Haar, 4. Dezember 2015
Sie gaben mir dieses Auto zum Test und ich dachte mir: Hm … das könnte ziemlich gut werden. Womöglich zu gut. Dieses FC-Bayern-gut, das so gut ist, dass es eigentlich schon wieder völlig langweilig ist. Sie wissen schon: Wenn man alles total einfach und jederzeit haben kann und man dann merkt, dass das auch nicht das Wahre ist. Als Bayernfan brauchen Sie eigentlich gar nicht mehr ins Stadion zu gehen. Spätestens beim siebten Torjubel tut Ihnen der Arm weh und das penetrante Feier-Geschrei des Stadionsprechers treibt Sie in den Wahnsinn.
Das All-you-can-eat-Gefühl
Oder anders: Wann waren Sie das letzte Mal bei einem All-you-can-eat? Am Anfang können Sie ihr Glück kaum fassen und stürzen sich auf alles, was die silbernen Profiküchen-Warmhaltegefäße hergeben. Aber irgendwann ist ihnen schlecht und sie verfluchen ihre Gier und essen die nächsten zwei Tage Hirse und irgendwas mit Dinkel, um die Bauchschmerzen wieder los zu werden.
Gibt es “zu viel”?
Ob es bei Autos ein “zu viel” gibt, weiß ich nicht. Der erste Renault Clio V6 war vielleicht ein bisschen zu viel, weil er sich dank Mini-Radstand und Monster-Mittelmotor ständig um Bäume oder Leitplanken wickelte. Ich fuhr auch mal einen getunten Ford Focus RS, dessen Vorderachse (wohlgemerkt die einzige Antriebsachse) aufgrund von 560 Newtonmeter nur selten das tat, was sie tun sollte. Auf der anderen Seite gewöhnt man sich an wenige Dinge so schnell wie an Leistung. Selbst an unsinnig viel Leistung. Es gibt auf der Welt eine nicht zu unterschätzende Zahl an Arbeitsplätzen, die nur existiert, weil sehr reiche Menschen finden, 700 PS in ihrem Lamborghini Aventador seien ein wenig fad.
Muss der stärkste Macan noch stärker werden?
Und das bringt mich zum eigentlichen Thema (puh!), denn das mir zum Test überlassene Auto ist ein getunter Porsche Macan Turbo. Womöglich stimmen Sie mit mir überein, dass ein Mittelklasse-SUV, das 400 PS und 550 Newtonmeter leistet, in 4,8 Sekunden auf 100 km/h sprintet und bis zu 266 km/h schnell wird, nicht unbedingt nach einer Leistungssteigerung schreit. Man könnte meinen, wer hier mehr braucht, verdient sein Geld mit Ampelrennen oder hat einen zweifelhaften Fetisch in Sachen Blitzer. Auf der anderen Seite machen es einem moderne Turbo-Motoren aber auch wirklich leicht. Ein bisschen an der Motorelektronik rumexperimentiert und schwupps hat man 20 Prozent mehr Kraft ins Aggregat gezaubert.
Hartnäckige Signale
Ganz so leicht ging es bei diesem Macan aber offenbar nicht vonstatten. Wäre RaceChip nicht der größte Chiptuner der Welt (wir waren auch überrascht), hätte sich der immense Aufwand vermutlich gar nicht rentiert. Weil der 3,6-Liter-Biturbo-V6 des Macan einer der ersten Motoren ist, dessen Sensoren mit digitalen Signalen versorgt werden, glichen Entschlüsselung und Optimierung offenbar einer wahren Herkules-Aufgabe. Ein Jahr Arbeit für elf Mann hört sich zumindest stark danach an. Für die Handvoll Macan-Besitzer, die hierzulande mehr Leistung wollen, kann sich das kaum lohnen. RaceChip-Chef Dominik Ruopp verweist schmunzelnd auf den chinesischen Markt, wo sich jetzt schon 1.500 Kunden angemeldet hätten. Außerdem werde die Digitalisierung der Signale künftig extrem zunehmen und so habe man schonmal einen gehörigen Erfahrungsvorsprung.
Mehr von allem
China, Erfahrung und andere Chiptuning-Faktoren hin oder her, am Ende holt RaceChip mit seiner sogenannten “Ultimate”-Box 82 PS und 132 Newtonmeter mehr aus Porsches Biturbo-Sechszylinder. 482 PS und 682 Newtonmeter sollten reichen, um den Asphalt vor gehörige Probleme zu stellen. Auch in einem mittelgroßen SUV, das wenig schlanke 2.000 Kilo wiegt. Nun erwähnte ich bereits, dass der Macan Turbo schon in der Serie für einen gewissen Vortrieb gut ist. Um ehrlich zu sein, schiebt er seine Insassen nach vorne, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Der Leibhaftige, der gerade Frau und Job verloren hat. RaceChip schafft es dennoch, dieses beizeiten angsteinflößende Beschleunigungsvermögen noch zu toppen. Wer das rechte Pedal nach dem Verbau der unscheinbaren Box in den Keller tritt, spürt tatsächlich mehr. Mehr von allem. Gefühlt hängt der Turbo noch ein Eck giftiger am Gas und er schaufelt sich einfach mit noch mehr Gewalt nach vorne. Dabei wirkt die Leistungsentfaltung keinen Deut weniger homogen oder seriös, als das ab Werk der Fall ist.
Eine halbe Sekunde schneller
In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: 4,3 statt 4,8 Sekunden für den Spurt von null auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit steigt moderat auf 272 km/h. Wenig oder eher gar nichts ändert sich laut RaceChip an der Zapfsäule. Ein Normverbrauch von 8,9 Liter wäre die Folge. Der klingt schon im Serien-Macan-Turbo eher nach einem schlechten Scherz und so ist es nicht sonderlich verblüffend, dass ich im Schnitt mit um die 14 Liter unterwegs war. Ich gebe allerdings freimütig zu: Den Verlockungen der Leistungssteigerung war meist nur schwer zu widerstehen.
Große Zahlen auf der Tür
Da es sich bei meinem Testwagen um ein Promo-Fahrzeug handelt, verbaute RaceChip zusätzlich ein KW-Gewindefahrwerk, 21 Zoll große Vossen-Räder sowie eine besorgniserregend auffällige Teilfolierung. Besorgniserregend nicht unbedingt wegen des orangefarbenen Überfalls auf den grauen Serienlack, sondern eher, weil riesengroß auf den Türen steht, wieviel Leistung man da gerade durch die Gegend fährt. Ich wartete förmlich auf den vernichtenden Blick eines Ferrari-F40-Fahrers, der erkennt, dass mein Schul-Transporter mehr Dampf hat, als seine legendäre Supercar-Koryphäe. Aber natürlich wird Ihnen RaceChip sein Motortuning auch ohne Leistungsangabe auf Ihrer Fahrzeugflanke verkaufen.
Fahrwerks-Tuning muss nicht sein
Die Änderungen am Unterbau des Macan Turbo mögen optisch durchaus einen gewissen Reiz haben, Optik ist für mich aber auch der einzig plausible Grund, einen Macan 40 Millimeter tieferzulegen. Zumindest im Alltag macht das Fahrwerk das Auto nicht spürbar agiler, dafür aber – zumindest bei kurzen Stößen – deutlich härter. Außerdem läuft Porsches Baby-SUV auf den 21-Zöllern mit ihren 265er- und 295er-Reifen so gut wie allem nach, was irgendwie nach Spurrille aussieht. Das dürfte auf den optionalen Porsche-21-Zoll-Rädern aber ganz genauso aussehen.
Moderater Preis
Letztlich geht es hier allerdings um die Wirkung des Motortunings und die ist bei RaceChips Ultimate-Box deutlich spürbar, ohne im Alltag irgendwelche Kompromisse mit sich zu bringen. Das Ganze passiert mit zwei Jahren Motorgarantie und zu einem vergleichsweise moderaten Preis von 1.499 Euro. Vergleichbare Leistungssteigerungen bei Premium-Produkten – wie der Macan nun mal eines ist – sind in der Regel deutlich teurer. Wer will, kann das kleine Kästchen sogar mit wenigen Handgriffen selbst montieren und bald auch per App steuern, ob er gerade mehr Leistung haben will oder nicht. RaceChip liefert zudem ein TÜV-Teilegutachten mit, das Motortuning ist also eintragungsfähig. Die Frage, ob so viel zu viel ist, muss natürlich jeder für sich beantworten. Langweilig ist diese Art von “viel” jedenfalls nicht.
(sw)
- Zur Bildergalerie (19 Bilder)
- Immer informiert mit AutoNEWS: Mit einem Klick zum Newsletter
Leave a Reply