München, 7. März 2016
Wer Visionen hat, solle zum Arzt gehen, meinte Altkanzler Helmut Schmidt einmal. Doch BMW denkt nicht daran. Ganz im Gegenteil: Zum 100-jährigen Geburtstag blickt das Unternehmen mit einer ganzen Reihe von Visionen in die Zukunft. Den Anfang macht die Studie “Vision Next 100″, die am 5. Mai in Peking als Asien-Premiere stehen wird. Am 16. Juni 2016 folgen in London als Weltpremieren sogenannte Visionsfahrzeuge von Mini und Rolls-Royce, zu guter Letzt zeigt die Motorradsparte am 11. Oktober 2016 in Los Angeles eine Studie.
Wo bleibt die “Freude am Fahren”?
Der “Vision Next 100″ steht im Mittelpunkt der großen BMW-Jubiläumsfeier am 7. März, dem Jahrestag der Unternehmensgründung anno 1916. Die Kernfrage hinter der Studie verbirgt sich schon im Namen: Wie sieht das Autofahren der nächsten 100 Jahre aus? Auch BMW ist sich darüber im klaren, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Mehrheit der Autos komplett autonom fahren wird. Aber wie verträgt sich das mit dem Markenkern der Münchener, der oft gepriesenen “Freude am Fahren”?
Besondere Haut
Zunächst die Eckdaten der BMW-Studie: Mit 4,90 Meter ist sie ungefähr so lang wie ein 5er, aber nur 1,37 Meter hoch. So mixt das kupferfarbene Fahrzeug Elemente von Limousine und Coupé. Laut BMW-Chefdesigner Adrain van Hooydonk bietet sie im Inneren so viel Platz wie ein 7er. Die Karosserie bedeckt die Räder, wobei sie sich beim Lenken wie eine dehnbare Haut an die Radbewegungen anpasst. Der cW-Wert beträgt nur 0,18, ein Weltrekord. Van Hooydonk begründete die Wahl einer sportlichen Limousine für den Jubiläums-Entwurf damit, dass seinerzeit die “neue Klasse”, der 1500 und der 2002, die Autosparte von BMW groß gemacht habe. Darauf sei man jetzt zurückgekommen. Zum Antrieb des Konzeptfahrzeugs machte das Unternehmen indes keine Angaben, auf jeden Fall solle es sich aber emissionsfrei bewegen. Ob rein elektrisch, per Brennstoffzelle oder sonst wie, bleibt dahingestellt.
Fahren lassen – aber nur auf Wunsch!
Eine Aussage ist BMW sehr wichtig: Zukünftige Fahrer können das Steuern auf Wunsch dem Auto überlassen. Aber eben nur auf Wunsch. Der Pilot soll nicht entmündigt werden, sondern im Mittelpunkt stehen. Trotzdem wird das Auto im Lauf der nächsten 100 Jahre vollständig vernetzt sein. Aber diese Tatsache soll zusammen mit digitaler Intelligenz den Fahrer lediglich unterstützen. Ihm soll das Gefühl gegeben werden, in einer für ihn persönlich konzipierten Maschine zu sitzen, die nicht nur autonom fährt. Soll heißen: BMW erteilt Fahrkabinen, wie man sie von Google kennt, eine klare Absage.
Invasion der Dreiecke
Markantestes Merkmal des BMW Vision Next 100 ist die “Alive Geometry”. Hierbei handelt es sich um knapp 800 bewegliche Dreiecke, die sich in der Instrumententafel und Teilen der Seitenverkleidung befinden. Sie kommunizieren durch Bewegung mit dem Fahrer und sollen wie eine Geste wirken. Ähnlich eines Vogelschwarms formen die Dreiecke Signale für die Passagiere, BMW spricht hier von einer Form der “vorbewussten Kommunikation”. Man erhält unmittelbar vor dem realen Ereignis ein intuitives Signal. Die Dreiecke spielen auch bei den Fahrmodi eine wichtige Rolle: Im “Boost Modus” greift der Fahrer selber ins Steuer, das gesamte Auto fokussiert sich auf ihn, wie bei BMW üblich, orientiert sich die Mittelkonsole stärker in Richtung Pilot. Dieser kann während der Fahrt mit Gestensteuerung interagieren. Die komplette Frontscheibe dient als zentrales Display für die Kommunikation. Wie bei manchem Playstation-Spiel werden die Ideallinie, Einlenkpunkte und die optimale Fahrgeschwindigkeit eingeblendet. Parallel dazu formt auch die “Alive Geometry” eine Ideallinie und Ähnliches. Laut BMW geht es nicht um schnelleres, sondern um besseres Fahren.
Total gelassen
Das Gegenstück zum Boost-Modus ist der “Ease-Modus” (Ease: englisch für Ruhe, Bequemlichkeit). Lenkrad und Mittelkonsole ziehen sich zurück, die Sitze bilden eine Einheit mit der Türverkleidung. Fahrer und Mitfahrer können sich leicht schräg setzen und einander zuwenden. Die “Alive Geometry” bewegt sich zurückhaltender, auf der Frontscheibe werden Informationen und Unterhaltungsinhalte angezeigt. In welchem Modus sich der besondere BMW gerade befindet, verdeutlicht eine Färbung des Lichts. Sowohl die typischen BMW-Nieren als auch die Doppelscheinwerfer und die L-förmigen Rückleuchten machen das den anderen Verkehrsteilnehmern deutlich.
Ein Freund, ein guter Freund
Zu guter Letzt soll der “Companion” (englisch für Gefährte, Kamerad) nicht vergessen werden. Es handelt sich um eine kleine Skulptur in Form eines großen geschliffenen Edelsteins, die sich zentral unter der Frontscheibe auf der Instrumententafel befindet. Sie symbolisiert die Verbindung zwischen Fahrer und Automobil. Sobald das Fahrzeug die komplette Verantwortung übernimmt, erhebt sich der Companion und verbindet sich per Datenaustausch mit der Windschutzscheibe. Ein entsprechendes Lichtsignal zeigt die Bereitschaft zum vollkommen autonomen Fahren an. In bestimmten Situationen gibt der Companion Verkehrsteilnehmern eine optische Rückmeldung. Fußgängern wird zum Beispiel durch einen grünen Lichtverlauf in der Frontpartie signalisiert, in welcher Richtung sie gefahrlos die Straße überqueren können.
(rh)
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