Dearborn (USA), 5. Dezember 2013
Woran denken Sie und ich beim Wort Mustang? Wohl kaum an eine Jeans oder das gleichnamige Kampfflugzeug aus den 1940er-Jahren. Der Pferdename ist untrennbar mit einer der US-Autoikonen schlechthin verbunden: dem Ford Mustang. Pünktlich zum 50. Geburtstag erscheint 2014 ein komplett neues Modell. Schon deshalb sind die Erwartungen groß, noch größer werden sie durch die Tatsache, dass der Sportwagen endlich wieder offiziell nach Europa kommt. Ein Grund zur Freude? Wir konnten bereits im nächsten Mustang Platz nehmen.
Geburt einer Legende
Rückblende: Im Jahr 1960 sucht der damalige Ford-Generaldirektor Lee Iacocca nach neuen Fahrzeugkonzepten. Doch er muss vorsichtig sein, der Edsel-Megaflop ist noch frisch. Marktforschungen zeigen, dass die immer jünger werdende Kundschaft nach (für US-Verhältnisse) kompakten Autos schaut, die aber schick und nicht ärmlich wirken sollen. Iacocca fasst zusammen: “Hier ist ein Markt auf der Suche nach einem Auto”. Ihm schwebt ein europäisch anmutender Wagen mit lang gestreckter Motorhaube und kurzem Heck vor. Eine heiße Form, unter der relativ biedere Großserientechnik des Ford Falcon steckt. In nicht einmal zwei Jahren entsteht der Mustang. Das Debüt findet am 17. April 1964 auf der Weltausstellung in New York statt. Die begeisterte Kundschaft rennt den Ford-Händlern die Bude ein, in Texas wird der einzige Mustang im Schaufenster unter 15 potenziellen Käufern versteigert. Der Gewinner übernachtet sicherheitshalber im Auto, bis sein Scheck eingelöst wird. Nicht nur das ist rekordverdächtig: Sagenhafte 418.812 Mustangs verkauft Ford im ersten Jahr. Die Gründe dafür: eine unglaubliche Zahl von Extras und ein günstiger Einstiegspreis.
Die Quadratur des Kreises
Doch im Laufe der Zeit setzt der Mustang (der in Deutschland aus rechtlichen Gründen T-5 heißt) Speck an. Er wird vom “sehnigen Rennpferd zum pummeligen Schwein”, wie sich Iacocca ausdrückt. Die nachfolgenden Generationen werden sparsamer, ziehen aber den Namen Mustang teilweise ins Lächerliche. Erst 2004 kommt die Wende mit einem Modell im Retro-Design. Doch auch diese Linienführung wirkt nun nach zehn Jahren überholt. Keine einfache Aufgabe für die Stilisten, wie sie mir beim Besuch des Designcenters in Dearborn verraten: Ein neuer Mustang müsse zwar modern wirken, aber auch als Mustang erkennbar bleiben. Und genau das ist leichter gesagt als getan. Den Männern am Zeichenbrett geht es wie ihren Kollegen von Porsche mit dem 911: Am Urmodell wird alles gemessen.
Eine nette Überraschung
Ich bin ganz ehrlich: Auch ich habe den allerersten Mustang im Kopf, als noch streng geheim das Tuch vom 2014er-Modell gezogen wird. Zunächst skeptisch, verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass hier gute Arbeit geleistet wurde. Der neue Mustang zitiert die 1960er-Jahre, weist aber mit dem großen Grill und den schmalen Scheinwerfern in die Zukunft. Am Heck wiederum dürfen die drei Lampen-Streifen links und rechts nicht fehlen. Sie sind so essenziell wie die vorderen Kotflügel beim Porsche 911 und künftig dreidimensional ausgearbeitet. Wobei auch andere Stimmen zum Zukunfts-Pony nicht verschwiegen werden sollen: Der Wagen sähe weniger amerikanisch aus, jemand will sogar eine leichte Mazda-Note erkannt haben.
Sehniges Pony
Was trotz allem auffällt: Der neue Mustang wirkt viel harmonischer als bislang, gleichzeitig aber bulliger. Wobei das Coupé noch etwas sehniger daherkommt als das zeitgleich entwickelte Cabrio. Relativ kleine Maßnahmen sorgen für diesen Eindruck: Die Höhe wurde um drei Zentimeter auf 1,38 Meter verringert, die hintere Spur um sechs Zentimeter auf 1,65 Meter verbreitert. Unverändert bleiben Länge und Radstand, sie betragen 4,78 Meter respektive 2,72 Meter. Platz spielte und spielt beim Mustang eine untergeordnete Rolle: Die Sitze im Fond sind eher Notsitze, dafür sollen jetzt zwei Golftaschen in den Kofferraum passen. (Wer es genau wissen will: 383 LIter nach SAE-Norm beim Coupé, 324 beim Cabrio.) Geschickt weiterentwickelt wurde das Cockpit. Für uns haptikverwöhnte Europäer gibt es solide Kippschalter in Metallanmutung und einen Acht-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole. Auch Assistenzsysteme wie Totwinkelwarner, Spurhalteassistent und Abstandsregeltempomat werden zu haben sein.
Starr ist out
Bemerkenswertes geht unter dem geschärften Blech vor sich. Benchmark in Sachen Performance respektive Dynamik waren nach Auskunft der Ingenieure sowohl der Mustang Boss 302 als auch der Porsche 911 und der BMW M3. Mit der bisherigen hinteren Starrachse ein Ding der Unmöglichkeit, weshalb der olle Krempel auf den Schrott fliegt. Ersetzt wird sie durch eine Einzelradaufhängung an Integrallenkern mit Querstabilisator. Insgesamt soll der Mustang straffer werden. Speziell für den Einsatz in Europa gibt es ein in den USA optionales “Performance Pack” serienmäßig. Größere Kühler machen den Mustang fit für die deutsche Autobahn. Ebenfalls inklusive sind 19-Zoll-Alufelgen mit 255er- oder 275er-Bereifung und je nach Variante auch eine Brembo-Bremsanlage. Der Fahrer kann per Knopfdruck diverse Fahrprogramme wählen, die das Ansprechen von Lenkung und Gaspedal sowie den Eingriff des ESP regeln.
Pferde-Stärken
Kommen wir nun zur dicksten Bombe: In Europa wandert ein Vierzylinder unter die Haube. Es ist ein 2,3-Liter-Ecoboost-Benziner mit Direkteinspritzung, variabler Ventilsteuerung und Turbo. Geballte Technik für massig Kraft, nämlich 309 PS und 407 Newtonmeter maximales Drehmoment zwischen 2.500 und 4.500 Touren. Nur zur Erinnerung – der in den USA weiterhin angebotene 3,7-Liter-V6 hat auch 309 PS, aber etwas weniger Drehmoment. Sie finden, unter die Haube eines Mustang gehört ein Achtzylinder? Kein Problem, den bietet Ford auch in Europa an und zwar im GT-Modell. Zu Buche stehen dann fünf Liter Hubraum, 426 PS und 529 Newtonmeter. Die dazugehörigen Getriebe haben immer sechs Gänge, wer automatisch schalten lässt, bekommt Schaltwippen hinter dem Lenkrad. Gebaut wird der neue Mustang übrigens wie seine Vorgänger in den USA. Die amerikanische Mahlzeit verspricht lecker zu werden, wenn sie voraussichtlich Anfang 2015 zu uns kommt. Jetzt muss nur noch der Preis stimmen. Kleiner Tipp an Ford: Der Nissan 370Z kostet mit 328 PS knapp 33.000 Euro.
(rh)
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