Stuttgart, 1. Februar 2016
DRP 37435 wird die Welt verändern. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich das Patent für ein “Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb”. Am 29. Januar 1886, also vor 130 Jahren, hatte sein Erfinder Carl Benz das neue Gefährt dafür angemeldet. Es wird als Geburtsstunde des Automobils angesehen. Doch war das berühmte Dreirad (offiziell “Patent-Motorwagen” genannt) ein Geistesblitz aus dem Nichts?
Liebe zur Mechanik
Blicken wir zunächst auf das Leben von Carl Benz (zeitgenössisch mit C statt K) zurück: Am 25. November 1844 kommt er in Karlsruhe zur Welt. Der Vater arbeitet sich vom Schmied zum Lokführer hoch, stirbt aber, als Carl zwei Jahre alt ist. Von ihm erbt der Sohn die Begeisterung für die Technik. Trotz wenig Geld ermöglicht die Mutter Carl eine Ausbildung, die in einem technischen Studium mündet.
Andere fahren bereits
Um 1870 herum lernt er seine spätere Frau Bertha kennen, ein Glücksgriff in jeder Hinsicht. Vor allem finanziell: Der vermögende Schwiegervater ermöglicht Benz den Aufbau einer kleinen mechanischen Werkstatt in Mannheim. Dort tüftelt Benz am Gasmotor herum, der zu jener Zeit als Stationärantrieb immer beliebter wird. Allerdings hat schon dessen Erfinder Etienne Lenoir im Jahr 1863 ein Motorfahrzeug namens “Hippomobile” konstruiert und fährt damit 18 Kilometer weit. Aber dieser Wagen ist noch unhandlich und gerät ebenso in Vergessenheit wie der motorisierte Handwagen, den der Österreicher Siegfried Marcus 1870 baut.
Wie kommt der Motor ins Auto?
Die Idee von Carl Benz ist es, einen Verbrennungsmotor zu schaffen, der statt mit unpraktischem und durchaus gefährlichem Leuchtgas mit Petroleum gefüttert werden kann. Im Jahr 1879 läuft der erste stationäre Zweitakter von Benz. Ab 1881 baut die Mannheimer Gasmotorenfabrik den Motor, 1883 überwirft sich Benz mit der Firma und gründet sein eigenes Unternehmen. Schon bald reift in ihm die Idee, dass der Petroleum-Motor auch mobil sein sollte. Und zwar beweglicher als bereits bekannte Dampfwagen.
Zweikampf mit Daimler
Etwa zur gleichen Zeit hat ein gewisser Gottlieb Daimler die gleiche Idee. Aber Daimler baut ebenfalls 1886 eine pferdelose Kutsche mit schwer regulierbarer Lenkung. Benz hingegen denkt praktischer und hat die damals beliebten Fahrräder und Dreirad-Velocipeds mit Pedalantrieb im Sinn. Anders als Daimler baut er nicht nur einen Motor in etwas Bestehendes ein, sondern konstruiert um die nun als Viertakter arbeitende Maschine mit 0,75 PS einen Stahlrohrrahmen und ein Differential. Durch das einzelne Rad vorne ist der Wagen einfacher zu beherrschen. Doch erst im Juli 1886 wird der Patent-Motorwagen öffentlich bewegt, maximal 16 km/h sind mit dem 954-Kubik-Einzylinder möglich. Aber das Volk ist nicht überzeugt. Keiner will den Wagen kaufen.
Bertha will es wissen
Wieder ist es Bertha, die ihrem Gatten aus der Patsche hilft: Gemeinsam mit den Söhnen Eugen und Richard fährt sie mit einer Weiterentwicklung des Motorwagens im August 1888 von Mannheim bis Pforzheim. Eine Strecke von gut 100 Kilometer, seinerzeit eine echte Herausforderung. Ohne Wissen von Carl geht seine Frau auf große Tour und schafft es trotz vieler Pannen zum Ziel. Damit ist der Beweis erbracht, wie weit eine Motorkutsche (der Begriff “Automobil” wird erst später geprägt) kommt und das jeder sie bedienen kann. Der endgültige Durchbruch gelingt 1893 mit dem ersten Benz-Vierradwagen. Hier kommt erstmals eine patentierte Achsschenkellenkung zum Einsatz. Detail am Rande: Viele der zuvor gebauten “Dreiräder” werden später zu Vierradwagen umgebaut. 1897 folgen der erste Boxermotor (“Contra-Motor”) und ein Rückwärtsgang, 1900 ein Lenkrad.
Serie ist relativ
Zum ersten Serienautomobil der Welt wird der kleine, nach damaligen Maßstäben handliche Velo. 1.200 Exemplare des 300 Kilogramm leichten Fahrzeugs entstehen, auch weil der “Velo” nur halb so teuer ist wie andere Benz-Autos. Allerdings sind 2.000 Mark noch immer ein enormer Kaufpreis. Insgesamt verkauft das Benz-Werk bis Ende 1903 3.480 Motorwagen. Die Eigenständigkeit der Firma Benz endet in den krisengeschüttelten 1920er-Jahren: 1926 erfolgt die Fusion mit Daimler zu Daimler-Benz. Carl Benz erlebt sie noch, er stirbt 1929. Seine Frau Bertha stirbt 1944 kurz nach ihrem 95. Geburtstag.
Meilenstein in München
Und was wurde aus dem legendären “Patent-Motorwagen”, dem Urmeter des Automobilbaus? So kurios es klingt: Das Original steht nicht im Mercedes-Museum. Laut dem bekannten Auto-Chronisten Werner Oswald verrottete die “Nummer 1″ um die Jahrhundertwende irgendwo im Benz-Werk. Als zwischen Benz und Daimler ein Streit entstand, wer denn nun den ersten Motorwagen der Welt gebaut habe, wurden die traurigen Reste wieder aufgebaut. Einige Zeit später, im Jahr 1906, schenkte Carl Benz das Mobil dem damals im Aufbau befindlichen Deutschen Museum in München. Dort kann der Patent-Motorwagen noch heute im Verkehrszentrum bewundert werden. Falls Ihnen München zu weit weg ist: In Ladenburg nahe Mannheim, wo Carl Benz von 1904 bis 1929 lebte, werden in der historischen Benz-Fabrik viele Fahrzeuge der Marke gezeigt.
(rh)
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