Monterey (USA), 17. Februar 2016
Wenn Sie auf “Klein, aber ohooo mein Gott” stehen, dann erleben Sie gerade ziemlich paradisische Zeiten. Das Premium-Kompaktsport-Segment – sprich: Golfklässler mit erschreckend viel Leistung zu erschreckend hohen Preisen – boomt wie noch nie. Mercedes-AMG A 45 und Audi RS 3 schieben ihre Steilheck-Hintern mittlerweile schneller nach vorne als diverse Supersportwagen und der neue Ford Focus RS vereint mehr anarchisch qualmende, fuchsteufelswilde Güte, als es sie je auf knapp 4,40 Meter Länge gegeben hat. Seien die Ansätze auch noch so verschieden, eines ist gewiss: mit eher gedrungenem und fulminantem Gerät lässt sich derzeit richtig Kasse machen. Auch BMW hat das erkannt und schickt nach vier quälend langen Jahren endlich einen Nachfolger für das legendäre 1er M Coupé in den Ring. Der M2 ist an Gedrungenheit und Fulminanz quasi kaum zu überbieten und hat auch sonst alle Anlagen, um der erstarkten Konkurrenz in Sachen Hurra und Theatralik gewaltig die Show zu stehlen. Ob es ihm gelingt, und ob er vielleicht sogar am Porsche-Cayman-GTS-Thron rütteln kann, klärt unser erster Test auf Straße und Rennstrecke.
Klassisches Antriebskonzept
Aber vor dem Spaß steht die Technik und München hat mal wieder bemerkenswert tief in die Trickkiste gegriffen, um seinen neuesten M-Zwerg zum Epizentrum des Fahrvergnügens mutieren zu lassen. Als Kraftquelle dient eine umfassend optimierte Variante des bekannten 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Turbos aus M235i und Co. Über ein manuelles Sechsganggetriebe mit Zwischengas-Funktion (danke, BMW!) oder eine Siebengang-Doppelkupplung – mit beängstigend unteutonischem “Smokey-Burnout-Modus” – gelangt die Kraft ausschließlich an die schönere der beiden Achsen (und ja, damit meine ich die Hinterachse). Die Aufteilung des Drehmoments zwischen den Hinterrädern übernimmt eine stufenlos agierende, elektronische Lamellensperre. Der Focus RS muss sich also künftig nicht mehr alleine um Rauch und irrwitzige Driftwinkel im Kompaktsegment kümmern.
Grüße vom M3
Der Motor selbst freut sich über Kolben, Kurbelwellen-Hauptlagerschalen und Zündkerzen aus dem Biturbo-Aggregat des großen Bruders M3/M4. Die Ölversorgung raucht dank modifizierter Ölwanne und einem Zusatz-Ölkühler fürs optionale Doppelkupplungsgetriebe auch bei ambitionierteren Rennbahn-Auftritten nicht gleich ab. Dazu gibt es einen Extra-Wasserkühler, eine herzhafter ausgelegte Klappen-Abgasanlage sowie ein aggressiveres Mapping für die Motorsteuerung. Das Ergebnis sind 370 PS bei 6.500 U/min und 465 Newtonmeter zwischen 1.400 und 5.500 U/min (500 Newtonmeter im Overboost). Den Verbrauch des M2 gibt BMW mit 8,5 Liter an. Wer schalten lässt, soll mit 7,9 Liter auskommen. Die Wahrheit – zumindest die halbe – spricht aber der Bordcomputer und der war nach einer normal gefahrenen 150-Kilometer-Schleife mit gut 9,5 Liter überraschend gnädig.
Ganz schön geschwollen
Rein optisch wirkt der M2 auch in Fleisch und Blut reichlich brachial und fast schon komikhaft überzeichnet. So, als würde unter seinem Blech ein großer Haufen sehr kräftiger Menschen permanent den Bizeps anspannen. Seine bemerkenswerte Schwellung hat der kleine M den deutlich breiteren Alu-Achsen des M3/M4 zu verdanken, die zur Steigerung der Steifigkeit direkt mit dem Schweller (vorne) beziehungsweise mit der Karosserie (hinten) verschraubt sind. Auch die Lenkung und die anabolösen 19-Zöller samt Michelin-Super-Sport-Bereifung stammen von der erlauchten Verwandschaft. Innen herrscht die Reduzierung aufs Wesentliche: Die Sitze sehen unspektakulär aus, tun aber genau, was sie sollen. Die einzige Extravaganz kommt in Form von Zierleisten in offenporigem Carbon, das ein bisschen den Eindruck erweckt, als hätte BMW ein paar Gartenmöbel aus Rattan zerschnitten. Sie sehen: Auch beim M2 steht “M” eher weniger (eigentlich eher gar nicht) für Marketing sondern noch immer hauptsächlich für Motorsport.
Aggressiv und ziemlich trocken
Deswegen kann nicht nur der Autor dieser Zeilen die Garchinger GmbH recht gut leiden und ich muss ehrlich zugeben: Der M2 ist so ein Auto, da ist man auch als sportwagenverwöhnter Motorjournalist schon ein paar Wochen vorher ziemlich hibbelig. Bitte lass ihn gut sein. Wobei das mit dem “gut sein” auf panoramisch wertvollen, aber größtenteils schnurgeraden US-Küstenstraßen gar nicht so leicht herauszufiltern ist. Was trotzdem durchdringt, sind eine fast schon hypernervöse Vorderachse, eine gewisse Humorlosigkeit in der Federung (egal, ob in Comfort oder Sport Plus) und die ersten Anzeichen einer wundervollen Antriebseinheit. Der kleine Hebel flutscht durch die sechs Gassen, dass es eine wahre Freude ist. Bei der Kürze und Reibungsarmut der Gassen ist das aber auch kein Wunder. Ja und der neu gescheitelte Sechszylinder? Der war auch unfrisiert schon richtig gut. Jetzt ist er absolut fantastisch, weil die schlauen M-Motoren-Köpfe es geschafft haben, dass er ziemlich lange ziemlich gleichmäßig ziemlich wuchtig bleibt und dann im letzten Drittel nochmal ordentlich von der Drehzahl-Tarantel gestochen wird.
Schneller als erwartet
Der Effekt ist wirklich verblüffend: Der M2 haut einem den Beschleunigungs-Vorschlaghammer nicht gar so knochentrocken auf die Rübe wie AMGs A 45 oder Audis RS 3, aber er macht mehr aus seinem Drehzahlband und wirkt in keinster Weise langsamer. Um ehrlich zu sein: Er wirkt zu jeder Zeit angsteinflößend, ja fast schon irrwitzig schnell. Eher 420 als 370 PS schnell. 0-100 km/h passieren handgeschaltet in 4,5 Sekunden, mit DKG sind es 4,3 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 km/h, gegen Aufpreis sind 270 Sachen drin. Dabei entkommt ihm die meiste Zeit ein ziemlich wuchtiges, ehrliches und mechanisches Geschrei, das mit Ausnahme gelegentlicher Spratzer und Schießer eher laut als wirklich herzerwärmend schön klingt.
Beeindruckende Balance
Die Wahrheit – und bei M-Autos ist das zur Abwechslung wirklich so – liegt aber auf der Rennstrecke. In diesem Fall auf der glorreichen kalifornischen Achterbahn von Laguna Seca. Machen wir es kurz: Hier zeigt der M2 der Premium-Kompakt-Konkurrenz trotz eines recht propperen Kampfgewichts von fast 1.600 Kilo (mit DKG), wie man das so macht mit der Balance und dem Vergnügen. Die überspitze Vorderachse reißt einen förmlich in die Kurve, fast so, als säße man in einem frontgetriebenen Tourenwagen mit gefährlich aggressiver Differenzialsperre und trotzdem muss man keine Angst haben, permanent vom eigenen Heckabteil überholt zu werden. Die Fahrstabilität ist fast schon narrensicher. Natürlich tanzt der M2-Hintern, wenn man zu früh zu grobschlächtig Gas gibt, aber an und für sich überstehen die 265er-Hinterräder den gewaltigen Drehmomentüberfall erstaunlich gelassen. Zudem schön und auch bei weniger Talent ungefährlich: In Sport Plus erlaubt die Stabilitätskontrolle genug Schlupf für leichte Drifts, ohne das eigene Herz in der Hose zu versenken. Wer ein gestörtes Verhältnis zu Hinterreifen hat, kann natürlich auch alles ausschalten und die Umgebung in eine Wolke aus Rauch und totem Gummi legen, selbst wenn das mit der hemmungslosen Drifterei nicht so idiotensicher funktioniert wie beim neuen Focus RS.
Noch schneller mit Doppelkupplung
Auch auf der Strecke wirkt der Dreiliter-Turbo des M2 jederzeit bärenstark und quicklebendig. Umso mehr, wenn man die irritierend gute Doppelkupplung (für unbarmherzige 3.900 Euro) an Bord hat. Sie scheint irgendwas mit Gedankenübertragung gelernt zu haben und verheddert sich auch nicht, wenn man vor der Kurve mal drei Gänge zurückschaltet. Die Frage nach einem hochdrehenden Saugmotor stellt sich eigentlich nicht. Die M2-Vorgänger hatten keinen und der neue Turbo scheint charismatisch genug, um die Konkurrenz (vielleicht mit Ausnahme des scheidenden 3,4-Liter-Cayman-Boxers) auszustechen. Blieben noch die Lenkung und die Bremse. Erstere ist über das dicke M-Lenkrad recht fleischig, vermittelt aber im ersten Eindruck mehr Gefühl, als das zuletzt bei M-Gefährten der Fall war. Bei der Bremse stört der extrem frühe Druckpunkt, diverse harte Rennrunden schienen ihr jedoch (zumindest mit Rennbelägen) nicht das Geringste anhaben zu können. Und nur, weil es halt immer dazugehört: Der M2 schafft die Nordschleife offiziell in 7:58 Minuten. Hinter vorgehaltener Hand sagte man mir: “Das ist die ständig reprouduzierbare Zeit, eine 7:52 Minuten war schon auch mal dabei”. Wir nehmen das mal so hin und befinden es für ausreichend schnell.
Insgesamt wohl der beste Kompakte
Richtig wichtig ist es nicht, weil der M2 deutlich mehr ist, als eine schnöde Rundenzeit. Am Ende ist er ziemlich genau das, was man sich von einem kleinen, breiten, krawalligen Auto der M GmbH erhoffen durfte. Er ist ein bisschen, wie eine verjüngte, noch schnellere und einfacher zu fahrende Variante des 1er M Coupé und lässt den an sich fantastischen M235i plötzlich aussehen, als wäre er mit einer Portion Pudding überzogen. Er hat die fast schon außerirdische Geschwindigkeit von Mercedes-AMG A 45 und Audi RS 3, klingt vielleicht nicht ganz so haarsträubend, wirkt aber vielschichtiger und deutlich amüsanter. Er ist bei Bedarf ähnlich lustig drauf wie der Focus RS, wirkt aber durchtrainierter und mehr auf den Punkt. Ganz so knochig und pur wie der Cayman ist er wohl nicht, dafür kann er zur Not zwei (kleine oder sehr biegsame) Menschen mehr mitnehmen und hat einen Kofferraum. Das Ganze gibt es ab 56.700 Euro, wobei man sich vom hohen Grundpreis nicht täuschen lassen sollte, denn vom großen Navi-Infotainmentsystem über Ledersitze, Klimaautomatik und Einparkhilfe ist hier berreits alles an Bord, was man wirklich braucht. Zum Vergleich: Der Mercedes-AMG A 45 kostet mindestens 51.051 Euro, der Audi RS 3 ist ab 52.700 Euro zu haben und für den Ford Focus RS werden 40.000 Euro fällig. Der Porsche Cayman GTS kostet 73.757 Euro. Marktstart für den M2 ist im April 2016.
(sw)
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