Haar, 28. Januar 2016
VW bekommt an der Dieselfront noch lange keine Ruhe. Für die letzten dicken Negativ-Schlagzeilen hatte VW-Konzernchef Matthias Müller selbst gesorgt. Bei einem Interview am 10. Januar mit dem US-amerikanischen Rundfunkverbund National Public Radio äußerte er sein Unverständnis darüber, dass die Diesel-Frage in den USA als ethisches Problem gesehen wird. Und er hatte behauptet, VW hätte gegenüber der Umweltbehörde EPA nicht gelogen, sondern nur “zunächst die Frage nicht verstanden”. Die folgenden Irritationen waren eine Katastrophe für Müller und Volkswagen insgesamt, denn es entstand der Eindruck, dass der Konzernchef seine Entschuldigungen nicht wirklich ernst meinte.
Noch keine Lösung in den USA
Kurz nach dem Interview-GAU musste Müller einen weiteren Schlag wegstecken: Das Gespräch mit der EPA-Chefin Gina McCarthy (am 13. Januar) verlief eher unbefriedigend. Dabei sollte es um Vorschläge von VW zur Behebung der zu hohen Emissionen gehen, etwa auch durch einen Rückkauf von Fahrzeugen durch Volkswagen. Eine Lösung gab es offenbar nicht, jedenfalls blieben öffentliche Erklärungen dazu aus. In Deutschland ist man da schon weiter: Das Kraftfahrtbundesamt gab nun den Rückruf des ersten Modells frei – damit kann die Umrüstung beim VW Amarok 2.0 TDI beginnen. Dabei wird lediglich die Software modifiziert, wie aus einem Online-Bericht des Nachrichtensenders N-TV vom 27. Januar hervorgeht.
Ein Kronzeuge packt aus
Aber wir wollten noch über ein paar Schläge für VW berichten. Am 22. Januar meldete der Rechercheverbund aus “Süddeutscher Zeitung”, NDR und WDR, dass ein “Kronzeuge” – ein selbst an den Manipulationen beteiligter Motorenentwickler – bei internen Befragungen angegeben hatte, dass viele Manager von der Manipulation der Diesel-Emissionswerte wussten – und nicht nur wenige Ingenieure, wie der Konzern immer behauptet hatte.
Entschädigung nach zweierlei Maß?
Auch aus der Politik kommen Meldungen, die VW weniger gefallen werden. Am 21. Januar forderte EU-Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska, europäische VW-Kunden müssten genauso großzügig entschädigt werden wie die in den USA. Dort bekommen Betroffene 1.000 Dollar – teils in Form von Bargeld, teil als Gutscheine für VW-Handelsbetriebe. Kurz darauf wurden am 25. Januar Überlegungen des Bundesverkehrsministeriums zu verbesserten Emissionsmessungen publik – die Forderungen sind auf der Website des BMVI nachzulesen. Statt dass immer der gleiche technische Prüfdienst für eine Marke zuständig ist (bei VW der TÜV Nord), soll es künftig eine Rotation geben. Auch Nachmessungen durch staatliche Prüfstellen sollen erfolgen, und die Hersteller sollen ihre Motorsoftware offenlegen – Letzteres hatte VW mit Hinweis auf das Firmengeheimnis bisher abgelehnt.
EU-Kommission will Typzulassung reformieren
Die EU-Kommission geht über diese Punkte noch hinaus. Laut einem Artikel auf ihrer Website vom 27. Januar will sie eine europäische Typzulassung einführen – bisher sind dafür nationale Behörden wie das Kraftfahrtbundesamt zuständig. Die EU-Behörde schlägt außerdem vor, dass die Prüfdienste nicht mehr von den Herstellern, sondern vom Staat bezahlt werden. Dies soll Interessenskonflikte bei TÜV, Dekra und den diversen ausländischen Prüfdiensten ausschließen. Auch will die Behörde zu lax arbeitende Prüfdienste künftig ablehnen und Strafen für Hersteller verhängen können. Stichproben an Autos, die bereits verkauft werden, sollen die Emissionsüberwachung weiter stärken. Diese Vorschläge sollen die RDE-Richtlinien (Real Driving Emissions, das sind zusätzliche NOx-Messungen im realen Straßenverkehr) ergänzen, die bereits beschlossene Sache sind. Der neue Entwurf muss dazu allerdings noch vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat bestätigt werden.
(sl)
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