Garching, 1. Februar 2016
Elektroautos sind mangels Reichweite nicht alltagstauglich, Plug-in-Hybride sind zu teuer: Das war bisher immer mein persönliches Mantra zum Thema Elektromobilität. Diese durch viele Tests im Lauf der Zeit ausgehärtete Überzeugung könnte sich nun relativieren. Denn BMW verspricht für seine beiden neuen Plug-in-Hybride 225xe Active Tourer und 330e, dass kein Preisaufschlag verlangt wird. Ich war gespannt und habe die Autos, die am 5. März 2016 auf den Markt kommen, getestet.
Plug-in-Hybride statt ActiveHybrid-Autos
BMW ersetzt derzeit die ab 2008 erschienenen ActiveHybrid-Fahrzeuge durch Plug-in-Hybride. Eine gute Idee, denn die konventionellen Benzinhybride ohne Auflademöglichkeit waren gegenüber Dieselfahrzeugen fast immer im Nachteil: Die Spritkosten waren höher, der Anschaffungspreis nicht geringer. Und die Grundidee der Autos zum Einstöpseln ist ja auch charmant: Man bewältigt das berufliche Pendeln rein elektrisch und kann dennoch am Wochenende durch den Benziner ein paar hundert Kilometer zurücklegen – zum Beispiel von München in die Alpen.
Erstaunlich kräftige 88 Elektro-PS
Nun kommen also Plug-in-Versionen des Vans 2er Active Tourer und der 3er-Limousine auf den Markt. Konzeptbedingt gibt es deutliche Unterschiede zwischen ihnen: Der Van, von Geburt an ein Fronttriebler, wird durch einen Elektromotor an der Hinterachse zum Allradler – hier dreht BMW die Architektur des i8 sozusagen um. Der 3er hingegen ist im Kern ein Hecktriebler und bleibt auch einer. Beim Plug-in-Modell verstärkt der E-Motor den Antrieb der hinteren Achse. Der eingesetzte Elektromotor ist ähnlich, aber nicht identisch: Er liefert bei beiden 88 PS (65 Kilowatt), doch der Van hat 165 Newtonmeter Drehmoment, beim 3er sind es 250 Newtonmeter. Beide können etwa 40 Kilometer rein elektrisch fahren, werden allein mit Strom-Kraft bis zu 125 km/h schnell.
Van: Als Plug-in-Hybrid sogar günstiger
Der Van kombiniert den bekannten Dreizylinder-Turbobenziner mit 136 PS mit dem erwähnten 88-PS-Elektromotor zu einer Systemleistung von 224 PS und 385 Newtonmeter. Das Auto beschleunigt in 6,7 Sekunden auf Tempo 100. Damit liegt es auf dem Niveau des 225 xDrive, der sogar etwas weniger Drehmoment und eine minimal schwächere Spurtleistung bringt – dafür liegt die Höchstgeschwindigkeit des Plug-in-Hybriden niedriger. Dennoch ist der Plug-in-Hybrid günstiger als das konventionelle Modell: Er ist ab 38.700 Euro zu haben, während es den 225i xDrive erst ab 40.200 Euro gibt. Gut, der Plug-in-Hybrid hat einen Dreizylinder statt eines Vierzylinders unter der Haube, und der teure konventionelle Allradantrieb entfällt. Aber der Verdacht drängt sich auf, dass BMW den Plug-in-Hybrid ein wenig quersubventioniert. Laut BMW wird aber durchaus auch mit den Plug-in-Modellen Geld verdient.
Weniger Kofferraum und kleinerer Tank
Der Nutzwert verringert sich durch die Elektrokomponenten kaum. Man kann die Rücksitze umklappen wie beim normalen Modell, und es ergibt sich eine leidlich ebene Ladefläche. Die Rückbank liegt allerdings drei Zentimeter höher als sonst, weil der Lithium-Ionen-Akku darunter Platz braucht. Und so verringert sich das Kofferraumvolumen: Beim Plug-in-Hybrid sind es 400 bis 1.350 statt 468 bis 1.510 Liter. Außerdem wurde der Benzintank von 51 auf 36 Liter verkleinert, und Anhänger darf man keine ziehen.
Schöner Anfangsschwung
Und wie fährt sich das Ding? Die Zeit sparende Antwort ist: sehr gut. Zunächst geht es rein elektrisch los, und zwar erstaunlich schwungvoll für nur 88 PS. Dabei surrt das Auto leise, etwa wie eine Straßenbahn. Und das Fahren ist nicht komplizierter als bei einem normalen Automatikauto. Es gibt drei verschiedene Hybridmodi, aber für viele Kunden wird “Auto eDrive” ausreichen. Dabei regelt das System alles selbst. Bis 80 km/h fahre ich rein elektrisch. Die angezeigte elektrische Reichweite verringert sich dabei kontinuierlich. Ich bin gespannt, was bei null passiert und fahre daher einen kleinen Umweg. Es zeigt sich: Nach 1 kommt nicht 0, sondern “—”. Aber dann springt bald der Verbrenner an.
Batterie aufladen hat keine Priorität
Wer nun glaubt, er könnte die Batterie zum Beispiel bei moderater Fahrt auf der Autobahn wieder aufladen, täuscht sich. BMW geht davon aus, dass der Durchschnittsfahrer höchstens 30 Kilometer täglich zurücklegt, und dann hat das Aufladen keinen Sinn: Die elektrische Reichweite soll ausgenützt werden, aber nicht mehr. Wer auf dem Weg in die Arbeit ein kurzes Stück Autobahn fährt, kann aber den Modus “Max eDrive” nehmen, dann sind 125 km/h rein elektrisch möglich. Der dritte Modus heißt “Save Battery”, denn dabei wird die Batterieladung erhalten oder – wenn sie unter 50 Prozent sinkt – wieder erhöht. Das hat aber mehr mit Posing als mit Ratio zu tun: Man kann damit am Ziel den Kollegen vorführen, dass das neue Auto wirklich rein elektrisch fährt.
Mit Strom halb so teuer wie mit Benzin
Im Grunde aber lautet das Motto beim Plug-in-Auto: Möglichst oft elektrisch fahren, und zwar bis zum letzten Elektron. Denn jeder elektrisch gefahrene Kilometer ist billiger. Beim 225xe ergibt sich zum Beispiel (aus 5,8 Kilowattstunden nutzbarer Akkukapazität und 41 Kilometer Reichweite) ein Stromverbrauch von 14 kWh pro 100 Kilometer, was etwa 3,50 Euro entspricht. Angenommen, das Auto braucht mit leerer Batterie fünf Liter Benzin auf 100 Kilometer, ergibt das etwa sechs Cent pro Kilometer, also fast das Doppelte. Aufgeladen wird der Plug-in-Van an der Wallbox in 2,2 Stunden bei 230 Volt und 16 Ampere, aber auch das langsame “Oma-Laden” an der Haushaltssteckdose ist möglich.
Harmonisches Zusammenspiel der Achsen
Ansonsten habe ich den Eindruck, dass der Active Tourer ziemlich satt auf der Straße liegt – man spürt die 150 Kilo Mehrgewicht. Das ist bei einem hoch bauenden und tendenziell wankanfälligen Van kein Nachteil, vor allem, weil auch der Schwerpunkt niedriger liegt. Das Zusammenspiel der beiden angetriebenen Achsen ist harmonisch, das Zuschalten des Verbrenners fällt nur auf, wenn man sich darauf konzentriert und den Drehzahlmesser beobachtet. Ob sich im Grenzbereich bei plötzlich zuschaltender Vorderachse das Kurvenverhalten verändert, habe ich freilich auf städtischen Straßen nicht ausprobiert. Doch das dürfte auch bei Rallyeautos mehr interessieren als bei Familienkutschen.
330e: Ausstattungsbereinigt etwa so teuer wie ein 330i
Der zweite Neue ist der 330e. Hier wurde der Elektromotor vorne in die Getriebeglocke integriert. Er treibt gemeinsam mit dem 184 PS starken Vierzylinder aus dem 320i die Hinterachse an. So ergibt sich eine Systemleistung von 252 PS und ein Drehmoment von 420 Newtonmeter. Die Standardsprintzeit (6,1 Sekunden), das Drehmoment und die Leistung sind vergleichbar mit dem 330i. Der ist allerdings auf den ersten Blick auch günstiger: Die konventionelle Version kostet 40.050 Euro, während der 330e mit 43.500 Euro zu Buche schlägt. Berücksichtigt man aber die unterschiedliche Ausstattung, ergibt sich ungefähr ein Gleichstand: Der 330e hat ein Automatikgetriebe (2.150 Euro), Zwei- statt Einzonen-Klimaautomatik (650 Euro) und eine Standklimatisierung (sonst nicht verfügbar), der 330i dafür 17-Zoll-Aluräder (850 Euro).
Schnurrt schön ab
Der 3er fährt sich ebenfalls gut. Der Antritt aus dem Stand ist überzeugend, und das Gefühl, dass das Modell sehr schwer auf der Straße steht, ergibt sich erneut. Was dem Van gut steht, wirkt hier aber vielleicht eine Spur schwerfällig. An einer Autobahnauffahrt habe ich dann freie Bahn und beschleunige ordentlich. Der Anpressdruck im Sitz genügt sportlichen Maßstäben, mein Hinterkopf prallt gegen die Kopfstütze, dann schnurrt der Wagen weg. Zu dem leicht rauen, sportlichen Sound trägt die klappengesteuerte Auspuffanlage bei. Wie beim Van verringert sich die Alltagstauglichkeit auch beim 3er kaum: Der Kofferraum schrumpft von 480 auf 370 Liter, der Tank von 60 auf 41 Liter, doch Fond und Gepäckabteil sind ansonsten nutzbar wie gewohnt.
Die Plug-in-Palette wächst
Mit den beiden neuen Modellen gibt es nun sechs Baureihen mit Plug-in-Hybrid. Schon auf dem Markt sind der 740e, der X5 xDrive40e, der i8 und der i3 mit Range Extender. Für den (allmählich auslaufenden) 1er mit Heckantrieb ist nichts Derartiges mehr geplant, doch ansonsten dürften alle Kernbaureihen ein Plug-in-Modell erhalten, heißt es bei BMW. Man darf sich also auf einen X3 und einen 5er gefasst machen. Wenn diese als Plug-in-Modelle auch nicht teurer sind als entsprechende Benziner, dann freuen wir uns drauf.
(sl)
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