Test McLaren 570S mit technischen Daten, Preis, 0-100-km/h-Zeit und Marktstart

October 23, 2015

Mit neuem "Baby" gegen Porsche Turbo S und Audi R8: Der neue 570S ist der erreichbarste McLaren, den es bisher gab. Ob er gut genug ist, um der deutschen Konkurrenz ein Bein zu stellen, klärt der erste Test

Der 570S ist deutlich günstiger und soll alltagstauglicher sein als sein großer Bruder 650S

Optisch ist der 570S sofort als McLaren zu identifizieren. Seine Karosserie wirkt sehr vielschichtig und aerodynamisch komplex. Nicht nur von hinten erkennt man einen Schuß P1

Faro (Portugal), 22.Oktober 2015
Man kann es ulkig finden, dass ein Hersteller ein 570 PS starkes und über 180.000 Euro teures Auto auf den Markt bringt, um erreichbarer zu werden und seine Verkaufszahlen zu steigern. Wenn der Hersteller McLaren heißt, sieht die Sache allerdings schon wieder ein bisschen anders aus. Bisher waren die Formel-1-erprobten Briten (derzeit besser nicht so laut darüber reden) bekannt für hochkomplexe Rennstreckenwaffen, die so schnell sind, dass sie die Zeit krümmen (P1, 650S). Und so teuer, dass die Zeit kurz stehen bleibt. Damit erreicht man eine eher überschaubare Klientel, was unvorteilhaft ist, wenn man seine Verkaufszahlen von etwa 1.660 Autos in 2014 auf etwas über 4.000 Autos innerhalb der nächsten paar Jahre steigern will. Genau hier kommt der neue Baby-McLaren 570S ins Spiel. Wer bei “Baby” in irgendeiner Weise an “klein”, “wenig”, “schwächlich” oder “gebrechlich” denkt, ist aber auf dem völlig falschen Dampfer.

Wirklich der Kleine?
Schließlich hat der neue McLaren den bekannten 3,8-Liter-Biturbo-V8 (30 Prozent der Motorteile sind neu) hinter den Sitzen, der in diesem Fall 570 PS und 600 Newtonmeter ausposaunt. Der kleine Mac beschleunigt in 3,2 Sekunden von null auf 100 km/h und fährt, wenn es sein muss, 328 km/h schnell. Auch auf die Größe kann sich das “Baby” nicht wirklich beziehen, denn selbst wenn das alles nicht so aussieht: Der 570S ist in der Tat ein kleines Eck länger und breiter als ein 650S. All die ineinander verschlungenen Linien und ein Dach, das daherkommt wie das verbliebene Drittel eines zu arg strapazierten Boomerangs, leisten hier vortreffliche Arbeit. Der 570S sieht wirklich kompakt aus. Ein wenig wie ein geschrumpfter und abgeschminkter P1. Abgesehen davon ist die Karosserie eine aerodynamische Meisterleistung. Man könnte alleine darüber drei Seiten füllen, aber nur so viel: Wie Sie sehen, sehen Sie keine aktiven Spoiler oder riesige Heckflügel und das hat gute Gründe.

Innen luftiger
Die unerwartete Größe kommt im 570S vor allem den Passagieren zugute. McLaren wollte ein besser zugängliches, alltagstauglicheres Auto und dieser Innenraum wirkt tatsächlich deutlich luftiger und schöner als bisher. Materialien, Verarbeitung und Ergonomie gefallen sofort. Und zwar unabhängig davon, ob man sich für das luxuriöse oder das sportliche Interieur entscheidet. Im einen Fall gibt es gedeckte Ledertöne, im anderen Fall viel Alcantara und auf Wunsch hemmungslos fesselnde Carbon-Schalensitze. All das ist aber nichts gegen die drei bahnbrechenden Neuerungen, die jetzt folgen: Schließlich ist der 570S der erste McLaren mit zwei Scheibenwischern, der erste McLaren mit einem Handschuhfach und der erste McLaren mit Schminkspiegeln.

Alles leichter
Egal, welchen Einrichtungsstil Sie bevorzugen, die Briten wollen, dass Sie besser einsteigen können als in andere McLarens. Deshalb öffnen die Türen jetzt ein bisschen weiter nach oben und außen. Zudem ist das Carbon-Monocoque im Einstiegsbereich deutlich schmaler sowie acht Zentimeter flacher als bisher. All das hat den Effekt, dass der Ein- und Ausstieg bei weitem graziler abläuft. Das komplette Carbon-Chassis wiegt gerademal 75 Kilo und weil ein Großteil der Karosserie aus Aluminium besteht, bleibt die Waage (wenn alle verfügbaren Carbon-Teile und keine Flüssigkeiten an Bord sind) bei bemerkenswerten 1.313 Kilo stehen. Das richtige Leergewicht dürfte sich irgendwo bei 1.430 bis 1.440 Kilo einpendeln. Ein Audi R8 V10 plus wiegt über 100 Kilo mehr. Ein Porsche Turbo S sogar über 150 Kilo.

Innen luftiger
Neues gibt es auch vom Fahrwerk, bei dem McLaren jetzt nicht mehr auf die extrem teure, extrem komplizierte ProActive Chassis Control setzt (diese verknüpft die Dämpfer hydraulisch miteinander und trennt so quasi Federungskomfort und Rollneigung voneinander), sondern auf normale, adaptive Dämpfer und Stabilisatoren. So geht zwar ein wenig vom “Fliegender-Teppich”-Gefühl der anderen McLaren flöten, aber keine Sorge: Für ein Auto dieser Klasse benimmt sich der 570S noch immer erstaunlich wirbelsäulenfreundlich.

Geht ordentlich
Auch sonst muss man sich wenig Sorgen um die Fahr-Performance dieses englischen “Einstiegssportlers” machen. Sie können sich vorstellen, dass aufregende Dinge passieren, wenn 570 PS auf knapp 1.440 Kilo treffen. Ein bisschen Turbo-Schläfrigkeit ist zwar vorhanden (sprich: unter 4.000 Touren passiert der irre Schub noch halbwegs erträglich), aber dieses Auto dreht vogelwilde 8.300 U/min und die letzten knapp 3.000 davon sind sehr sehr hemmungslos. Der völlig humorbefreite Allrad-Bumms eines 911 Turbo S mag eine Winzigkeit heftiger ausfallen und der gigantisch aufträllernde V10-Sauger des Audi R8 mag etwas charismatischer sein (das gilt auch für die Akustik: Die Musik des 570S ist halbwegs laut, aber nicht wirklich schön), nichtsdestotrotz ist diese McLaren-Maschine ein reichlich betörendes Biest.

Beste Handling-Unterhaltung
Das Tolle an diesem Auto ist: Ich komme jetzt zum Fahrwerk und damit werden die Dinge immer besser. Ich lehne mich jetzt einfach mal ziemlich weit aus dem Fenster und behaupte: Der McLaren 570S ist das Auto mit dem kurzweiligsten und belebendsten Fahrwerk seiner Klasse. Warum? Weil er ist selbst für einen sehr teuren und sehr exotischen Sportwagen brutal agil und wach ist. Sein Einlenkverhalten hat schon beinahe etwas magnetisches und für seine hydraulische Lenkung sollte man jeden Tag Dankgebete in den Himmel schicken. Ganz ehrlich: Sportwagenhersteller, die wegen ein paar Gramm CO2 auf elektromechanische Lenkungen umsatteln, haben Sportwagen nicht verstanden.

Mehr Spaß für alle
Waren McLaren-Modelle bisher eher für eine gewisse Humorlosigkeit und Verbissenheit bekannt, dann ist der 570S ein willkommener Wendepunkt. Hier geht es weniger um die perfekte Rundenzeit als viel mehr um Spaß an der (Heck-)Bewegung. Im Dynamikmodus ist die ESP-Abstimmung fast schon zügellos und lässt wirklich schöne Driftwinkel zu, ohne einem den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. Natürlich hat das Auto mit seinen Pirelli-PZero-Corsa-Reifen auch ohne eine Differenzialsperre jede Menge Traktion und kann auf einer Rennstrecke seriöse Dinge bewerkstelligen. Aber anders als bei der Konkurrenz aus Ingolstadt und Zuffenhausen muss man auf der Straße nicht selbstmordgefärdende Geschwindigkeiten fahren, um das Fahrwerk aus seiner Reserve zu locken. Es ist wirklich ein großer Spaß.

Drei Fahrmodi
Was sonst noch wichtig ist? Es gibt die drei Fahrmodi Normal, Road und Track (jeweils für Motor und Fahrwerk und unabhängig voneinander einstellbar). Im Normal-Modus gibt der 570S ein ganz und gar feines Alltagsauto mit sehr brauchbaren Straßenmanieren ab. Sport und Track machen ihn noch betriebsamer, lassen das schnelle und intelligent waltende Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe richtig knallen und schalten die Instrumente in eine Art Rennwagen-Modus mit Schaltlichtern und allem Pipapo (im Track-Mode). Ebenfalls schön: die hervorragende Rundumsicht mit vernünftigem Blick nach hinten und einer Frontscheibe, die fast bis zum Boden reicht. Dazu gibt es deutlich mehr Kofferraum als bisher (150 Liter), McLarens hauseigenes Infotainmentsystem IRIS ist nicht mehr ganz so konfus und rätselhaft wie früher und auf Wunsch kriegt man ein ziemlich sensationelles Bowers&Wilkins-Soundsystem.

Bremse etwas hölzern
Will man ernsthaft nach Schwächen suchen, bleiben eigentlich nur der etwas uninspirierte Klang und die serienmäßigen Keramikbremsen, die zwar mit wahrer Urgewalt zubeißen, aber etwas arg hölzern zu dosieren sind. Mit einem Preis von mindestens 181.750 Euro ist der 570S Zum Marktstart Ende des Jahres gute 50.000 Euro günstiger als der 650S. Betrachtet man die Güte und das Spaßpotenzial des Autos, ist das ein verdammt gutes Argument. Zum Vergleich: Der Audi R8 V10 plus ist ab 187.400 Euro zu haben. Ein Porsche 911 Turbo S kostet im besten Fall 197.041 Euro. Alles zu teuer? Im Frühjahr schiebt McLaren den 540C nach. Der kleine Bruder des 570S leistet – Überraschung – 540 PS und wird 160.000 Euro kosten.
(sw)

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