Barcelona (Spanien), 26. Januar 2016
Zwei hochwichtige Fragen zum neuen Sportage konnte Kia bei der Präsentation des neuen Modells selbst nicht beantworten. Erstens, wie das Auto ausgesprochen wird – firmenintern geläufig ist sowohl die englische wie die französische Version, also “Sportedsch” und “Sportahsch”. Und zweitens, ob der Wagen so gut fährt, wie er aussieht (das sagen die Kia-Designer) oder so gut aussieht, wie er fährt (wie die Kia-Techniker sagen).
Exakt so lang wie der neue Tiguan
Am 30. Januar 2016 jedenfalls startet die vierte Generation des koreanischen Kompakt-SUVs. Mit 4,48 Meter ist sie exakt so lang wie die neue Version des Klassenbestsellers Tiguan. Die Optik ist gewagter als beim VW-Modell und auch beim alten Sportage, und sie polarisiert – vor allem mit den auffälligen vier LED-Einheiten der Nebelscheinwerfer. Mir persönlich gefallen die “Ice Cubes”, aber es kann gut sein, dass das keine Mehrheitsmeinung ist. Wer sie nicht mag, kann sie abwählen, denn die vier Spots sind nur bei der sportlichen “GT-Line”-Ausstattung an Bord, alle anderen Versionen haben konventionelle Nebellampen.
Der neue Turbobenziner ist eine Enttäuschung
Und wie fährt er? Hier richtet sich der Blick zuerst auf den völlig neuen Motor. Mit dem 177 PS starken 1.6 T-GDI bringt Kia den zweiten Turbobenziner – nach dem 1.0 T-GDI – und geht damit den nächsten Schritt zur Elimination der meist spaßarmen Saugbenziner, die derzeit noch so manche asiatische Modellpalette verunzieren. Doch während uns der kleine Turbobenziner im C’eed sehr gut gefiel, enttäuscht der 1.6 T-GDI. Matt und wenig schwungvoll tut er seinen Dienst. Sogar der schwächste der drei angebotenen Diesel, der 1.7 CRDi mit 115 PS, macht mehr Laune als der Ottomotor. Das liegt am Drehmoment: Der 1.6 T-GDI bringt nur 265 Newtonmeter, während besagter Diesel mit 280 Newtonmeter aufwartet. Beim 180-PS-TSI im Tiguan sind es übrigens gleich 320 Newtonmeter.
Die Diesel sind gut
Noch besser als der 115-PS-Diesel sind die übrigen Selbstzünder, so entwickelt der 136 PS starke 2.0 CRDi schon im ganz niedrigen Tourenbereich zwischen 1.200 und 1.500 U/min (der eher durch Verschalten als absichtlich gewählt wird) Kraft, und die 185 PS starke Version des gleichen Motors erreicht dazu noch stattliche 201 km/h. Diese drei Aggregate wurden in puncto Drehmoment und Verbrauch verbessert und werden sämtlich durch Speicherkatalysatoren von Stickoxiden gereinigt. Ich würde bedenkenlos eines dieser Aggregate wählen. Nur der Vollständigkeit halber: Das Einstiegsaggregat 1.6 GDI holt 132 PS aus seinem Saugbenziner, aber das dürfte eine komplett spaßbefreite Sache sein.
Etwas wackeliges Fahrwerk, aber komfortabel
Die Lenkung legt einem wenig Hindernisse in den Weg, auch wenn sie ziemlich indirekt ist. Schon etwas mehr zu meckern gibts am Fahrwerk, das zwar komfortabel abgestimmt ist, aber einen gewissen Hang zu Wank- und Nickbewegungen hat, wenn man den Sportage so bewegt, wie es der Name nahelegt – sportlich. In scharf gefahrenen Kurven zeigt sich auch, dass die Vordersitze durchaus ein wenig mehr Seitenhalt bieten könnten. Als Beifahrer gerät man mit dem linken Knie dann in Kontakt mit der zu breit geratenen Mittelkonsole. So kann man sich in der Kurve zwar abstützen, aber an dem harten Plastik dort ist das weniger angenehm.
Cockpit: Gute Optik, verbesserte Haptik
Ansonsten hat sich das Cockpit in Optik und Haptik deutlich verbessert. Das Lenkrad ist nicht mehr so beulenartig geschwollen wie bisher, in meinen Testwagen ist alles schön dezent und geschmackvoll gestaltet – viel Schwarz, etwas edler Klavierlack und ein paar Metallakzente. Am Bedienkonzept hat mich nur gestört, dass ich beim Drehen an den Temperaturreglern der Klimaautomatik den eingestellten Wert nicht finde. Erst nach längerem Suchen finde ich ihn: in kleiner Schrift in der obersten Zeile über den Navikarten. So ergibt die beabsichtigte Trennung von Bedien- und Anzeigezone keinen Sinn.
Weniger Kofferraum als im Tiguan
Im Fond haben auch Erwachsene viel Platz, sowohl nach oben als auch nach vorne. Der mittlere Gurt ist allerdings oben im Dach angebracht. Und die Sitzbank lässt sich nicht verschieben wie beim neuen Tiguan. Auch fasst der Kofferraum spürbar weniger Gepäck: 503 bis 1.492 Liter sind es beim Kia, 615 bis 1.655 Liter bei VW. Die Ladekante liegt beim Sportage selbst für ein SUV sehr hoch, obwohl sie gegenüber dem Vorgänger drei Zentimeter abgesenkt wurde. Positiv aber: Der Ladeboden wird fast perfekt eben, wenn man die Rücksitze umklappt.
Viel Technik – aber teils fragwürdig ausgeführt
Optisch und motorisch hat sich der Sportage also verbessert, aber auch technisch hat er zugelegt. So gibt es neue Assistenzsysteme – vom Notbremssystem über den Querverkehrswarner zum Rückwärts-Ausparken, einen Totwinkelwarner, einen aktiv eingreifenden Spurhalteassistenten und eine Verkehrszeichenerkennung. Sehr löblich, das hebt die Sicherheit. Aber nicht alle Systeme sind gut nutzbar. So wird die sensorgesteuerte Ladeklappe nicht per Kick unter die Stoßstange bedient, sondern schon, wenn man mit dem Schlüssel in der Tasche ein paar Sekunden am Heck steht. Man kann sich Situationen vorstellen, in denen das nervt, oder?
Start-Stopp-System nur ausnahmsweise
Unverständlich auch, warum Kia immer noch auf eine konventionelle Handbremse setzt – eine elektronische löst sich von selbst und ist damit aus meiner Sicht viel praktischer. Und warum wird für das Auto zwar ein Antikollisionssystem mit Radarunterstützung angeboten, aber kein Abstandstempomat, der dieselbe Technik nutzen könnte? Fahrmodi gibt es seltsamerweise nur für Modelle mit Automatik oder Doppelkupplungsgetriebe, und das Start-Stopp-System ist nur bei einer einzigen von sechs Ausstattungen und auch nur für drei Motorisierungen an Bord. Dass es das (bei vielen anderen Modellen längst serienmäßige) Spritsparsystem im Sportage nur ausnahmsweise gibt, ist schon fast kauzig.
Mehr Technik bei VW & Co
Generell ist es beim Sportage so wie bei den meisten Importeursautos: Wer viel Technik haben will, wird bei den deutschen Herstellern eher fündig. Für den neuen Tiguan gibt es zum Beispiel ein Head-up-Display, das schöne Active Info Display oder LED-Scheinwerfer. Dem setzt der Sportage aber andere Stärken entgegen, die ich nicht kleinreden will. Über die USB-Ladebuchse im Fond freut sicher so manche Jugendliche, und auch Sitzheizung hinten, Sitzventilation, Lenkradheizung und der erwähnte Querverkehrswarner sind beileibe nicht selbstverständlich – schon gar nicht in der Kompaktklasse.
Nicht billiger als bei VW, aber besser ausgestattet
Kommen wir zur Preisfrage. Die Preisliste beginnt bei 19.990 Euro, doch das ist ein Friss-oder-Stirb-Angebot, denn man kann außer der Lackfarbe so gut wie nichts wählen: Man bekommt den 132-PS-Basisbenziner und eine festgelegte Ausstattung. Der 1.6 T-GDI lässt sich gut mit dem gleich starken Tiguan 2.0 TSI vergleichen: Den Kia gibt es als Allradler für 34.190 Euro in der neuen GT-Line-Ausstattung, für den VW zahlt man nicht mal 300 Euro mehr – das ist mutig, auch wenn der Kia deutlich besser ausgestattet ist. Der empfehlenswerte 136-PS-Diesel mit Frontantrieb wird für 29.190 Euro in der umfangreichen Vision-Ausstattung angeboten. Auch hier liegt Kia gefährlich nahe an VW: Einen 150-PS-Fronttriebler aus Wolfsburg bekommt man ab 30.025 Euro, der 14 PS schwächere Sportage ist ab 29.190 Euro zu haben. Hyundai mag das Image haben, die günstigere Marke zu sein, aber der entsprechende Tucson kostet auch mindestens 29.300 Euro.
(sl)
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