Lexus GS F: Test mit technischen Daten und Preisen

December 8, 2015

Der neue Lexus GS F soll als sportliche Limousine BMW M5 und Mercedes-AMG E 63 angreifen

Allerdings ist der fast 1,9 Tonnen schwere GS F etwas zu schwer geraten

Der Innenraum ist hervorragend. Edle Materialien, gute Ergonomie, passende Sitzposition

Mendig, 7. Dezember 2015
Dass eine ausgeprägte Adipositas bei “Sportwagen” im Jahre 2015 keine Seltenheit ist, sondern viel mehr die Norm, wird niemand verleugnen. Gewichtsangaben, die in Sieben-Meilen-Schritten auf die Zwei-Tonnen-Marke zustürmen, treiben jedem Sportwagen-Fan die Tränen in die Augen. Luxus-Limousinen werden mit viel Leistung und noch mehr elektronischen Helferlein für die Rennstrecke fit gemacht und die Autobahn-Vollgas-Geradeaus-Fraktion freut sich. Wir freuen uns nicht. Auch Lexus hat aus der schönen Limousine GS nun eine “rennstreckentaugliche” Sport-Version geschaffen – den GS F. 1.865 Kilogramm treffen hier auf 477 PS. Manege frei für den Elefanten im Porzellanladen.

Der erste Kontakt
Schick ist er, keine Frage. Präzise Linien, klare Kanten, mutige Formen. Der GS F ist optisch ein gelungener Gegenentwurf zur fast schon biederen Konkurrenz von BMW oder Mercedes. Die Front wird vom gewaltigsten aller Kühlergrills im “Diabolo”-Design vollkommen eingenommen. Der Name passt. Geschätzt sind 90 Prozent der Frontschürze durch wabenförmiges Gitter ersetzt worden. Dahinter sitzen Öl- und Wasserkühler und erfreuen sich der guten Luft. Die Scheinwerfer zu Schlitzen verengt, vermittelt der GS F ein Bild Ninja-typischer Gefährlichkeit. Die Seitenlinie erinnert an den kleinen Markenbruder IS. Hinter den vorderen Kotflügeln kann heiße Luft aus den Radhäusern ins Freie gelangen. Das Heck kann mit der exotischen Aura der Front nicht ganz mithalten, weiß aber auch Akzente zu setzen. Auffallend sind die trapezförmig ausgerichteten Auspuff-Endrohre und die LED-Rückleuchten im Haken-Design. Die Spoilerlippe aus Kohlefaser ist ein schmaler, sportlicher Gegenpol zur voluminösen Form des GS F.

Gemischte Gefühle im Innenraum
Wer sich in die Höhle des – dicken, sattgefressenen – Löwen traut, wird von einem fantastischen Innenraum umgeben. Ergonomisch geformte Sitze, edle Carbon-Oberflächen und Alcantara-Ablagen überzeugen vom ersten Moment an. Lediglich das Leder von Lenkrad und Schaltknauf scheint aus einer billigeren Charge zu stammen als das der Sitze. Schade, sollten doch gerade die Berührungspunkte zwischen Fahrer und Auto immer ein gutes Gefühl vermitteln. Die Sitzposition ist sportlich tief, das Lenkrad liegt gut in der Hand. Bevor es losgeht, versuchen wir noch etwas Zeit in die Navigations-Einheit zu investieren. Die enorm fummelige Bedienung über den übersensiblen, kleinen Joystick lässt uns aber schnell die Lust verlieren. Gut, dass wir heute keine Landstraßen-Route fahren müssen – die Rennstrecke ruft.

Pylonen-Parcours
Die “Test Area” im rheinland-pfälzischen Mendig machte 2015 mit der erstmaligen Ausrichtung des Musik-Festivals “Rock am Ring” Schlagzeilen. Aber auch die Möglichkeiten, ein Auto hier auf Herz und Nieren zu testen, ist gegeben. Zuerst steht ein Slalomparcours auf dem Programm. Unsere Instruktorin Isolde Holderied – zweifache Damen-Rallyeweltmeisterin – erklärt noch kurz die verschiedenen Fahr-Modi und Differenzial-Einstellungen. Der GS F verfügt über einen Drehregler, mit dem man zwischen vier Fahrmodi wählen kann: Eco, Normal, Sport und Sport+ – soweit so gut. Je nach Modus werden Parameter wie Gaspedalkennlinien, Lenkungs- und Fahrwerkseinstellungen und der Auspuffsound anders abgestimmt.

Schwache Slalom-Performance
Viel interessanter ist der “TVD”-Knopf. “TVD” steht hierbei für “Torque Vectoring Differential”. Je nach Einstellung – Normal, Slalom oder Track – wird die Kraftverteilung an der Hinterachse mehr oder weniger sportlich geregelt. Anschließend rollen wir an den Start. In dem eng gesteckten Parcours fühlt sich der GS F nicht recht wohl. Die Lenkung wirkt weich und ohne gute Rückmeldung. Das Fahrwerk ist weder Fisch noch Fleisch, eigentlich zu weich für solche Spielereien. Der nächste Lauf wird im Fahrmodus “Sport” und im TVD-Modus “Slalom” gefahren. Der GS F ist wie ausgewechselt. Feedback in der Lenkung, eine gesunde Härte im Fahrwerk, so kommt man schon eher klar.

Ab auf den Rundkurs
Der nächste Tagesordnungspunkt heißt “Handlingparcours” und erstreckt sich über Startbahn und Rollwege des Flugplatzes Mendig. Vollgasabschnitte und weite Kurven sollten eher das Revier des GS F sein. Wir gewöhnen uns in den ersten zwei, drei Kurven an den Kurs und schießen dann die lange Startbahn herunter. Der V8-Sauger brüllt los, dass es eine wahre Freude ist. 477 PS und 530 Newtonmeter sind zwar für den Koloss mit heutigen Maßstäben gemessen etwas wenig, aber das tut der Freude am Motor keinen Abbruch. Die Nadel des Drehzahlmessers galoppiert freudig auf die 8.000er-Marke zu. Bei 7.100 Umdrehungen liegt die volle Leistung an und mit einem Zug an der rechten Schaltwippe zimmert das Achtgang-Automatikgetriebe mit “Speed-Shift”-Funktion den nächsten Gang rein.

Gewicht gegen den Spaß
Geradeaus kann er, der Dicke. Aber selbst nach der längsten Startbahn kommt einmal eine Kurve – klingt poetisch, ist aber so. Die 380-Millimeter-Bremsscheiben werden von den Sätteln in die Zange genommen und stauchen den GS F zusammen. Auf den ersten Blick wirkt die Bremse standhaft, zeigt nach mehreren schnellen Runden allerdings starke Ermüdungserscheinungen. Das Gewicht des großen Motors liegt auf der Vorderachse wie Obelix auf einem römischen Streitwagen. Die Reifen leiden und das Auto schiebt Richtung Kurvenausgang – leider mit dem falschen Fahrzeugende zuerst. Selbst provozierte Heckschwenks erstickt das recht restriktive ESP nach einer kurzen Bedenkzeit. So wird weder ein Powerslide ermöglicht, noch ein unbeholfenes Ausbrechen verhindert.

Abkühlphase
Wir rollen aus und parken den GS F wieder ein. Die Bremsen stinken, der Zahn der Rennstrecke hat sichtbar an der Standhaftigkeit genagt. Wir können nicht sagen, dass der GS F in irgendeiner Form ein schlechtes Auto wäre. Der Motor ist fantastisch, das Fahrwerk im täglichen Gebrauch mit Sicherheit äußerst komfortabel und die Innenraumqualität ist enorm hoch. Aber warum muss man aus jeder Luxus-Limousine mit starkem Motor ein “track-taugliches” Auto machen? Wir verstehen es nicht. Auf dem Handlingparcours drehen die rund 1.200 Kilogramm des Toyota GT86 unaufhörlich ihre Runden. Hoffentlich gibt es bald wieder mehr echte Sportwagen.
(mf)

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