VW Budd-e auf der CES 2016: Was der neue Elektro-Bulli kann und wann er kommen soll

January 6, 2016

Auf der CES 2016 zeigt VW den Elektro-Van Budd-e. Es ist die erste VW-Studie, die den neuen Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) nutzt

Der Budd-e sitzt größenmäßig zwischen Touran und T6, ist aber breiter

Wie ein Bulli der Neuzeit wirkt der Budd-e. Die Serienchancen sind wohl nicht so schlecht. Bis 2019 könnte der E-Van beim Händler stehen

Las Vegas (USA), 6. Januar 2016
Es scheint, als hätte Volkswagen – was die eigene Modellpolitik angeht – jetzt wirklich genug von Krise. Alte Zöpfe abschneiden und sich radikal neu ausrichten – so lautet das Gebot der Stunde. Zumindest, wenn man nach dem Auftritt der gebeutelten Wolfsburger auf der CES (Consumer Electronics Show; 6. bis 9. Januar 2016) in Las Vegas geht. Dort gibt es ein neues Infotainmentsystem mit Gestensteuerung, das nahezu serienreif ist. Und zwar auch für Otto-Normal-Autos wie den Golf. Das ist nicht unbeeindruckend. Und dann gibt es da noch den Budd-e, eine Art Bulli 4.0. Er zeigt erstmals, was die Marke Volkswagen mit dem neuen Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) vorhat. Das ist erstens eine ganze Menge und dürfte zweitens schneller auf uns zurollen, als gedacht.

MEB-Vorteile
Dass der moderne Bulli kommt, dürfte mit Vorstellung des Budd-e endlich klar sein. Wann er kommt, noch nicht so ganz. 2018? Vielleicht 2019? Lassen wir uns überraschen. Viel Vorfreude dürfte auch das “Wie” bereiten. Zumindest, wenn die Van-Studie aus Las Vegas bis zum vermeintlichen Marktstart nicht völlig kastriert wird. Mit einer Länge von 4,60 Meter sitzt der Budd-e zwischen Touran und T6. Allerdings ist er breiter als beide, verfügt dank neuer MEB-Architektur über einen Mega-Radstand von 3,15 Meter und entsprechende Platzverhältnisse im Innenraum.

Reichweite auf Benziner-Niveau
Als (Allrad-)Antrieb dienen dem VW Budd-e zwei Elektromotoren. Die vordere Maschine entwickelt 136 PS und 200 Newtonmeter, die hintere 170 PS und 290 Newtonmeter. Die Systemleistung gibt VW mit 306 PS an. Die extrem flache Batterie hat einen Energiegehalt von 92,4 Kilowattstunden und verteilt sich über große Teile des Fahrzeugbodens. Die Reichweite des E-Vans soll bei 533 Kilometer liegen. Laut VW ist sie bei einer Ladeleistung von 150 kW (Gleichstrom) in 30 Minuten zu 80 Prozent geladen. Der Budd-e soll in 6,9 Sekunden von null auf 60 mph (97 km/h) spurten. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 180 km/h. Neben einer derartigen Lösung ist in einem möglichen Serienfahrzeug aus Kostengründen aber durchaus auch eine Variante mit nur einem E-Motor und Vorderradantrieb denkbar.


Innen eher schön als praktisch
Von außen sieht der Budd-e trotz reichlich scharfer Kanten und 21 Zoll großer Räder aus, wie man sich einen Neuzeit-Bulli gerne vorstellen möchte. Ein bisschen so, als wäre der alte Haudegen in einen Star-Wars-Film gekracht. Mitsamt LED-Hinterleuchtung des gewaltigen Kühlergrills. Innen wiederum muss den Designern die neue Architektur des MEB vorkommen wie ein Geschenk des Himmels. Einschränkungen durch profane Platzfresser wie Verbrennungsmotoren oder herkömmliche Getriebe gibt es nicht. Ein normales Armaturenbrett oder eine Mittelkonsole sucht man vergebens. Dafür begegnet einem – wenn man die Budd-e-Schiebetür ganz stilecht per Gestensteuerung geöffnet hat – ein Innenraum mit sehr sehr viel Platz. Und einem Holzboden. Die beiden Vordersitze sind drehbar, hinten gibt es eine Lounge-artige Lümmel-Ecke. Diese bietet während der Fahrt zwei Sitzplätze. Steht das Auto, kann auch der dritte, seitlich angeordnete Sitz genutzt werden. Über letzterem thront ein monumentaler 34-Zoll-Bildschirm. Volkswagen betont, dass dieses doch recht futuristisch anmutende Innenraumkonzept darauf ausgelegt ist, “realisier- und bezahlbar zu sein.” Dass ein funktionaler Sechs- oder gar Siebensitzer im echten Leben mehr Sinn machen würde, dürfte den Entwicklern aber ebenfalls klar sein.

Mit Riesen-Display
Wenig zu meckern gibt es dagegen (zumindest auf den ersten Blick) am Bedienkonzept des Budd-e. VW nennt sein neues Monster-Display “Human-Machine-Interface” und spricht bescheidenerweise von nicht weniger als einer Revolution. Es besteht aus dem frei konfigurierbaren 12,3-Zoll-Active-Info-Display, wie man es bereits vom aktuellen Passat kennt, und einer sogenannten Head Unit, die 13,3 Zoll misst. Vereinfacht ausgedrückt hat man das digitale Kombiinstrument und den Infotainmentbildschirm (wie man sie bisher kannte) auf einer riesigen Tafel zusammengeschoben und vereint. Inhalte wie Navigation, Medien, Apps und andere Online-Dienste sind frei konfigurierbar und können zwischen Active Info Display und Head Unit hin- und hergeschoben werden. Bedient wird das alles per Gesten-, Touch- und Sprachsteuerung. Weitere Highlights der “VW-Bedienrevolution” sind Kamera-Außenspiegel und ein neues, schalterloses Multifunktionslenkrad, das in seiner Bedienart (touchen, drücken, wischen) auch eher einem Smartphone ähnelt.

Das Auto als Postfach
Ja und dann gibt es da noch die Sache mit dem Internet der Dinge. Wer dieser Tage über die Consumer Electronics Show in der Stadt der Sünde schweift, hört quasi nichts anderes mehr. Glaubt man den Trends der Show, sind wir alle bald so vernetzt und zeitoptimiert, dass es weh tut. Auch der Budd-e macht hier mit. VWs Elektro-Van soll auf die Arbeitswelt oder das Zuhause seiner Fahrer zugreifen, die heimische Klimaanlage regeln (das dürfte ein in Deutschland eher seltener genutztes Feature sein), das Licht steuern oder online checken, ob der Nachwuchs auch wirklich daheim ist. Praktischer erscheint da schon die sogenannte Drop Box, die wie ein Zusatz-Kofferraum aus dem Budd-e-Heck ausfährt. Künftig könnten so Einkäufe direkt ans Auto geliefert werden. Via Digital Key soll das Auto sein mobiles Postfach für zugangsberechtigte Lieferanten öffnen.

Viele schlaue Spielereien
Weitere beängstigend smarte Lösungen, die der Budd-e (und mittelfristig wohl auch viele weitere VWs) draufhat, betreffen zum Beispiel die Smart-Home-Steuerung per App während der Fahrt. Wenn Ihr Kühlschrank mal wieder gähnend leer ist, können Sie das künftig also schon im Auto sehen. Ebenso soll es möglich sein, Kamera-Bilder des trauten Heims direkt aufs Display des Autos zu streamen. So können Sie sehen, wer vor Ihrer Tür rumlungert, gegebenenfalls mit ihm reden oder ihm sogar die Tür öffnen. Apropos Tür: Sie kennen die per Fußkick öffnende Heckklappe? Mit dem Budd-e geht VW einen Schritt weiter und projiziert per Laser einen virtuellen Fußabdruck vor die Heckklappe. Einfach drauftreten und es heißt “Sesam öffne dich”. Das gleiche soll künftig auch vor der eigenen Haustür passieren. Wer 14 Tüten und drei Kinder am Arm hat, wird die Funktion zu schätzen wissen.

Der Durchbruch?
Was VW als ersten Vorgeschmack auf die eigene elektrische Zukunft zeigt, ist am Ende aber beeindruckender als Spielereien mit dem Internet. In Wolfsburg spricht man von elektrischen Reichweiten auf dem Niveau heutiger Benziner. In Großserie. Bis Ende des Jahrzehnts. Wenn das Ganze dann auch noch so verpackt ist wie der Budd-e, kann der Durchbruch des Elektroautos gerne kommen.
(sw)

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