen sogar über eine Massagefunktion (!). Fast alle dieser Eigenschaften helfen ungemein, wenn man den Peugeot 308 GTi zwischen den nicht enden wollenden Serpentinen um Porto hin- und herwirft. Dabei zeigt sich recht schnell, dass der 308 GTi genau das ist, was Peugeot sagt, das er ist: Kein Asphalt (und Bandscheiben) zerbrechender Streetfighter á la Renault Mégane R.S. oder Honda Civic Type R, sondern ein verblüffend komfortabler Alltagswagen, der aber kann, wenn er denn muss. Sprich: Man schafft es ohne Verletzungen zum Kindergarten oder in die Arbeit und wenn die Heimfahrt auch mal einen Umweg über die Lieblingslandstraße beinhaltet, dann ist das definitiv kein Fehler. Für alle, die mehr Glück mit dem Arbeits-Standort haben: Auch Feierabend-Ausflüge auf Bergpässe oder Rennstrecken werden nicht für Unmut sorgen.
Zieht gut durch
Der Motor fühlt sich in allen Lagen durchaus kräftig an – was daran liegen könnte, dass seine 330 Newtonmeter zwischen 1.900 und 5.000 U/min anliegen – und bricht selbst über 5.500 Touren bis hin zur Drehzahlgrenze bei 6.500 Touren nicht wirklich ein. Dass Zweiliter-Turbos irgendwie immer mächtiger rüberkommen als aufgeladene 1,6er, kann aber auch dieses Aggregat nicht widerlegen. Womöglich sind Wolfsburger PS (oder die ihrer spanischen Tochter) aber auch einfach stärker als französische. Apropos französisch: Die Schaltung fühlt sich unglaublich französisch an. Das heißt sie ist länger und weicher, als sie sein müsste.
Sport-Knopf? Naja …
Auch beim Sound hat man eher Dezenz walten lassen. Von außen röhrt und pfeifft es ein bisschen, innen kommt davon so gut wie gar nichts an. Wer sich beim Druck auf die Sport-Taste Besserung erhofft, kriegt lediglich etwas synthetische Soundsymposer-Heilung. Der Klang wird künstlicher, nicht besser. Ansonsten schärft der Sport-Modus wohl die Aufmerksamkeit des Gaspedals (wer ganz genau aufpasst, merkt es vielleicht) und er taucht die Instrumente in ein fuchsteufelswildes Rot. Das heißt: Man kann auch ohne den Sport-Knopf sehr gut leben.
Weich? Kompetent!
All das soll natürlich nicht heißen, dass der 308 Gti eine weichgespülte Wurst geworden ist. Wenn man sich an die etwas künstliche Agilität des Pygmäen-Lenkrads gewöhnt hat (und daran, dass man von den Instrumenten, die es größtenteils verdeckt, kaum etwas sieht), lässt sich das Auto sehr lebendig und genau ums Eck bugsieren. Außerdem strotzt es geradezu vor Traktion. Selbst auf nassen Straßen – und es schüttete bei den Testfahrten aus Kübeln – waren der Grip und das Gefühl von Sicherheit absolut verblüffend. Die Torsen-Sperre und die Michelin-Pneus scheinen sich also nicht abgeneigt zu sein und so zieht sich der 308 GTi ohne einen Hauch von Untersteuern aus der Affäre. Dass einen das Auto dabei nicht durchschüttelt oder jeden einzelnen Kieselstein ans Popometer weitergibt, mag Hot-Hatch-Puristen stören. Für mich ist es eher ein Zeichen, dass hier verdammt kompetente Fahrwerksentwickler an der Arbeit waren.
Auf der Strecke überraschend spaßig
Und das merkte man auch auf der nahe Braga gelegenen Rennstrecke. Das hier reicht vielleicht nicht, um den Kompaktsportler-Nordschleifenrekord-Wahnsinn der letzten Monate mitzumachen, aber wer in diesem Auto Trackdays fahren will, der kann das ohne Weiteres tun. Das Torsen-Diff mit seiner 35-Grad-Sperrwirkung wirkt nicht so aggressiv wie zum Beispiel im Civic Type R, aber es zieht einen spürbarer in die Kurve als die ganze Armada an VW-Konzern-Sportlern mit ihren elektronischen Vorderachssperren und feuert einen auch sehr effizient und ohne Untersteuern wieder hinaus. Mit einigen Filou-artigen Heckschwenks erinnerte der 308 GTi teils sogar an gute, alte Zeiten. Wobei der tanzende Hintern wohl eher ein Produkt des klatschnassen Asphalts war. Generell ist Peugeots Schnellster doch sehr neutral ausgelegt, lässt aber genug Fahrwerks- und Karosseriebewegungen zu, um das Auto zu fühlen und ein bisschen mit ihm zu spielen.
Auf den ersten Blick teuer
Was am Ende stehenbleibt: Der neue Peugeot 308 GTi ist ein sehr intelligent abgestimmter und fein gemachter Kompaktsportler, der aber eher den Alltag als den letzten Tropfen Adrenalin im Sinn hat. Sprich: Er ist mehr Golf GTI als Renault Mégane R.S. Was problematisch erscheint: Er kostet 34.950 Euro. In einem Umfeld, das derzeit so stark besetzt ist wie nie, könnte das schwierig werden. Der 310 PS starke Honda Civic Type R startet bei 34.000 Euro, der neue Focus RS mit 350 PS und Allrad wird ab 39.000 Euro zu haben sein und der Golf GTI Performance ist mit 30.400 Euro sogar mehr als 4.500 Euro günstiger. Okay, der 308 GTi hat zu diesem Preis im Prinzip Vollausstattung inklusive Schalensitzen, Navi, LED-Scheinwerfern und so weiter. Das heißt, ein ähnlich ausgestatteter Golf GTI dürfte letztlich weitaus teurer sein. Trotzdem wird sich der 308 GTi seine Lücke suchen müssen. Aufgrund des ersten Fahreindrucks wünsche ich ihm wirklich, dass er sie findet.
(sw)
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