Maisach, 30. Oktober 2013
Ort der Handlung: Maisach bei München, BMW Driving Academy. Ich stehe vor drei mit schwarz-weißer Folie getarnten Autos der M GmbH, einer M3 Limousine und zwei M4 Coupés. Es sind die neuen M-Modelle, die erst Mitte 2014 auf den Markt kommen. Selbst fahren ist heute zwar noch nicht angesagt, doch mit Bruno Spengler, Dirk Werner und Martin Tomczyk stehen drei erfahrene Fahrer aus der Rennserie DTM bereit, um mich über den Kurs des ehemaligen Militärflugplatzes zu pilotieren.
Das Beste aus zwei Welten
M-Chef Dr. Friedrich Nitschke schwärmt von den neuen Autos, M3 kann man ja jetzt nicht mehr sagen, weil die 3er Coupés und Cabrios bekanntlich in 4er umgetauft wurden. “In puncto Gesamtkonzept, Balance, Agilität und Handling setzen die neuen Autos Maßstäbe,” so Nitschke. Und weiter: “Der neue Motor vereint das Beste aus zwei Welten: den Hochdrehcharakter und die lineare Leistungsentfaltung eines Saugers kombiniert mit der Turbotechnologie. Er leistet zirka 430 PS bei 7.500 U/min und hat ein maximales Drehmoment von weit über 500 Newtonmeter.” (Später sehe ich auf einem Schaubild, dass es 520 bis 530 Newtonmeter sein müssen.)
Intelligentes Leichtbaukonzept
Der M-Chef führt weiter aus, dass ein “intelligentes Leichtbaukonzept” für ein Gewicht von knapp unter 1.500 Kilogramm sorge und dass der Fahrzeug-Schwerpunkt sehr tief liege. “Die Wagen bringen Rennsporttechnologie auf die Straße”, schließt Nitschke seine Ausführungen ab und erwähnt noch, dass BMW Motorsport mit seinen DTM-Fahrern am Nürburgring, der grünen Hölle, bei der Abstimmung der Fahrzeuge wesentlich mitgewirkt hat.
Alltag und Rennstrecke im Einklang
Jetzt übernimmt M-Entwicklungsleiter Albert Biermann und erklärt das Auto an der Hebebühne von unten. Große Lufteinlässe vorne, sichtbare Bauteile aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) und ein Diffusor am breiten Heck setzen nicht nur Designakzente, sondern folgen funktionalen Vorgaben für Aerodynamik, Kühlung und Leichtbau. Die kraftvoll geformte Frontschürze, ein glatter Unterboden, eine klar definierte Abrisskante am Heck in Form eines “Gurney” bei der Limousine und eine Spoilerkante am Coupé-Heck reduzieren den Auftrieb an Vorder- und Hinterachse und sollen für optimale Handling-Eigenschaften sorgen.
Stabilität in schnellen Kurven
Elemente wie der “Air Curtain” und die “M-Kiemen” mit integriertem “Air Breather” hinter den Vorderrädern minimieren Verwirbelungen im Radlauf und somit den Luftwiderstand. Der M4 hat eine eigene Heckklappe, die höher als beim normalen 4er ist und weiter nach hinten verläuft. Auch das dient einem geringeren Luftwiderstand, weniger Auftrieb an der Hinterachse und höherer Stabilität in schnell gefahrenen Kurven.
Mit Anschlussdrehzahl-Regelung
Für das Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen ist ein gesonderter Öl-/Luftkühler verbaut. Der Sechsgang-Handschalter ist ebenfalls eine Neuentwicklung: Es ist über zehn Kilogramm leichter als das Vorgängermodell. “Vom Feinsten ist die Anschlussdrehzahl-Regelung”, so Biermann, das heißt, dass beim Herunterschalten selbsttätig Zwischengas gegeben wird – beim Handschalter wohlgemerkt. Im Anschluss an das Getriebe kommt eine sehr leichte Gelenkwelle aus Kohlefaser.
Hinterachssperre vom M5 und M6:
Das Hinterachsgetriebe aus dem BMW M5 braucht dank Kühlrippen keine weitere Kühlung. Hier findet sich auch die Hinterachssperre aus M5 und M6: Beim “Aktiven M Differenzial” regelt ein elektrischer Stellmotor die Sperrwirkung permanent. Die Folge ist eine bessere Traktion, ein Untersteuern am Kurvenausgang wird verhindert. Im “M Dynamic Mode” gibt es allerdings mehr Radschlupf – damit sind Drifts möglich.
Keine Gummilager mehr
“Ein Schmankerl”, führt Biermann aus, “ist die neue Hinterachse.” Diese ist nicht mehr über Gummilager mit der Karosserie verbunden. Biermann: “Der Achsträger ist direkt an die Karosserie geschraubt. Damit bewegt sich selbst auf der Rennstrecke nichts mehr. Das ermöglicht auch, breitere Reifen zu verwenden. Die Quersteifigkeit von der Radanbindung an das Chassis liegt hier auf Rennfahrzeug-Niveau.”
Elektro-mechanische Lenkung
Für M3/M4 komplett neu entwickelt wurde auch die elektro-mechanische Lenkung, die ebenfalls eine rennsportliche Auslegung erhielt. Die Lenkkraft wird je nach gefahrener Geschwindigkeit elektronisch angepasst. Zusätzlich verfügt die Lenkung über drei per Tastendruck wählbare Kennlinien (Comfort, Sport und Sport+), mit der sich die Lenkunterstützung dem Geschmack des Fahrers anpassen lässt.
Compound- oder Carbon-Keramik-Bremse
Ähnliches gilt für das optionale “Adaptive M Fahrwerk”. Der Fahrer kann hier zwischen einer komfortableren Dämpfungsabstimmung beispielsweise für Autobahnfahrten, einer strafferen Abstimmung sowie einer Abstimmung mit minimalen Radbewegungen und maximaler Fahrdynamik für den Einsatz auf Rennstrecken wählen. Serienmäßig ist eine so genannte Compound-Bremse verbaut. Dank ihres im Vergleich zu einer konventionellen Bremsanlage deutlich geringeren Gewichts trägt sie wie die Schmiederäder zur Reduzierung der ungefederten Massen und damit zu einer Steigerung der Fahrdynamik bei. Optional ist eine noch leichtere Carbon-Keramik-Bremse erhältlich.
Hochdrehzahl-Sechszylinder
Beim Motor kehrt die M GmbH dem bisher eingesetzten Achtzylinder den Rücken und setzt auf einen Sechszylinder-Reihenmotor, wie bereits bei der zweiten und dritten M3-Generation. Norbert Siegl, Projektleiter Motor, erläutert: “Zwei parallel laufende Turbolader – einer für je drei Zylinder – werden ergänzt durch eine Benzin-Direkteinspritzung, die variable Ventilsteuerung Valvetronic sowie die stufenlose Nockenwellenverstellung Doppel-Vanos.”
Auspuffanlage mit Klappen
Für einen angemessenen Sound sorgt das Klappenkonzept der doppelflutigen Abgasanlage. Neben einem minimalen Abgasgegendruck erzeugen die unmittelbar vor dem Nachschalldämpfer elektrisch gesteuerten Klappen einen markanten und unverkennbaren Klang über den gesamten Drehzahlbereich.
Leichter CFK-Werkstoff allerorten
Während das CFK-Dach bei der Vorgängergeneration dem Coupé vorbehalten war, erhält jetzt auch der viertürige M3 dieses Element. Der für den Leichtbau verantwortliche Entwickler Michael Wimbeck berichtet: “Die Gewichtsersparnis durch das CFK-Dach von fünf Kilogramm bei der Limousine und von mehr als sechs Kilogramm beim Coupé senkt den Fahrzeugschwerpunkt. Beim Coupé besteht die neu entwickelte Heckklappe aus Kohlefasern und Kunststoffen, was ebenfalls für eine Gewichtsreduzierung sorgt.”
Hohe Steifigkeit
Auch die Gelenkwelle von M3 und M4 ist aus dem Werkstoff CFK gefertigt. Die hohe Steifigkeit und das geringe Gewicht ermöglichen, die Welle einteilig und ohne Mittellagerung auszuführen. Wie sehr bei allen Maßnahmen zur Gewichtsoptimierung auch deren Einfluss auf die fahrdynamischen Eigenschaften berücksichtigt wurde, zeigt das Beispiel der Domstrebe aus CFK im Motorraum. Bei einem Gewicht von nur 1,5 Kilogramm bietet sie ein Maß an Steifigkeit, das ein vergleichbares Bauteil aus Aluminium nicht erreichen kann, und trägt so zum guten Einlenkverhalten und zur Lenkpräzision bei.
Und so fährt der M4
Nach so viel Technik-Belehrung darf ich nun endlich im M4 Coupé Platz nehmen, auf dem Beifahrersitz. Mein Fahrer ist kein Geringerer als DTM-Pilot Martin Tomczyk. Er ruft mir ein kurzes “Hallo, ich bin der Martin” zu und los geht es zum Startpunkt der Rennstrecke. Der M4 röchelt noch verhalten. Am Start erstaunt mich weniger, dass Tomczyk Vollgas gibt und die Gänge der Handschaltung nur so durchreißt. Damit hatte ich gerechnet und mich auf den immer brülligeren Motorsound konzentriert. Doch nun wäre es langsam an der Zeit, zu bremsen, eine enge Rechtskurve naht und wir haben schon 130 Sachen drauf. Doch Tomczyk bleibt bis zur letzten Rille auf dem Gas. Und viel härter, als er beschleunigt, bremst er (keramisch). Ich würde das dem Auto nicht zumuten, doch er macht es nur so und ich werde entweder in den Sitz gepresst oder hänge im Sicherheitsgurt – ein dazwischen gibt es nicht.
Hohe Kurvengeschwindigkeiten
Die Kurvengeschwindigkeiten, die Tomczyk mit dem M4 erreicht, sind beeindruckend. Der Wagen hängt gierig am Gas, das merkt man auch als Beifahrer. Und er kommt extrem gut aus den Kehren raus. Tomczyks Lenkbewegungen durch die Pylonengasse sind minimal – ein Fahrerauto mt Supersound, wie es im Buche steht. Ich kann es kaum erwarten, dass BMW mich mal ans Steuer lässt, doch das wird noch einige Wochen dauern.
(ph)
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