Marchtrenk (Österreich), 23. Februar 2016
In seiner jetzigen Form ist der Lada Kalina II Kombi bereits seit 2014 in Europa erhältlich. Jetzt gibt es eine neue Version, die den Verkauf ankurbeln soll. Sie soll ein jüngeres Publikum ansprechen, sie soll für mehr “Lifestyle” im Modellprogramm sorgen und sie soll für ältere Leute interessant sein – weil man ja leichter einsteigen kann. Wie man diese umfangreichen Soll-Vorgaben erfüllen möchte? Mit einer erhöhten Bodenfreiheit, robusten Hartplastik-Applikationen an der Karosse, Alu-Felgen, einem geänderten Stoßfänger und mehr Serienausstattung im Innenraum. Der Name dafür? Lada Kalina Cross. Ob Sie sich in Zukunft jetzt auf einen Russen festlegen sollten? Wir haben den neuen Lifestyle-Lada ausprobiert. Zweifel sind vorprogrammiert, oder?
Übersichtlich, aber ein Design von gestern
Wie man den neuen Kombi mit Offroad-Attitüde vermarkten soll, weiß man bei Lada zwar noch nicht, aber das ist eigentlich auch egal, denn er soll Vielseitigkeit sein. Und so blieb der Wagen erstaunlich übersichtlich. Er ist sogar so übersichtlich, dass man sich fast ein bisschen so vorkommt, als würde man auf einem Präsentierteller durch die Gegend fahren. Schuld daran ist das recht unmoderne Design mit den schmalen Säulen sowie den sehr großen Glasflächen. Das ist gut für Pragmatiker, aber schlecht für Menschen, die ein schönes und aktuell aussehendes Auto kaufen wollen. Doch über Design lässt sich ja bekanntlich streiten.
Mehr Ausstattung, mehr Offroad-Attitüde
Auch der Innenraum wird nicht unbedingt einen Preis für wegweisendes Design gewinnen. Trotzdem kann man sich wohl in ihm fühlen. Weil wir in der Cross-Version sitzen, dominiert die Farbe Orange. Die Sitzbezüge der extrem weichen Sitze und viele Applikationen sind in diesem Farbton gehalten. Darüber hinaus gibt es einen Bordcomputer, eine Klimaanlage, ein Audiosystem mit Freisprecheinrichtung und USB-Anschluss sowie eine Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer serienmäßig. Ja verehrte Leser, Sie bekommen Komfortfeatures. In einem Lada. Und dann auch noch serienmäßig. Wir sind begeistert. Und das trotz einer Materialwahl und einer Verarbeitungsqualität, die jeweils etwas Boden zu der harten Segment-Konkurrenz von Dacia verlieren lassen.
Ein Motor: Der 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner
Bis jetzt gibt es aber noch keinen triftigen Grund, den Lada-Genossen sofort stehen zu lassen, und stattdessen den Dacia-Sandero-Konfigurator zu starten. Bis jetzt, denn der 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner ist immer noch ein archaischer Sauger mit 98 PS und 145 Newtonmeter Drehmoment. 16 Ventile und die Euro-6-Norm holen zumindest einen Hauch von 21. Jahrhundert unter die Russenhaube. Einen Turbobenziner oder gar einen Dieselmotor sucht man noch vergeblich.
Motoren der Zukunft?
Man versichert uns aber, dass an beiden Antriebsvarianten gearbeitet wird und wir in zwei bis drei Jahren mit den neuen Motorisierungen rechnen können. Während der Turbobenziner ein selbst entwickeltes Aggregat werden könnte (ganz genau wollte sich die der Lada-Hersteller AwtoWAS noch nicht dazu äußern), stammt der Diesel aller Voraussicht nach aus der Renault-Entwicklung (weil der Renault-Nissan-Konzern zu 25 Prozent an AwtoWAS beteiligt ist) und ist damit bereits aus der Dacia-Konkurrenz bekannt. Wer also heute nicht noch bis 2018 oder 2019 auf einen Diesel in einem Lada warten möchte, muss heute einfach noch zu Dacia gehen.
Annehmbare Fahrleistungen
Aber zurück in die Gegenwart: Für das Leergewicht von 1.110 Kilogramm ist der aktuelle Lada-Motor – der erstaunlich leise und ruhig seine Kraft für die Vorderräder produziert – ausreichend. Okay, man braucht Drehzahl, um flott voranzukommen und “flott” heißt in diesem Fall, dass es trotzdem 12,7 Sekunden dauert, um auf Tempo 100 zu kommen. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 169 km/h erreicht. Bemerkenswert ist hier, dass es selbst bei 130-km/h-Autobahntempo erstaunlich ruhig im Innenraum bleibt. Und das, obwohl es wie im deutlich lauteren Dacia nur fünf Gänge in einem manuellen Getriebe von Renault gibt. Im Lada passen die Anschlüsse der Gangbox irgendwie besser. Weil die Schaltvorgänge aber nur hakelig und geräuschvoll gelingen, sorgt ein Dacia für deutlich mehr Gangwechselfreuden.
Oldtimer oder Katastrophe
Mehr als gewöhnungsbedürftig ist die leichtgängige und gerade in der Mittellage völlig ohne Rückmeldung arbeitende Lenkung des Lada. In Verbindung mit dem 22 Millimeter erhöhten Fahrwerk der Cross-Version und der extrem schwammigen Vorderachse entsteht ein Kurvenverhalten, das man im positiven Sinne als “sehr amerikanisches Oldtimerfahrvergnügen” beschreiben könnte. Oder als heillose Katastrophe. Wie Sie wollen. Und ja, ein Sandero ist auch hier nicht perfekt, aber trotzdem deutlich besser.
Argumente für den Kalina Cross
Doch wer in dieser Klasse einkauft, sucht vor allem ein praktisches und gleichzeitig günstiges Produkt für sein Geld. Hier hat der Kalina Cross zwei entscheidende Argumente: Er bietet fünf Personen einen halbwegs komfortablen Sitzplatz, er nimmt es mit 335 Liter Gepäck auf (bei umgeklappter Rückbank sind es 670 Liter) und er kostet als Neuwagen nicht viel mehr als 10.000 Euro. Das große Problem ist: Ein Sandero kostet in der gut ausgestatteten “Stepway”-Version, die die Cross- und Lifestyle-Variante bei Dacia ist, in etwa genauso viel wie der Lada Kalina Cross. Also haben wir hier doch wieder eine Frage des Designs und des eigenen Geschmacks? Am Ende und im Prinzip … ja. Wohl oder übel wird der Lada wegen des sehr dünnen Händlernetzes das Nachsehen haben.
(ml)
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